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Der Autor und sein Werk.

© Montage: Tagesspiegel | imago images/Hartenfelser, Europaverlag

280 Seiten lang Gejammer: Matthias Matusseks Buch „Armageddon“

Matthias Matussek hat ein weinerliches Buch geschrieben. Es ist durchzogen von Selbstüberschätzung, Denkfaulheit und peinlichen Fehlern. Doch etwas Gutes hat es.

Es war sehr zäh, dieses Buch zu lesen. Weil originelle Gedanken fehlen, weil die Handlung von „Armageddon“ unfassbar platt geraten ist und auch wegen der zahlreichen handwerklichen Mängel.

In seinem neuen Buch lässt Matthias Matussek keinen Zweifel daran, dass die Hauptfigur – der in Ungnade gefallene Bestseller-Autor Rico Hausmann – er selbst ist. Die Lebensdaten, kleinste Details seiner Vita, die zertrümmerte Karriere, das alles ist Matussek.

Dank des ausgetauschten Namens wirkt es, vielleicht, nicht ganz so peinlich, dass sich der Autor ständig selbst lobt oder von anderen Figuren loben lässt. Weiterhin ermöglicht es dem Autor, Unwahrheiten zu verbreiten und sich im Zweifel darauf zurückzuziehen, dass es sich um einen Roman handle.

Acht Jahre ist es her, dass Matussek nach einem Eklat bei der „Welt“ rausflog. Seitdem fällt er durch AfD-Nähe, rechte Polemik und seltsame Blogeinträge auf. In seinem Buch beschreibt er nun, wie er sich beziehungsweise Rico Hausmann einschätzt: als missverstandenen Großdenker und Starautoren, der von alten Weggefährten verraten wurde. Doch er sei ein Kämpfer. Einer, der „in Gegnerschaft aufblüht“. Seine Selbstüberschätzung ist schwer erträglich.

Seine Botschaft lässt sich auf zwei Leitgedanken herunterbrechen: „Alle doof außer ich“ sowie „Die anderen sind voll gemein.“ Der Verlag hatte „Armageddon“ als „J’accuse“ des Autors gegen „Mitläufertum und den Verlust der christlichen Werte“ angekündigt, doch es ist bloß ein 280 Seiten langes Gejammer geworden.

Matussek zitiert falsch aus „Mein Kampf“ und der Wikipedia

Leider ist das Werk durchzogen von Fehlern. Der Autor bringt Fakten und zeitliche Abläufe durcheinander. Er zitiert Songtexte falsch, er zitiert Prominente und Kollegen falsch, er zitiert selbst falsch aus „Mein Kampf“. Matthias Matussek schafft es sogar, verkehrt aus Wikipedia zu zitieren.

Mal bringt Matussek einen Buchtitel, mal den Namen eines berühmten Essays durcheinander. Und ja, es macht einen Unterschied, ob ein Werk wie von Matussek behauptet „Gegen den Selbstmord“ heißt oder in Wahrheit „Über den Selbstmord“. An einer Stelle schreibt er von einem Böhmermann-Video, das „gerade“ herausgekommen sei, tatsächlich war das bereits 2018.

Glaubt man diesem Autor, war Kai Diekmann zu Zeiten der Ampelkoalition noch Chef der „Bild“ (war er da schon vier Jahre nicht mehr). Der Schriftsteller Douglas Adams sei 52 Jahre alt geworden (korrekt wäre 49). Und er behauptet, das Magazin „Spiegel“ habe 2017 die Worte „Wehrt Euch“ auf sein Cover gedruckt (korrekt: „Traut Euch!“). Und so weiter.

Matthias Matussek beim Neujahrsempfang der AfD.
Matthias Matussek beim Neujahrsempfang der AfD.

© imago images/Hartenfelser

Nun drängen sich mehrere Fragen auf. Erstens: Wenn schon diese offensichtlichen, leicht überprüfbaren Fakten nicht stimmen, was hat Matussek dann noch alles verwechselt? Und zweitens: Wurde dieses Buch überhaupt lektoriert?

Es gibt in der Medienbranche das bekannte Phänomen, dass schlecht gealterte, verbitterte, nach rechts verrutschte Autoren mitunter derart stur sind, dass Redakteure oder Lektoren, die deren Texte eigentlich verbessern sollten, einfach alles durchwinken. Um keine Zornesausbrüche über sich ergehen lassen zu müssen, sagen sie sich: Ach komm, das drucken wir weg, es steht schließlich nicht mein Name drüber.

Dies ist allerdings nur eine Theorie. Vielleicht existieren ganz andere Gründe für die grotesk vielen Fehler.

Ein bisschen bestürzt es zu sehen, wie tief Matthias Matussek in rechte Schwurbelwelten abgerutscht ist. Wie er den AfD-Sprech verinnerlicht hat, die Bundesrepublik für einen DDR-Obrigkeitsstaat hält, von „grünem Regierungsterror“ fantasiert und Verschwörungslügen reproduziert. Man muss ihn fast dafür loben, dass er nicht auch noch über Chemtrails nachdenkt.

Die guten Momente des Buchs

Immerhin wird deutlich, wie arg es Matthias Matussek schmerzt, dass er verstoßen wurde. Wie hart es ihn trifft, dass er öffentlich kritisiert wird, dass ihn Kurt Krömer in seiner Sendung vorführte und Jan Böhmermann ihm ein Lied schrieb. Dass so viele Weggefährten mit ihm brachen, weil sie seine rechten Ausfälle nicht tolerierten. Man spürt, wie unglücklich der Autor darüber ist, jetzt vor diesem Scherbenhaufen zu stehen, den er selbst verzapft hat.

Interessant ist auch zu erfahren, dass die meisten seiner Geschwister offenbar ein Problem mit seiner AfD-Nähe haben. Und was ihm sein Kumpel von der rechtsextremen Identitären Bewegung von seinen Dating-Problemen erzählt, ist ebenfalls erhellend. Nur sehr wenige Menschen wollen Sex mit Rechtsextremen haben, erfährt man. Dies sind die guten Momente des Buchs.

Ein gescheiterter Mordversuch

Eine fiktive Handlung gibt es in „Armageddon“ übrigens auch. Mit ihr treibt Matussek seine eigene Opferinszenierung und Rechthaberei auf die Spitze: Ein linker Aktivist versucht, Rico Hausmann zu erschießen. Es klappt nicht. Als der Aktivist ihm nach 279 schleppenden Seiten auf einem Friedhof auflauert, mit dem Gewehr ansetzt und seinen Schuss abgibt, verletzt er Hausmann bloß. Der Angeschossene, der schon lange vor einem Attentat gewarnt hatte, überlebt, und die Polizei sieht nun endlich ein, dass sie die berechtigten Sorgen des klugen Autors früher ernst hätte nehmen sollen.

Bezeichnend, wie Matussek sich den Angreifer ausmalt: Der Mann gehört natürlich zur Antifa, ist bei G20 im schwarzen Block mitgelaufen, hasst das „Schweinesystem“, hört „Feine Sahne Fischfilet“, mag den Film „Pulp Fiction“, und stinken tut er auch noch. Doch, so plump gestaltet Matussek seine Figuren.  

Warum hat ihm niemand von diesem Buch abgeraten?

Gern wäre man dabei gewesen, als sich Matussek diesen Plot ausdachte und ihn irgendwie für eine gute Idee hielt statt für unfreiwillig komisch. Auch wüsste man gern, wie wohl sein Umfeld reagierte, als er davon erzählte. Warum ihn niemand zur Seite nahm und es ihm sagte.

Vermutlich wird das Buch ein paar wohlwollende Besprechungen ernten, im rechtsextremen „Compact“-Magazin und der „Jungen Freiheit“. Die vielen Mängel werden diesen Kreisen egal sein. Bleibt die Frage, weshalb es sich für andere lohnen könnte, das Werk zu lesen.

Vielleicht weil es in diesen Zeiten auch kluge konservative Perspektiven auf dieses Land braucht? Ja, die braucht es ganz sicher und dringend. Doch ausgerechnet bei Matussek danach zu suchen, ist so, als wolle jemand klassische Musik hören und schalte deswegen RTL2 ein in der Hoffnung, in der Werbepause könnte mal zufällig der alte Warsteiner-Spot laufen.

Vielleicht weil es hilfreich ist zu wissen, wie Wutbürger argumentieren? Ja, aber dann kann man auch auf Youtube ein beliebiges Pegida-Video anklicken, das ist wenigstens gratis.

Womöglich taugt das Werk als abschreckendes Beispiel und beweist, dass die Kritik an den viel zitierten „alten weißen Männern“ eben keine Kritik an Hautfarben oder Lebensaltern oder biologischen Geschlechtern ist, sondern an einer Geisteshaltung.

Niemand ist gezwungen, sich intellektuell derart aufzugeben, so engstirnig, gestrig und gehässig wie Rico Hausmann alias Matthias Matussek zu sein oder zu werden. Nicht so unelegant und vulgär, nicht so verbittert.

Jeder hat die Möglichkeit, neugierig zu bleiben, zu reflektieren und sich gegebenenfalls zu korrigieren, niemand muss mit rechtsextremen Verfassungsfeinden kuscheln und deren Treiben verharmlosen. Kurz: Niemand muss Rico Hausmann sein.

Ich glaube nicht, dass der Autor diese Botschaft im Sinne hatte. Aber trotzdem: Danke dafür.

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