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Der Kameramann Jost Vacano klagt seit Jahren gegen mehrere ARD-Anstalten, um eine Nachvergütung für seine Mitwirkung an dem Filmklassiker "Das Boot" zu erreichen.

© dpa

Wie viel Nachvergütung muss sein?: 100 000 oder 600 000 Euro

Der Streit zwischen dem Kameramann Jost Vacano und verschiedenen Verwertern des Filmklassikers "Das Boot" geht weiter

Der Rechtsstreit um die angemessene Vergütung für den Chefkameramann des international erfolgreichen Filmklassikers „Das Boot“ geht in die nächste Runde. Das Oberlandesgericht (OLG) in München habe die Urheberrechts-Nachvergütung für den Kläger Jost Vacano in der Vorinstanz falsch berechnet, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am Donnerstag (AZ: I ZR 9/18). Der Rechtsstreit mit der Produktionsfirma Bavaria Film, dem Videoverwerter Eurovideo und dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) muss nun vom OLG erneut verhandelt werden. Der heute 87-jährige Vacano führt bereits seit vielen Jahren auch mit anderen ARD-Anstalten juristische Auseinandersetzungen um eine höhere Nachvergütung.

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Für den 1980/1981 produzierten Film hatte Vacano eine Pauschalvergütung in Höhe von 204.000 Mark (etwa 104.300 Euro) erhalten. Damit sollten sämtliche Urheberrechte abgedeckt werden. 2002 hatte der Gesetzgeber jedoch den sogenannten „Fairnessparagrafen“ eingeführt. Dieser spricht den Mitwirkenden eine nachträgliche „angemessene Beteiligung“ an einem urheberrechtlichen Werk zu, wenn zwischen der ursprünglich vereinbarten Vergütung und den späteren Erträgen ein „auffälliges Missverhältnis“ besteht.

Internationaler Erfolg

Genau dies war hier der Fall. „Das Boot“ war ein internationaler Kinoerfolg mit sechs Oscarnominierungen und spülte mit Fernsehausstrahlungen und dem Verkauf von Videos und DVDs viel Geld in die Kassen der Produktionsfirma und der ARD-Anstalten. Vacano verlangte daher einen seiner Meinung nach angemessenen Anteil.

Der BGH urteilte am 13. März 2012, dass der Kameramann grundsätzlich Auskunft über die mit dem Film erzielten Erlöse verlangen kann (AZ: I ZR 127/10). Für die Verwerter von Filmwerken bedeutete dies, dass sie Urheber wie Regisseure oder Kameraleute am nachträglichen Kassenerfolg mehr teilhaben lassen müssen. Im aktuellen Streit hatte das OLG München Vacano 2017 weitere 588.000 Euro plus Zinsen als Urhebernachschlag zugesprochen.

Dem BGH nach liegt genau hier der Fehler. Um die Vergütung zu berechnen, könne bei einem einzelnen Vertragspartner die gesamte mit dem Urheber vereinbarte Vergütung ins Verhältnis zu allen vom Nutzungsberechtigten erzielten Erträge und Erlöse gesetzt werden. Im vorliegenden Fall gebe es aber einen Vertragspartner, der mehreren Dritten unterschiedliche Nutzungsrechte eingeräumt habe. Ob bei jedem Beklagten ein „auffälliges Missverhältnis“ vorliege, sei unklar.

Komplexe Materie

Die Münchner Richter hätten sich bei der Bestimmung der Summen zwar korrekterweise auf branchenübliche Tarifverträge und Vergütungsregeln gestützt, erläuterte der BGH-Senatsvorsitzende Thomas Koch bei der Urteilsverkündung. Sie hätten aber zwischen den drei Beklagten differenzieren müssen. Bei einem Film sei es zum Beispiel denkbar, dass er im Kino sehr erfolgreich sei, im Fernsehen aber ein Flop. Deshalb könnten nicht einfach überall die 100 000 Euro zugrundegelegt werden.

Koch sagte, für die Gerichte sei es in Fällen wie diesem außerordentlich schwierig, die Höhe der angemessenen Vergütung zu bestimmen. „Die Rechtsstreitigkeiten sind äußerst komplex.“

WDR sieht niedrigere Nachvergütung

Der beklagte WDR begrüßte die Begründung des Gerichts. Die Nachvergütung, die der Sender und die im Parallelverfahren vor dem OLG Stuttgart beklagten anderen ARD-Anstalten zahlen müssen, dürfe damit niedriger ausfallen als vom Kläger erhofft. Der Rechtsstreit könne zudem längst beendet sein, wenn andere am Markt etablierte Vergütungsmodelle angewendet würden.

Als Beispiel nannte der WDR eine neue Einigung zwischen der ARD, Bavaria, Eurovideo und dem Bundesverband Schauspiel (BFFS), die dem Schauspielcast eine Beteiligung an der wirtschaftlichen Auswertung sichert. Ab 2023 vergüten die ARD-Anstalten die Nutzungen des Films nach einem Punktesystem, wie eine Sprecherin des BFFS dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Dieses beruhe auf der Zuschauerreichweite des Sendeplatzes. Darüber hinaus leisteten die Sender rückwirkend pauschal eine Einmalzahlung für alle Ausstrahlungen und Verwendungen bis zum 31.12.2022.
Künftige Nutzungen und Auswertungen des Filmwerkes durch die Bavaria würden gesondert vergütet, erläuterte die Sprecherin. Demnach erhalten die Schauspieler sechs Prozent an allen beteiligungsfähigen Erträgen der Bavaria aus der Auswertung des Films. Dabei gehe es im Wesentlichen um Einkünfte aus der Nutzung in Kinos, Pay TV und Free-TV, als Video und Video-on-Demand sowie durch Weltvertrieb und Lizenzierung einer Making-of-Produktion. Nach WDR-Angaben blieb ein vergleichbares Angebot an Vacano unbeantwortet. (mit dpa und epd).

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