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Warum landen Aliens eigentlich immer in Maisfeldern? Das dürfte sich auch Sheriff Jim Bell Tyson (Sam Neill) fragen. F

© oto: Macall Polay/Apple+

Alien-Serie „Infiltration“ auf AppleTV+: Der menschliche Faktor

Streckenweise mehr Beziehungsdrama als Endzeitthriller: Die TV-Serie „Infiltration“ setzt auf Persönlichkeitsstudien beim Alien-Angriff.

Die Bedeutung der Begriffe „Invasion“ und „Infiltration“ ist trotz analogem Klang höchst verschieden. Bei ersterer dringt irgendwas – meist Bedrohliches – in irgendwas anderes – meist Überrumpeltes – ein. Letztere vollzieht dasselbe eher heimlich, ja schleichend. Angesichts der unfreiwilligen Komik, die Übersetzungen internationaler Titel hierzulande oft haben, passt das deutsche „Infiltration“ demnach besser zu einer Science-Fiction-Serie, die im amerikanischen Original „Invasion“ heißt.

Eine Unzahl seltsam geometrischer Aliens landet darin auf Erden, lässt es bei Apple TV+ allerdings zunächst mal ruhiger angehen. Nachdem eins davon zum Auftakt fern der Zivilisation durch Jemens Wüste pflügt, werden wie immer bei drohender Gefahr die Tiere scheu. Kamele fliehen, Vögel kreischen, Pferde bocken und im staubigen Oklahoma gerät Sheriff Jim Bell Tyson am letzten Arbeitstag in einen Heuschreckenschwarm, der zwar Böses erahnen, aber noch nicht belegen lässt. Und das ändert sich auch wenig, als alle anderen Charaktere der nächsten zehn Teile peu à peu eingeführt werden

[ „Infiltration“, AppleTV+, ab Freitag]

In New York bringt die fürsorgliche Aneesha ihre Kinder zur Schule – muss sie allerdings wegen kollektiven Nasenblutens wieder abholen. In Tokio bereitet die Computerexpertin Mitsuki den Weltraumflug einer japanischen Astronautin vor – deren Rakete wenig später explodiert. In London fährt der kränkliche Außenseiter Caspar auf Klassenfahrt – die plötzlich in einer abgelegenen Schlucht endet. In Kandahar fährt GI Cole auf Patrouille durchs Bürgerkriegsland Afghanistan – da trennt ihn ein Sandsturm von seinen Kameraden. Alles außergewöhnliche Ereignisse ohne extraterrestrische Ursachen, so scheint es.

Ende der zweiten Folge aber zeigen sich die Außerirdischen in ihrer vollen furchteinflößenden Pracht. Aus der Infiltration wird eine Invasion, die den Planeten in ein Chaos stürzt, durch das die anfangs eingeführten Charaktere nun acht Folgen lang herumirren. So weit, so normal für handelsübliche Science-Fiction, deren ungeladene Gäste vornehmlich Hauptstädte mit Sightseeing-Potenzial attackieren, während ihre Gastgeber verblüffend modemagazincovertauglich sind für Berufe wie Hilfssheriff oder Astrophysikerin, aber sei’s drum.

Große Gefühle und größere Konflikte

Denn anders als gewöhnliche Infiltrationsinvasionen fieser Space Invaders gönnen die Showrunner David Weil und Simon Kinberg ihren Aliens vergleichsweise wenig Bildschirmzeit. Unter der Regie von Jakob Verbruggen („The Alienist“) legen sie die Zivilisation zwar durchaus aufwendig in Schutt und Asche. Zentraler – und damit beispielloser – sind allerdings all die Persönlichkeitsebenen eines gedimmten Spektakels, das besonders zu Beginn eher Beziehungsdrama als Endzeitthriller ist. Die zweifache Mutter Aneesha (Golshifteh Farahani) zum Beispiel hat auf der Flucht vorm Unbekannten mehr mit ihrem untreuen Mann (Firas Nassar) als mit Endmonstern zu ringen.

Und so geht es weiter: Die schöne Programmiererin Mitsuki (Shioli Kutsuna) droht in ihrer landestypischen Wabenwohnung zu vereinsamen und träumt sich in erotische Beziehungen mit einer Weltraumreisenden. Der vermeintliche Befreier Cole (Shamier Anderson) dagegen lernt die unfreiwillig Befreiten auf sich allein gestellt endlich von ihrer persönlichen, also menschlichen Seite kennen. Der schüchterne Teenager Caspar (Billy Barratt) findet im Überlebenskampf unter Schulrowdys Zeit für Schmetterlinge im Bauch. Und Sam Neill, einziger Weltstar im Cast, kriegt es als pensionierter Polizist Tyson nicht nur mit faschistischen Hinterwäldlern, sondern späten Selbstzweifeln zu tun.

Die großen Gefühle und größere Konflikte sind jedoch nicht nur emotionaler Kitsch, um erprobte Spannungsbögen auszudehnen. Zur unprätentiösen Musik des deutschen Komponisten Max Richter bilden sie den Wesenskern eines Katastrophenfilmformats, das zwischen „Independence Day“ und „Stranger Things“ versucht, jeder Filmfigur auf eigensinnige Art Haltung und somit Tiefe zu verleihen. Dass es letztlich auf einen Showdown Mensch vs. Alien mit fortsetzungstauglichem Finale hinausläuft – geschenkt. Ebenso wie ein paar billige Stereotype. Auch in „Invasion“ alias „Infiltration“ etwa finden Hauptfiguren im obligatorischen Desasterserienstau stets als Einzige freie Fahrbahnen, auf denen sie liebenswerte Kinder in Sicherheit bringen. Der Rest aber ist ziemlich originell.

Jan Freitag

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