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Nora (Andy Allo) verwaltet das postmortale Paradies von „Lakeview“.

© Amazon Studios, Prime Video

Amazon-Serie „Upload“: Komik der Abgründe

Klingt ein bisschen deprimierend? Nicht nur. In der Zivilisationsdystopie „Upload“ laden sich Todgeweihte in die virtuelle Ewigkeit hoch.

Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Bis in die technikmüden 70er Jahre hatte sich die voll automatisierte Science-Fiction alles auf Erden heller, bunter, besser ausgemalt als zur jeweiligen Gegenwart. Seither jedoch neigt das Genre zur Schwarzmalerei, weshalb darin nun alles dunkler, grauer, schlechter erscheint als im Morgen von gestern.

Wenn die Amazon-Serie „Upload“ mit der Vision beginnt, 2033 könnten Todgeweihte per Datentransfer digital auferstehen, um in einer Fototapetenwelt weiterzuleben, ist also Vorsicht geboten – das zeigt sich bereits beim ersten Schnitt.

Kaum nämlich, dass ein PR-Film den binären Alterssitz anpreist, zoomt die Kamera in eine Metro unterm New York des nächsten Jahrzehnts. Apathische Menschen mit Atemmasken werden darin aus holografischen Screens mit Werbung wie dieser beschossen, derweil das reale Leben im Superstau autonomer Autos und Drohnen verödet.

Auch Nora wirkt, als wäre die Angestellte der Firma „Horizon“ selbst gern dort, wohin sie ihre Kundschaft schickt: „Lakeview“, ein postmortales Paradies für Gutbetuchte auf Abruf, in das Nora all jene Informationen hochlädt, die jedermann oder jedefrau bereits heute freiwillig auf sämtliche Sever speist.

Auch Nathan zählt zu den Glücklichen mit Aussicht aufs (und genug Geld fürs) ewige Pensionat im Naturreservat mit Grandhotel. Dummerweise beginnt es weit früher als geplant. Da sein Bordcomputer streikt, rast der schicke Jungunternehmer in den Gegenverkehr und wird eine halbe Stunde, nachdem er bei voller Fahrt Sex mit seiner Freundin Ingrid hatte, aber ein halbes Leben vor seiner gebuchten Zeit nach Lakeview hochgeladen.

Seine „Engel“ genannte Assistentin Nora organisiert ihm dort zwar ein Leben im Überfluss. Doch zwischen den Freizeitangeboten und servilen Dienstboten erweist sich der Himmel bald als ähnlich heiße Hölle wie die komplett kameraüberwachte, computergesteuerte, bewertungssüchtige Wirklichkeit diesseits der Ferienanlage.

Um die Ecke pinkeln

Nicht nur, dass Nathan – angemessen irritiert gespielt von Robbie Amell – dem Trugbild der Plastikidylle auf die Schliche kommt; um von seiner Geschäftsidee einer leibhaftigen Reanimation Verstorbener zu profitieren, ist die schöne, aber kalte Ingrid – herrlich artifiziell verkörpert von Allegra Edwards – für den Tod ihres Verlobten verantwortlich.

Als das auch Nathan klar wird, begibt er sich mit Nora (Andy Allo), die sich trotz der Unvereinbarkeit ihrer Aggregatszustände natürlich in ihn verliebt und umgekehrt, auf Mörderjagd. Klingt ein bisschen deprimierend?

Da sie von Greg Daniels ersonnen wurde, der unsere Alltagsriten ähnlich pointiert mit Serien wie „King of the Hill“ oder „Das Büro“ seziert hat, ist die bitterböse Zivilisationsdystopie oftmals hinreißend komisch. Und zwar – ganz wichtig – ohne auf die Pointenpauke zu hauen.

Um in der Matrix seiner Künstlichen Intelligenz nichts dem Zufall zu überlassen, kann Nathan um die Ecke pinkeln und neben der Balkontür die Jahreszeit einstellen. Wer dagegen die Frühstückszeit verpasst, sieht das üppige Büffet in seine Pixel zerfallen und muss für ein trockenes Brötchen gegen die Mikrowelle hämmern, wie Nathan vom mitgefangenen Zyniker Luke (Kevin Bigley) erfährt.

In Momenten wie diesem zeigt sich Daniels’ Gespür für die Abgründe der Komik, genauer: die Komik der Abgründe. Wenn sich ein „2Gig“ genannter Gast der billigen Kategorie seinen Penis aus Papier & Klebe nachbaut, weil er aus Fleisch & Blut extra kostet, wirkt das daher nur auf den ersten Blick ulkig.

Wahrhaftiger als „Upload“ kann Fernsehen die kapitalistische Selbstzerstörungsdynamik nämlich kaum skizzieren. Welche Ironie, dass es hier von Amazon stammt („Upload“, Amazon Prime, ab Freitag) – dem brutalsten Verfallsbeschleuniger unserer Zeit.

Jan Freitag

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