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William Friedkin

© AFP

Arte-Doku über William Friedkin: Der Exorzist

Ein Dokumentar-Langfilm erzählt Leben und Werk von „New Hollywood“-Regisseur William Friedkin.

„To me the two most interesting characters in the history of the world are Hitler and Jesus.“ Er wolle Hitler natürlich nicht lobpreisen und bitte auch nicht missverstanden werden, sagte US-Regisseur William Friedkin, aber betrachte ihn als ein gutes Beispiel der Extreme. Denn das Gute und das Böse, das sei schließlich in absolut jedem von uns zu finden. Auch in ihm selbst.

Das sei die Wahrheit, jene Wahrheit, an die er glaube – während er mit dem Zeigefinger direkt in die Kamera zeigt, die ihm beim ausgiebigen Interview zu Hause filmt. Das Interview entsteht für den über 100 Minuten zählenden neuen Dokumentar-Langfilm „Friedkin Uncut“ (deutscher Titel: „William Friedkin – Hollywoods Enfant terrible“), den der italienische Filmautor und Regisseur Francesco Zippel in den Jahren 2017 und 2018 erstellt.

In diesen beiden Jahren begleitet der Italiener den US-Amerikaner, filmt seine Auftritte auf europäischen Filmfestivals in Italien, Frankreich und Spanien, interviewt den bald 85-jährigen Regisseur zu Hause in dessen Villa, und sucht ein Dutzend teils sehr namhafter Zeitzeugen auf, die mit Friedkin befreundet sind oder aber mit ihm gearbeitet haben – von den Regie-Kollegen Francis Ford Coppola, Wes Anderson und Quentin Tarantino zu den Schauspielern Willem Dafoe, Ellen Burstyn und Matthew McConaughey.

William Friedkin, 1935 in Chicago als Sohn jüdischer, aus der Ukraine stammender Einwanderer geboren, belegt seit jeher eine Außenseiter-Position im US-amerikanischen Kino. So richtig gehörte er nie irgendwo dazu. Außer, dass er zeitlich der Bewegung des „New Hollywood“ zuzuordnen ist, diesem jungen, so anderen US-Kino, das sich zu Beginn der 1970er Bahn bricht, und dem auch Coppola, Scorsese, Spielberg eine ganze Weile angehören.

Der internationale Durchbruch kommt 1971 mit „French Connection“

Friedkin wird gemeinhin dem Horror-Genre zugeordnet, doch natürlich passt auch das nicht, ist nicht stimmig, und wird ihm, diesem Vielseitigen, ohnehin überhaupt nicht gerecht.

„The day I saw ,Citizen Kane‘, I was 21.“ Dieser Tag, so Friedkin, habe sein Leben verändert und den Ausschlag dafür gegeben, Filmemacher zu werden. Ein Initiationserlebnis. Das war 1956, da arbeitet er noch bei der Poststelle des lokalen Chicagoer Senders WGN-TV.

Sein erster Film entsteht – nach einigen Live-Fernsehsendungen – schließlich 1962, und es ist, es mag ein wenig überraschen, ein Dokumentarfilm, in Schwarz- Weiß gedreht: „The People vs. Paul Crump“. Aufgrund dieses Films, so Friedkin heute mit stolzer Bescheidenheit, sei der zum Tode verurteilte Schwarze Paul Crump nicht getötet worden.

Der internationale Durchbruch kommt 1971 mit „French Connection“, in dem er Gene Hackman und Roy Scheider durch ein New York rennen und rasen lässt, das noch ein so ganz anderes war als das von heute. Der Film, längst zum stilbildenden Klassiker des Cop-Thrillers avanciert, erhält fünf Oscars, unter anderem den für die Beste Regie und für den Besten Film. Mehr Ehre geht nicht, Friedkin hingegen nimmt’s gelassen.

Nur zwei Jahre später, 1973, wird „Der Exorzist“ ähnlich wie dreizehn Jahre zuvor Alfred Hitchcocks „Psycho“ (1960) nicht nur das Kino revolutionieren und Sehgewohnheiten ändern, sondern auch ein enormer Kassenerfolg. Die Menschen stehen Schlange, die Academy nominiert den Film mit zehn Oscars. Es ist Friedkins beste Zeit, es sind seine Meisterwerke. Es folgen Arbeiten wie etwa „Atemlos vor Angst“, „Cruising“, „Leben und Sterben in L.A.“ oder „Die Stunde des Jägers“.

Nicht jeder neue Friedkin wird in späteren Jahren ein Erfolg, im Gegenteil: Er muss auch Flops einstecken und verkraften, hat Schwierigkeiten, Produzenten zu finden. Sein letzter Kinofilm stammt von 2011, „Killer Joe“.

Im Laufe dieser gut 100 Minuten von „Friedkin Uncut“ („William Friedkin“, Arte, Sonntag, 22 Uhr 40) wird einem dieser Mann mit seiner unorthodoxen Art und seinem nicht minder unangepassten unbequemem Werk immer sympathischer. Friedkin schert sich nicht darum, was man über ihn denkt, er sagt geradeheraus, was Sache ist, wirkt dabei denkbar authentisch, prostet ab und an mit wechselnden Kaffeetassen in die Kamera – bei alledem schwingt eine humorige spürbare Empathie mit. Zeit, sein facettenreiches Werk wiederzuentdecken. „Friedkin Uncut“ lädt dazu ein.

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