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Der die Mauer überwinden musste. Armin Mueller-Stahl verließ die DDR, nachdem er gegen die Ausbürgerung von Wolf Biermann protestiert hatte.

© Heike Sittner/MDR

Arte-Porträt Armin Mueller-Stahl: Robert Redford, nur besser

Vom DDR-Fernsehen zur Oscar-Nominierung: Unter dem Titel "Ein Gaukler in Hollywood" wird der Schauspieler Armin Mueller-Stahl porträtiert..

In über 140 Filmen stand er vor der Kamera. Dabei profilierte sich Armin Mueller-Stahl als Meister der subtilen Zwischentöne. Heike Sittner, bekannt durch ihre Dokumentation „Depeche Mode und die DDR“, blickt zurück auf die bewegte Karriere des charismatischen 90-Jährigen, der eigentlich gar kein Darsteller werden sollte.

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Zumindest war dies die feste Überzeugung der DDR-Schauspielschule. Man attestierte ihm „mangelnde Begabung“. Am Theater kam Mueller-Stahl trotzdem unter. Seine anfängliche Erfolglosigkeit schien jedoch das ernüchternde Urteil zu bestätigen. Es war Fritz Wisten – ein österreichischer Jude, der nach dem Ende der Nazi-Herrschaft in die DDR blieb, wo er die Berliner Volksbühne leitete –, der dem jungen Akteur mit einer Hauptrolle zum Durchbruch verhalf.

Mit seiner nonchalanten, kaum berechenbaren Art avancierte Mueller-Stahl rasch zu einem gefragten Schauspieler im Arbeiter- und Bauernstaat. Die Fernsehserie „Das unsichtbare Visier“, wo er als schlagfertiger MfS-Agent eine Art James Bond des Ostens verkörperte, steigerte seine Beliebtheit.

[„Armin Mueller-Stahl – Ein Gaukler in Hollywood“, Arte, am Montag um 22 Uhr 05]

Die Stasi wollte das erfolgreiche Format für ihre Propaganda nutzen. Mueller-Stahl stieg daraufhin aus. Mit seinem Protest gegen die Ausbürgerung des Dissidenten Wolf Biermann fiel er endgültig in Ungnade. Er übersiedelte 1980 in den Westen, wo der damals wichtigste Kinoregisseur nur auf ihn gewartet haben zu schien: „Er sieht aus wie Robert Redford, spielt aber viel besser“, schwärmte Rainer Werner Fassbinder, der ihn für die Rolle des unbestechlichen Baudezernenten in „Lola“ besetzte.

Neben prominenten Kollegen wie Hark Bohm und Jeremy Irons kommentiert vor allem Armin Mueller-Stahl selbst seine Lebensgeschichte im Arte-Porträt. So etwas kann leicht schiefgehen. Schauspieler sind oftmals nicht die intellektuellsten Köpfe. Armin Mueller- Stahl dagegen hört man gerne zu. Etwa wenn er erzählt, wie er die Hauptrolle in der „Schwarzwaldklinik“ ablehnte – ohne sich über ein Format aus den Tiefen der Unterhaltungsbranche lustig zu machen.

Mit fast 60 Jahren nach Hollywood

Fast 60-jährig ging er nach Hollywood. Ohne ein Wort englisch zu sprechen. Paul Kohner, Agent namhafter Größen wie Marlene Dietrich und Greta Garbo, wusste sofort: „So wie Sie sind, wie Sie dastehen, werden Sie Erfolg haben.“ Kohner sollte Recht behalten. Bereits mit seinem ersten Hollywood-Auftritt in Costa Gavras’ „Music Box“ setzte Mueller-Stahl ein Ausrufezeichen. Der Kurzauftritt als liebenswürdiger Taxifahrer Helmut in Jim Jarmuschs „Night on Earth“ rückte den Charakterkopf schließlich in den internationalen Fokus. Den Oscar als Vater eines schizophrenen Klavierspielers in „Shine – Der Weg ins Licht“ hat er zwar nicht bekommen. Doch die Nominierung ist schon eine Ehre.

Mit Blick auf seine unterschiedlichen Rollen ist man zusehends überrascht über die Vielseitigkeit dieses Darstellers. Denkt man etwa an Thomas Mann, so hat man Mueller-Stahl im Kopf – seit er den Schriftsteller 2001 in dem ARD-Dreiteiler gespielt hat.

Ausgebildeter Violonist

Die Dokumentation erinnert auch an die weniger bekannten Facetten des vielseitigen Künstlers, der als ausgebildeter Violinist noch mit 85 Jahren auf der Bühne stand. Auch als Maler reüssierte Mueller Stahl. Seine stilisierten Porträts beeindrucken durch ihren expressiven Pinselstrich.

Noch aus DDR-Zeiten stammt „Die blaue Kuh“, ein um die Ecke gedachter Liedtext, der seinerzeit die Stasi ins Grübeln brachte: Eine Kuh, „die sich selbst austrinkt?“ „Meinen Sie damit etwa die DDR?“ Die Zensoren waren nicht dumm. Geholfen hat es nichts. Die DDR trank sich tatsächlich selbst aus.

Armin Mueller-Stahl war zu dieser Zeit schon in Hollywood. Er kaufte sich später ein Haus in Los Angeles. Dort wohnt der seit fast 50 Jahren mit derselben Frau verheiratete Künstler und lächelt still in sich hinein. Wie ein Zen-Meister.

Manfred Riepe

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