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Medien: Auf der Kippe

Launig ging es zu bei der jüngsten Sitzung des SFB-Rundfunkrates vor zwei Wochen. Bei der Diskussion über die Fusion mit dem ORB flogen Worte durch den Raum wie "Hühnerhaufen", "Gockel" und "Hottentotten", es ging sogar um das "Gesäß des Intendanten", als es um die Frage ging, ob der Intendant der neuen Anstalt nun in Berlin oder Potsdam residieren soll.

Launig ging es zu bei der jüngsten Sitzung des SFB-Rundfunkrates vor zwei Wochen. Bei der Diskussion über die Fusion mit dem ORB flogen Worte durch den Raum wie "Hühnerhaufen", "Gockel" und "Hottentotten", es ging sogar um das "Gesäß des Intendanten", als es um die Frage ging, ob der Intendant der neuen Anstalt nun in Berlin oder Potsdam residieren soll.

Kein Zweifel: Jetzt wird es ernst mit der Senderfusion. Dass sie kommt, hat seit der Berliner Wahl auch der letzte Fusionsverächter kapiert. Noch aber hat sich der SFB-Rundfunkrat nicht weiter bewegt, als seine im Juli bei der einstimmig bekundeten Fusionsabsicht formulierten Eckpunkte zu bekräftigen. Die wichtigsten: keine Personalobergrenzen für die neue Anstalt und, wichtig für die Altersvorsorge der SFB-Angestellten, die Rechtsnachfolge der neuen Anstalt. Alles weitere ist Verhandlungssache.

Dabei fühlt sich die SFB-Mitarbeiterschaft alles andere als optimal vertreten. Intern wird dem Intendanten Horst Schättle zwar attestiert, ein guter Fernsehdirektor gewesen zu sein; als Intendant jedoch sei er zu ausgleichend, zu liebenswürdig, mit zu wenig Biss. Jedem, der es noch hören kann, diktiert Schättle mit sardonischem Lächeln, dass er sich die Intendanz der fusionierten Anstalt keinesfalls antun werde; und dass für ihn mit dem Staatsvertrag, der im nächsten Sommer kommen soll, die Sache im Prinzip erledigt sei. Von ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer ist ein solches Bekenntnis nicht bekannt. Ohne Not, heißt es intern beim SFB, habe sich Schättle somit in eine "lame-duck"-Position gebracht. Zudem hat der ORB Anfang des Jahres die Verträge von Fernsehdirektor Volker van der Heydt und Hörfunkdirektorin Hannelore Steer um fünf Jahre verlängert. Vorfristig, moniert der SFB, turnusmäßig, sagt der ORB. Beim SFB läuft der Vertrag für Hörfunkdirektor Jens Wendtland im Dezember 2002 aus, und der von Fernsehdirektorin Barbara Groth im März 2003. Nur der ORB schafft Fakten.

Wird also Rosenbauer Intendant der neuen Anstalt? Das gäbe Rabatz beim SFB, im Rundfunkrat wie senderintern. Nicht der fachlichen Kompetenz wegen: Rosenbauers taktisch-kluge Aufbauleistung beim schlanken ORB wird beim SFB respektiert. Aber als Integrationsfigur ist er allein schon wegen der wechselhaften Geschichte der SFB-ORB-Hörfunkkooperation schwerlich vorstellbar. Ein Intendant, der aus der einen Anstalt kommt, sähe sich sowieso dem Vorwurf der Befangenheit ausgesetzt - was die andere Anstalt zur defensiven Wahrung ihrer Eigeninteressen veranlassen würde. Keine gute Grundlage für einen Neuanfang, für den Rosenbauer in seiner Haushaltsrede vor dem ORB-Rundfunkrat "faire Kooperation statt unnötiger Konfrontation" anmahnte.

Gefragt ist auch weniger eine schöngeistige Persönlichkeit, sondern ein Manager, der unternehmerischen Mut zu strukturellen Änderungen aufbringt und beide Anstalten bürokratisch entrümpelt. Dafür kommt entweder ein Gründungsbeauftragter oder aber ein Gründungsintendant in Frage. Vorteil der zweiten Variante: Der Intendant der Fusionsanstalt könnte sich selbst Strukturen schaffen, die er für die nächsten Jahre für sinnvoll erachtet, und wäre nicht von der Vorarbeit eines Gründungsbeauftragten abhängig. Der Nachteil: Seine Einsetzung dauert länger, weil er erst vom neuen Rundfunkrat gewählt werden müsste; der kann aber erst nach der Verabschiedung des Staatsvertrages, also womöglich im nächsten Sommer, gebildet werden. Dass es bei der Zusammensetzung des obersten Gremiums krachen wird, ist vorherzusehen.

Wenn die Fusion die hohen Erwartungen rechtfertigen soll, reicht es nicht aus, zwei Anstalten mit einer Fülle von schmerzlosen Kompromissen zusammenzunageln. Wie man es nicht machen sollte, demonstriert die 1998 vollzogene Senderfusion, aus der der Südwestrundfunk (SWR) entstand. Den SFB-Beschäftigten glühten die Ohren, als bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Personalvertretungen von SFB und ORB Vertreter des SWR ihre Fusions-Resultate auflisteten - als da wären: schlechteres Programm, Doppelstrukturen bis hin zu zwei Landesrundfunkräten in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit erheblichem Einfluss der Parteien und im Staatsvertrag festgeschriebene Programmregelungen. In einer Sache sind sich also alle einig: Der SWR taugt allenfalls als Gegenbeispiel. Oder als Abschreckung. Aber wie dann?

Eine Fusion, wird von Politik wie Senderleitungen gebetsmühlenartig wiederholt, stärke den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In der Tat brächte die Fusionsanstalt, größenmäßig dann mit dem Hessischen Rundfunk vergleichbar, mehr Gewicht in die ARD ein - und könnte für diese billiger werden. In der ARD ist man nämlich erpicht darauf, einige der "Armen-Boni", die SFB und ORB bisher zuteil wurden, zu streichen; etwa bei der Umlagefinanzierung für Gemeinschaftsprojekte der ARD. Vor allem aber möchten die großen Anstalten den Finanzausgleich eindampfen, über den der SFB rund 10 Millionen Mark pro Jahr bekommt.

Eine programmliche Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Region - für eine Akzeptanz in der Öffentlichkeit das entscheidende Kriterium - ist folglich weitaus weniger gewiss. Denn die kostet Geld. Offizielle Lesart ist zum Beispiel, die neue Anstalt werde einen Programmanteil von rund sieben Prozent zum Ersten Programm liefern - die Summe der bisherigen Anteile von SFB und ORB. Intern bezweifeln das einige SFB-Mitarbeiter jedoch. Sie rechnen mit nur sechs Prozent. Mehr sei kaum finanzierbar. Ganz zu schweigen von den 45 Millionen Mark Mindereinnahmen, die der SFB angesichts des neuen Gebührenmodells für beide Sender errechnet hat. Und dass es fusionsbedingte Mehrkosten zumindest in der Anlaufperiode geben wird, ist sowohl für SFB als auch ORB unstrittig.

Mitarbeiter des SFB registrieren daher mit Sorge, dass der Rundfunkrat seine Priorität derzeit bei der Ausgestaltung des Staatsvertrages setzt. Weil darin aber keine Programmvorgaben enthalten sein sollen, könnten senderübergreifende Arbeitsgruppen längst mit der Diskussion gemeinsamer Programmvorstellungen beginnen. Beim SFB haben die Hörfunk- und die Fernsehdirektion bislang jedoch lediglich intern Eckpunkte formuliert. Ein - für den Oktober angekündigtes - Positionspapier des Programmausschusses des Rundfunkrates steht aus. Arbeitsgruppen, die die Rahmenbedingungen (etwa zum Personal oder für die mittelfristige Finanzplanung beider Anstalten) abgleichen müssen, sind ebenfalls überfällig. Wenn hier nicht bald etwas passiert, fürchtet man SFB-intern, werde mit der Fusion eine Chance zum Neuanfang vertan.

Senderübergreifend arbeitet bislang lediglich die Spitzengruppe aus den beiden Intendanten, den Leitern der Intendanzen, den Chefs der Senats- und der Staatskanzlei und dem Medienbeauftragten Bernd Schiphorst. Die Gruppe hat sich aber erst einmal getroffen - im August im Roten Rathaus. Innerhalb der nächsten Wochen wird es ein neues Treffen geben; voraussichtlich werden dann erste Teile des Staatsvertragentwurfes für eine Fusion diskutiert. Daran basteln derzeit die Rundfunkreferenten der beiden Ländern.

Erik Heier

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