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Medien: „Auf wen sollen wir denn einschlagen?“

Einzeln ist gut, organisiert ist besser: Hans-Werner Meyer über den Verband der Schauspieler BFFS

Herr Meyer, was sind Sie denn nun: Gewerkschafter oder Schauspieler?

Schauspieler. Selbst wenn ich wollte, könnte ich kein Gewerkschafter sein, weil der BFFS ein Verband ist und keine Gewerkschaft. Eine Gewerkschaft für Schauspieler zu gründen, ergibt so wenig Sinn wie eine Gewerkschaft für Regisseure, Autoren, Kameraleute.

Dann sind Sie ein stinknormaler Lobbyist.

Noch vor kurzem hätte ich diese Bezeichnung weit von mir gewiesen, aber seit wir uns mit Politikern treffen, weiß ich, dass Politiker auf Lobbyisten angewiesen sind. Sie sagen uns unmissverständlich, dass sie froh sind, dass wir endlich eine „Lobby“ gegründet haben, damit sie endlich unsere Arbeitsbedingungen und Interessen kennenlernen können.

Aber Sie wollen vor allem die armen, armen Schauspieler etwas reicher machen?

Abgesehen davon, dass es vielleicht fünf bis zehn Prozent der Schauspieler sind, denen es relativ bis sehr gut geht, ist es natürlich nicht unser Ziel, unsere Gagen zu erhöhen, sondern die Regeln, unter denen wir arbeiten, mitzugestalten. Als grundsätzlich befristet Beschäftigte haben wir dieselben Probleme mit der Hartz-Gesetzgebung wie alle Freiberufler. Und noch einige mehr. Zum Beispiel hat ein Schauspieler, der den Fehler begeht, Hartz IV zu beantragen, kaum noch eine Chance, wieder als Schauspieler arbeiten zu können.

Wie denn das?

Wenn er einen Ein-Euro-Job hat und ein Angebot für einen oder zwei Drehtage bekommt, dann kann er es möglicherweise nicht annehmen, weil es sich um eine befristete Beschäftigung handelt. Der Gesetzgeber akzeptiert nur unbefristete Beschäftigung, obwohl die generell ein Auslaufmodell ist. Wir haben schon immer befristet gearbeitet, zahlen, weil die Bezahlung in einem kurzen Zeitraum verhältnismäßig hoch ist, den Höchstsatz in die Arbeitslosenversicherung. Wir haben aber, seit die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld I von drei auf zwei Jahre verkürzt wurde, keine Chance mehr, dieses zu bekommen, landen also ohne Umweg bei Hartz IV, wenn wir staatliche Mittel in Anspruch nehmen wollen. Darum versuchen es die meisten gar nicht erst.

Das Fernsehen boomt und damit die TV-Produktionen. Verdienen Sie nicht mehr als je zuvor?

Wie gesagt: Es geht nicht um die Höhe der Gagen. Die fallen übrigens sehr unterschiedlich aus, immer häufiger erfahre ich von Dumpinggagen an der Grenze zur Sittenwidrigkeit. Nein, es geht darum, die Praxis des Durchwurschtelns zugunsten einigermaßen fairer Regeln zu beenden. Beispielsweise das Thema Sozialversicherung. Viele Produzenten versichern uns, leider auch auf Anweisung der Sender, nicht den Tatsachen entsprechend, teilweise sogar nur tageweise. Jetzt müssen die Produzenten Millionenbeträge nachzahlen, und zwar nicht nur die Arbeitgeber-, sondern auch die Arbeitnehmeranteile. Das bedroht viele in ihrer Existenz, was absolut nicht unser Interesse sein kann. Der Staat kassiert unsere Beiträge also zwar im Nachhinein, ordnet sie uns aber nicht individuell zu. Jeder versucht, sich durchzuwurschteln, und der lachende Dritte ist der Staat.

Schaffen Sie doch alle Arbeitsverträge ab!

Auf diese grandiose Idee sind andere auch schon gekommen. Das heißt dann Scheinselbstständigkeit.

Wie viel Macht kann so ein Verband wie der BFFS überhaupt erreichen? Ist eine Gewerkschaft nicht viel schlagkräftiger?

Sehen Sie, genau darum sind wir keine Gewerkschaft, weil diese Knüppelrhetorik nicht unserer Arbeitsrealität entspricht. Auf wen sollen wir denn einschlagen? Unsere Arbeitgeber sind keine schwerreichen Kapitalisten, die uns ausbeuten, sondern Mittelständler und größtenteils selbst abhängig, zum Beispiel vom Fernsehen. Wir müssen aufklären und überzeugen.

Und trotzdem haben Sie starken Zulauf.

Naja, die Zeit war einfach reif. Wir haben innerhalb von einem Jahr knapp 700 Mitglieder bekommen. Aber bei geschätzten 15 000 Schauspielern im deutschsprachigen Raum ist es leider noch viel zu wenig. Direkt nach der Gründung im April 2006 gab es eine ungeheure Eintrittswelle, die dann langsam versiegte. Die Notwendigkeit sehen zwar die meisten. Aber dann ist da noch die Trägheit ...

Warum die ganze Mühe, wenn Ihre Kollegen nicht mitziehen?

Um mit Lenin zu sprechen: aus Einsicht in die Notwendigkeit.

Wie kamen Sie zum BFFS?

Anfang April letzten Jahres rief mich der Kollege Michael Brandner an und sagt: „Morgen bin ich in Berlin. Morgen gründen wir den Verein, sonst klappt das nie! Dafür braucht man mindestens sieben Mitglieder. Mit dir sind wir sechs. Kennst du noch jemanden, der morgen Zeit hat?“ Ich kannte, wir gründeten den Verein – und plötzlich sah ich mich im Vorstand wieder.

Sie werden sicher, sollte es schiefgehen, in der Verfilmung der Geschichte des BFFS, die ja sicher schon geplant ist, die Hauptrolle spielen.

(lacht) Wer will sich so was schon ansehen?!

Haben Sie schon etwas erreicht, ganz konkret?

Viele Kontakte in die Politik. Bald ist ein Treffen mit Kulturstaatsminister Neumann geplant. Laufende Verhandlungen mit anderen Verbänden zum Thema Sozialversicherung und Urheberrecht. Aber das sind Prozesse, die Zeit brauchen.

In einer Ihrer Presseinfos steht der schöne Satz „Zwischen dem Berufsstand Schauspieler und der Politik klaffte bislang eine Lücke, die der BFFS schließt“. Wir dachten immer, Politik und Schauspielerei gehören zusammen wie Wasser und Boot.

Sie meinen: Politiker sind eigentlich die besseren Schauspieler? Mag sein, aber im Unterschied zu uns sind sie fest angestellt und kennen darum unsere Sorgen nicht.

Wie wär’s, wenn Sie trotzdem nach den Sternen greifen würden? Zum Beispiel: Höchstlohn für alle Schauspieler!

Darauf möchte ich mit einem Satz antworten, den mein Kollege Heinrich Schafmeister von seinem Vater hören durfte, als er in seinen jungen Jahren mal wieder das Träumen anfing: „Mach erst mal deine Hausaufgaben.“

Hört sich nicht gerade zum Fürchten an.

Das will ich hoffen. Furcht ist kein guter Ratgeber. Gegenseitiger Respekt wäre viel fruchtbarer. Auch untereinander: Ob Soap-Darsteller oder Filmstar, wir haben denselben Beruf.

Wo werden Sie demnächst zu sehen sein?

Ich werde in Österreich Theater spielen. Einen Politiker.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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