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„Balko“-Team. Ludger Pistor (l.), Tamara Romera Gines und Jochen Horst.

© dpa

„Balko“ ist zurück: Der netteste TV-Cop

24 Jahre nach seinem Abschied feiert Jochen Horst sein Comeback als „Balko“ – auf Teneriffa.

8652 Tage sind – nicht nur, aber besonders im Fernsehen – eine Ewigkeit. Weil Jochen Horsts Paraderolle 8652 Tage weg vom Fenster war, können Jüngere wenig anfangen mit dem RTL-Kommissar einer vergangenen Epoche. 8652 Tage haben so tiefe Spuren ins Gesicht des 60-jährigen Schauspielers gegraben, dass auch Ältere womöglich stutzen, wenn Horst ein halbes Leben nach Dienstende ungefähr das tut, was er 1207 Tage seiner Serienkarriere notorisch getan hatte: auf chaotische Art für Ordnung sorgen.

„Balko“ ist zurück. Der erste, dessen Darsteller seine Kultfigur auf dem Höhepunkt ihrer Sympathiewerte Mitte 1998 an Bruno Eyron übergeben hatte. Trotz doppelter Einsatzzeit prägte Horsts Nachfolger den Dortmunder Kommissar nicht so eindrücklich wie Jochen Horst in 48 Folgen.

Da ist es nur logisch, wenn RTL fürs 90-minütige Comeback des nettesten Schlawiners im fiktionalen Polizeidienst der Neunziger das Original verpflichtet – und in Handschellen steckt.

Balko, 57 Jahre, hat „halb Teneriffa in Schutt und Asche gelegt“, wie ihm die örtliche Ermittlerin vorwirft. Womit, zeigt der Rückblick auf die 24 Stunden zuvor. Fast 24 Jahre nach seinem Abschied verdingt sich der Ex-Cop ohne Vornamen als Ferienclub-Animateur im Drachenkostüm, da bittet ihn sein früherer Kollege Krapp – wie damals gespielt vom fidelen Ludger Pistor – um Hilfe. („Balko“, Donnerstag, RTL, 20 Uhr 15)

Befördert zum Ministerialdirektor im Verteidigungsministerium sollte dieser dem Waffenhersteller Dirk Oswald (Jan Henrik Stahlberg) auf seiner Kanaren-Finca für einen Koffer Schmiergeld Rüstungsdeals mit Weißrussland absegnen.

Weil er sich weigert, wacht der standhafte Beamte neben einer toten Kellnerin im Bett der Oswalds auf und sitzt später neben Balko im Fluchtauto, das an den Vernehmungstisch von Kommissarin Ruíz (Tamara Romera Ginés) befördert – als Stieftochter des Titelhelden Teil einer Fortsetzung, die fast zu absurd ist, um bloß Krimi zu sein. Genau das aber war „Balko“ noch nie.

„Wie alt is’n der jetzt?“

Als der zerzauste Ruhrpott-Bulle vor 27 Jahren ins Rampenlicht seiner Heimatregion trat, beschränkte sich Humor im deutschsprachigen Krimi auf den Wiener Kottan (ermittelt) oder Evelyn Hamanns Sekretärin Adelheid (und ihre Mörder). Bevor Balko das hiesige Wo-waren-sie-gestern-Abend-Allerlei mit britischem Aberwitz würzte, ging höchstens Manfred Krugs „Tatort“ als heiter durch.

Jochen Horsts Crime-Comedy war ein Ausnahmefall – der ihm 1996 den Grimmepreis bescherte. Nach Drehbüchern von Robert Dannenberg und Stefan Scheich tischt uns Werbefilmer Félix Koch nun eine Räuberpistole um kriminelle Waffenhändler und korrupte Bürokraten auf, an der Uschi Glas als schießwütige Rüstungspatriarchin noch das Realistischste ist.

Musikalisch 007, dramaturgisch Cobra 11, rollen die RTL-Rentnercops schließlich ein wenig zu oft mit den Augen, um im Sturm selbstreferenzieller Stunts mehr zu sein als Zitate ihrer Vergangenheit. „Da drüben hamse mal’n Thriller mit Harrison Ford gedreht“, sagt der Einheimische Balko zum angereisten Krapp.

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„Wie alt is’n der jetzt?“, fragt letzterer, erhält „zu alt, um noch glaubwürdig den Actionkasper zu geben“ als Antwort und sagt unter beidseitigem Gelächter: „Irgendwann wird’s peinlich“.

Das Kokettieren mit dem Alter, sagt Jochen Horst am Telefon seiner Wahlheimat Mallorca, bringe „ein paar Farben mehr verglichen mit dem Pott der Neunziger“. Ob es ihn 27 Jahre später nicht stört, wie sehr sein Alter Ego den Rest einer langen Karriere überlagert?

„Überhaupt nicht“, und erklärt es zum Ziel des Schauspielens, „Figuren zu kreieren, mit dem dich das Publikum assoziiert, sonst musst du was falsch gemacht haben.“. Jochen Horst hat vieles richtig gemacht. Wahre Fans werden ihren Balko auch auf Teneriffa lieben.

Jan Freitag

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