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Im Radio: Bäumefäller und Mauerbauer

Hörspiele von Wolfgang Weyrauch, Jochen Meissner und Horst Giese: Tom Peuckert verrät, was man in den nächsten Tagen im Radio nicht verpassen sollte.

Ein Mann geht durch die Straßen einer Großstadt. Nichts wäre auffällig an ihm, bliebe er nicht ab und zu vor Passanten stehen und hauchte ihnen ein Datum ins Gesicht. Es ist der Tod, der im Hörspiel „Totentanz“ von Wolfgang Weyrauch mit banaler Macht durch das geschäftige Treiben der Stadt pflügt. Ein sehr moderner Tod, ohne Sense, dafür mit Regenmantel und Schirmmütze, der den Menschen unaufgefordert das Datum ihres Ablebens nennt. Autor Weyrauch wurde im Nachkriegsdeutschland zur sogenannten „Kahlschlag-Literatur“ gerechnet. Was sich hinter diesem markanten Label verbirgt, verrät das preisgekrönte Hörspiel aus dem Jahr 1961 (Deutschlandradio Kultur, 3. August, 21 Uhr 33, UKW 89,6 MHz).

Männer besingen die Frauen, die sie lieben. So ist es ein jahrtausendealter Brauch in der schönen Literatur. Gesicht und Körper, Seele und Temperament, Vorzüge und Schwächen. Was hat die Emanzipation auf diesem Gebiet eigentlich gebracht? Im Feature „Du hast keine Brüste, die ich besingen könnte“ untersucht Cornelia Sturm, wie deutsche Lyrikerinnen über Männer schreiben und warum sie das tun. Eine Reihe prominenter Autorinnen gibt Auskunft. Gedanken und Texte über „Bäumefäller“ und „Bärenheger“, „Muser“ und „Sturmausreißer“ (Deutschlandradio Kultur, 7. August, 0 Uhr 05).

Die Geschichte des Hörspiels hat eine Menge Theorien hervorgebracht. Wie überall gibt es auch unter den Radiodenkern Konservative und Avantgardisten. Das Hörspiel „Schallgestalten in bilderlosen Räumen“ von Jochen Meissner ist einem Rebell des Genres gewidmet. Vor genau fünfzig Jahren hat der Medientheoretiker Friedrich Knilli sein berühmtes Buch „Das Hörspiel“ publiziert. Das Hörspiel, schrieb Knilli, findet nicht in der Fantasie des Hörers statt, sondern in seinem Zimmer. Das Hörspiel ist nicht Inhalt, sondern Schall. Eine krachende Ohrfeige für alle Traditionalisten, wie Meissners furiose Collage aus Experteninterviews und Archivmaterial deutlich macht (Deutschlandradio Kultur, 7. August, 18 Uhr 30).

Eine kleine Geschichte der Jazzmusik erzählt Autor Horst Giese in seinem Hörspiel „Die sehr merkwürdigen Jazzabenteuer des Herrn Lehmann“. Glaubt man Gieses Hauptfigur, dann hat der Jazz in einer Nervenheilanstalt bei Neuruppin angefangen. Mit einem von den Nazis dort zwangseingewiesenen Aushilfskellner, der das Anstaltorchester zu neuen Rhythmen aufstachelte. Gieses Hörspiel ist eine tolldreiste historische Fälschung, in der Goebbels den Advocatus Diaboli spielt und die Originalstimmen der UFA-Stars eifrig soufflieren. Für so viel Erfindungskraft gab es 1991 den „Hörspielpreis der Kriegsblinden“ (Kulturradio vom RBB, 7. August, 22 Uhr 05, UKW 92,4 MHz).

Die Nacht zum 13. August 1961 war in Berlin außerordentlich kalt. Nur 8 Grad zeigte das Thermometer, als überall in der Stadt Barrikaden errichtet wurden. In ihren Hörstücken „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ dokumentieren Heide und Rainer Schwochow die Tage unmittelbar vorm Mauerbau. Einerseits hatte Ulbricht noch im Juni dem Mauerbau öffentlich abgeschworen. Andererseits mehrten sich jetzt die Vorzeichen und Warnungen. Wer in diesen Tagen ganz genau hinhörte, konnte das Kommende durchaus ahnen (Kulturradio vom RBB, 8. bis 12. August, jeweils 14 Uhr 10).

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