zum Hauptinhalt
Die Aussöhnung mit dem jüdischen Volk war Pressezar Axel Springer so wichtig, dass er seine Mitarbeiter auf dieses Ziel verpflichtete. Das Bild zeigt den Verleger in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Foto: Unternehmensarchiv Axel Springer AG

© Tsp

Axel Springer und die Juden: "Bild dir dein Volk"

Axel Springer hat sich für Israel eingesetzt und Ex-Nazis angestellt. Eine Ausstellung beschäftigt sich nun mit seinem Verhältnis zu Juden.

Axel Springer ist so etwas wie der Ötzi der deutschen Medienforschung. Kein Verleger wurde so akribisch von der Wissenschaft durchleuchtet und analysiert. Dutzende Biografien und Dokumentationen widmen sich dem Medienzar (1912–1985), der im Nachkriegsdeutschland einen beispiellosen Aufstieg schaffte. Fehlt da noch was? – ist daher eine durchaus berechtigte Frage, die man sich zum Mythos Springer stellen darf. Offenbar schon: Das Stadtmuseum Berlin zeigt jetzt die Ausstellung „Bild dir dein Volk! Axel Springer und die Juden“ auf der kompletten zweiten Etage des Ephraim-Palais.

Es handelt sich um eine Übernahme aus dem Jüdischen Museum Frankfurt, das die Schau zusammen mit dem Fritz-Bauer-Institut konzipierte und bereits vergangenes Jahr präsentierte. Sie jetzt im Rahmen des Themenjahrs „Zerstörte Vielfalt“ nach Berlin zu holen, liegt nahe: Springer selbst wählte die Stadt als Sitz seiner Konzernzentrale, baute eines der ersten Hochhäuser West-Berlins. Hier zog er die Strippen, hier scharte er seine engsten Mitarbeiter und Berater um sich. An diesen Kreis knüpft die Ausstellung an.

Juden arbeiteten neben Ex-NS-Propaganda-Schreibern

Denn in Springers Zeitungen „Bild“ und „Welt“ arbeiteten nach dem Holocaust zurückgekehrte Juden friedlich neben ehemaligen NS-Propaganda-Schreibern. Dass westdeutsche Verleger nach Kriegsende auch vorbelastete Journalisten beschäftigten, war gang und gäbe: Rudolf Augstein vom „Spiegel“, „Stern“-Chef Henri Nannen und Gerd Bucerius („Die Zeit“) verfuhren ebenso. Springer aber ließ seine Angestellten eine Vertragspassage unterschreiben, mit der sie „einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen“ sowie der „Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes“ zustimmten. Langjährige Nationalsozialisten wie Horst Mahnke oder Paul Karl Schmidt, der als „Paul Carell“ für Springer schrieb, unterzeichneten, ohne mit der Wimper zu zucken. Carell, der bereits 1931 in die NSDAP eingetreten war und es im Laufe des Kriegs bis zum SS-Obersturmbannführer gebracht hatte, bewegte sich zeitweise im engsten Zirkel um Springer – zu dem auch dessen jüdische Freunde gehörten.

Wie diese heikle Zusammenarbeit zwischen Opfern und Tätern funktioniert haben soll, lässt die Ausstellung offen. Sie beschränkt sich auf den Fixstern Springer als Erklärung, der seinen Angestellten ein „Seid nett zueinander“-Gefühl vermittelt haben soll. Damit konnten sich angeblich beide Seiten nach der „Stunde null“ arrangieren.

Nicht alle Fragen werden beantwortet

Ebenso schwammig bleibt Springers Motivation, sich persönlich und finanziell für ein positives deutsch-jüdisches Verhältnis einzusetzen. Historisch ist in dieser Hinsicht wenig gesichert; auch deshalb kann „Bild dir dein Volk!“ eher Vermutungen anstellen denn Fakten liefern. Die Ausstellung zeigt mit Plakaten, persönlichen Dokumenten und Filminterviews, dass Springers enges Verhältnis zu Israel an seiner Herkunft aus dem jüdisch geprägten Altona liegen könnte. Oder an seiner lebenslangen Freundschaft zu Erik Blumenfeld, der unter den Nazis nach Auschwitz deportiert wurde, überlebte und später Gründungsmitglied der CDU wurde. Auch Ernst Cramer, der 1945 aus der Emigration zurückkehrte und später Herausgeber der „Welt am Sonntag“ wurde, spielte als engster politischer Ratgeber Springers eine entscheidende Rolle. Kurioserweise wollten aber gerade Springers jüdische Freunde nicht als Grund für sein Engagement verstanden werden. Sie stritten vehement ab, seine Haltung zu beeinflussen.

Obwohl die Ausstellung nicht alle Fragen beantworten kann, zeigt sie dennoch viele sehenswerte, unbekannte Gesichter Axel Springers. Ausschnitte aus seiner persönlichen Korrespondenz mit mehreren Bundeskanzlern tragen dazu ebenso bei wie seine Stasi-Akte, die ihn gleichzeitig als Frauenheld und Homosexuellen diffamiert.

Jubelnde „Bild“- Schlagzeilen über israelische Militärsiege spiegeln deutlich die Redaktionslinie wider, die der Verleger Axel Cäsar Springer über Jahre und Jahrzehnte hinweg konsequent durchgesetzt hatte. Dass die Schau ihm deshalb eine „visionäre Färbung“ zuschreibt und ihm nachsagt, er sehe sich als der Erlöser des deutschen und des israelischen Volkes, das ist doch etwas dick aufgetragen. Zum Mythos Springer passt es natürlich. Tatjana Kerschbaumer

Öffnungszeiten: 4. September bis 19. Januar 2014, Dienstag, Donnerstag bis Sonntag zwischen zehn Uhr und 18 Uhr sowie Mittwoch zwischen zwölf Uhr und 20 Uhr. Sonderveranstaltung: Podiumsdiskussion „Medien und Verantwortung“ – Henryk M. Broder und Sven Felix Kellerhoff im Gespräch (1. Oktober, 19 Uhr, Märkisches Museum/Stadtmuseum Berlin)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false