zum Hauptinhalt
In Landeskleidung. Christoph Reuter hat für den „Stern“ zweieinhalb Jahre aus Afghanistan berichtet. Foto: dpa

© dpa

Afghanistan-Heimkehrer: „Bis an die Zähne korrupt“

Der letzte deutsche Auslandskorrespondent verlässt Kabul. Christoph Reuter kritisiert die Regierung Karsai - und sieht auf Afghanistan noch schwerere Zeiten zukommen.

Der einzige deutsche Auslandskorrespondent in Afghanistan hört auf: Christoph Reuter, entsandter Korrespondent des Magazins „Stern“ mit Sitz in Kabul, verlässt den Posten an diesem Dienstag aus freien Stücken. Er wird nach eigenen Angaben auf absehbare Zeit nicht ersetzt werden. Künftig wird der 43-Jährige als Reporter der Auslandsredaktion des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ vor allem über den Nahen Osten berichten. Die Berichterstattung deutscher Medien über Afghanistan läuft vor allem über regelmäßige Reporterreisen, zum Beispiel von Indien aus.

Nach zweieinhalb Jahren in Afghanistan beklagt Reuter trotz aller internationalen Bemühungen Stillstand und Korruption in Afghanistan. Der Agentur dpa sagte Reuter, als Reporter habe er sich von den radikal-islamischen Taliban nicht stärker bedroht gefühlt als von der Regierung von Präsident Hamid Karsai, die „bis an die Zähne korrupt“ sei. „Über die Taliban darf man auch Böses schreiben, ohne dass sie einen deswegen angreifen würden. Bei der herrschenden Regierung sieht das anders aus.“

Die Zukunft Afghanistans sieht Reuter düster. Nach dem für 2014 geplanten Abzug der Truppen sei ein neuer Bürgerkrieg „leider die wahrscheinlichste Option“, sagt er. „Unabsehbar ist, ob dann ein Regime wie das der Taliban zurückkehrt – oder ob zehn Jahre westlicher Einfluss die Menschen doch geprägt haben, ob sie gelernt haben, Sachen wie Bildung, Freiräume oder Musik wertzuschätzen.“

Ein Abzug der internationalen Truppen hätte nach Reuters Einschätzung unter anderem drastische Auswirkungen auf die ökonomische Lage. Die Truppen erwecken den Eindruck, dass sie die wirtschaftliche Entwicklung des Landes voranbringen. „Aber die Wirtschaft, das sind die Truppen, sie sind die größten Arbeitgeber. Wenn sie gehen, hinterlassen sie ein kollabierendes System“, befürchtet der Korrespondent. So würde genau das Gegenteil von dem erreicht, was geschaffen werden sollte: ein System, das aus sich heraus funktioniert. „Weder die Afghanen noch die Ausländer haben viel Mühe darauf verwendet, dieses Land unabhängig zu machen von den Ausländern.“

Seinen Weggang aus Afghanistan begründet Reuter mit der sich verfestigenden Stagnation. „Ich habe das Gefühl, die Dinge wiederholen sich, aber es geht weder in eine gute noch in eine schlechte Richtung voran. Die Anwesenheit der internationalen Schutztruppen friert das Ganze ein.“ Dagegen fänden im Nahen Osten tiefgreifendere Veränderungen statt – „von innen heraus, die werden bleiben“. dpa/Tsp

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false