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Medien: „Das ist eine Katastrophe“

Kai Wiesinger über Nöte an Schulen, Alleinerziehende und Scheren im Kopf

Im dem Film „Zwei gegen Zwei“ geht es um eine Frau und einen Mann, beides alleinerziehende Architekten, die am Arbeitsplatz zu Konkurrenten werden.

Ich finde es sehr interessant, auch mal einen alleinerziehenden Vater zu zeigen und von den Problemen zu erzählen, wie man Kinder und Beruf unter einen Hut bekommen kann. Ich habe in dem Film mitgespielt, weil mir der letzte Film von Regisseur Lars Jessen, „Am Tag als Bobby Ewing starb“, gefallen hat. Eine ähnliche Einfachheit finde ich auch in dieser Geschichte wieder. Es gibt keine Show. Die Leute arbeiten in einem total durchschnittlichen Büro. Diese Fernsehrealität jenseits von „Ich gucke aus einer Fensterfront auf den Hamburger Hafen“ gefällt mir.

Es gibt zwei Antihelden, die kalte Karrierefrau und den unzuverlässigen Vater, der alle Verabredungen mit seiner Tochter platzen lässt. Sind das Prototypen?

Ich kenne zig Fälle, in denen das so ist, dass Väter an den Wochenenden, an denen sie sich um ihr Kind kümmern sollen, „wichtige“ Verabredungen vorschieben. Das muss man doch organisieren können, dass man sein Kind in sein Leben integriert!

Verbinden Sie mit einem Primetime-Film zu diesem Thema irgendeine Hoffnung?

Ich hoffe, dass der Film neben dem unterhaltenden Moment anregt, über das Leben Alleinerziehender nachzudenken. Darüber, dass eine kindgerechtere Politik nötig wäre, was ja anfängt bei einer Ganztagsschule oder bei Betreuungsmöglichkeiten, die für viele überhaupt nicht finanzierbar sind. Ich finde, das ganze Schulsystem in Deutschland ist eine Katastrophe. Es kann allerdings nicht die Aufgabe der Filmschaffenden sein, vorrangig Missstände anzuprangern. Es muss Filme geben, die man sich einfach anguckt und wo man seinen Spaß hat.

Was ist denn so schlecht am deutschen Schulsystem?

Ich finde es schlimm, dass Kinder in der ersten Klasse nach Hause kommen und sagen, „hoffentlich bin ich gut genug, dass ich ins Gymnasium komme“ – ohne dass wir Eltern je ein Wort darüber verloren hätten. Ich finde es auch schlimm, dass so wenig Lehrer da sind. Wenn ein Lehrer mal ausfällt, pendelt ein anderer zwischen zwei Klassen mit jeweils 29 Kindern. Und dann dieses Selektieren bereits nach der vierten Klasse – das ist doch schrecklich!

Zu Ihrer Karriere, was nicht so viele wissen: Sie haben für englische, italienische und kanadische Produktionen gearbeitet.

Ich finde im Ausland immer toll, diese Liebe zum Kino zu spüren, die es in Deutschland nicht gibt. Kino gehört einfach nicht zur deutschen Kultur. Man muss versuchen, den Kindern und Jugendlichen Sehgewohnheiten nahe zu bringen. Wie gucke ich mir einen Kinofilm an, wie einen Fernsehfilm? Wir haben da vieles sträflich vernachlässigt, weil Fernsehen und Kino, auch bedingt durch die Fördertöpfe, so nahe zusammengerückt sind.

Sie sprachen von Kultur. Nun wollen Sie in einer Fernsehserie mitspielen.

Ja, ich kam begeistert von Dreharbeiten aus Argentinien zurück, wo ich schon häufiger Gelegenheit hatte, amerikanische Serien zu sehen. Das ist großartig. Bei einer ähnlich hochwertigen Produktion wollte ich unbedingt mitspielen. Wir haben einen Piloten mit dem Arbeitstitel „Die Anwälte“ gedreht. Wir wollen versuchen, eine Serie auf höchstem künstlerischen Niveau zu machen.

Auch eine eher unbekannte Seite: Sie arbeiten als Dokumentarfilmer.

Ich bereite zwei Filme vor. Mich reizt bei diesem Genre die Wahrhaftigkeit. Ich selber bleibe beim Zappen nur bei Dokus hängen. Das Schlimme ist allerdings, dass bei den Redakteuren in den Sendern schon eine Schere im Kopf ist. Die haben teilweise bereits die Lichtsetzung im Kopf. Da gibt es einen Sendeplatz, und dort muss es so und so aussehen. Das ist der Tod jeder Kreativität.

Das ist formatiertes Fernsehen.

Aber total.

Die Fragen stellte Thomas Gehringer.

„Zwei gegen Zwei“, ZDF, 20 Uhr 15

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