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Medien: „Der Mensch ist schlecht“ Senta Berger über ihre Rolle als Polizistin Prohacek, Politik und Schleichwerbung

Frau Berger, in Bayern, das haben wir im Wahlkampf gelernt, leben besonders viele rechtschaffene Menschen. Wie kommt es dort an, dass die Krimireihe „Unter Verdacht“, die sich mit Korruption in Ämtern und Behörden beschäftigt, ausgerechnet in München angesiedelt ist?

Frau Berger, in Bayern, das haben wir im Wahlkampf gelernt, leben besonders viele rechtschaffene Menschen. Wie kommt es dort an, dass die Krimireihe „Unter Verdacht“, die sich mit Korruption in Ämtern und Behörden beschäftigt, ausgerechnet in München angesiedelt ist?

Wir haben uns schon gewundert, dass wir gar keinen Rüffel bekommen haben. Wir haben immerhin die Festplatte von Max Strauß verewigt, der jetzt wegen Steuerhinterziehung verurteilt wurde, und haben frei nach dem Opus Dei das Opus Bavariae erfunden, bei dem es um Verflechtungen zwischen Kirche, Politik und Wirtschaft ging. Aber ich hätte den Rüffel eher vom ZDF erwartet, weil Sender oft schon vorauseilend handeln.

Also hat es keinen Rüffel gegeben?

Nein. Es ist ja auch eine Samstagabend-Geschichte, die auf unterhaltsame Weise Probleme beleuchtet, mit denen wir ganz selbstverständlich zu leben gelernt haben. Es fängt im Kleinen damit an, dass jemand zum Taxichauffeur sagt: Ach, schreiben Sie mir doch kein Datum auf die Quittung. Das ist dieser kleine Bürgerbetrug, der natürlich auf der Skala nach oben offen ist. Wenn es nicht mehr um zehn Euro geht, sondern um zehn Millionen, werden die Leute aufmerksam.

Warum bekommt man die Korruption nicht in Griff?

Das hat es doch immer gegeben. Der Mensch ist schlecht. Er war noch nie gut, und er wird auch nicht besser. Ich erwarte jedoch von der Politik und den staatlichen Organen, dass sie den Bürgern ein Beispiel geben. Dass der Helmut Kohl mit seiner Spendenaffäre so davon gekommen ist, dass ihm von Parteimitgliedern sogar neue Spendengelder gegeben worden sind, um die alten zu verwischen, das hat mich gekränkt. Weil ich dachte, das sei dieser Partei nicht würdig, und sie habe es auch nicht nötig.

Worin liegt der spezielle Reiz für Sie, die Figur der Eva Maria Prohacek zu spielen?

Der spezielle Reiz ist eigentlich die Geschichte. Wir haben uns danach langsam an die Figur herangetastet. Wir wollten jemanden, der nicht unfehlbar ist, der kein Gutmensch ist, der verletzt, ungeduldig, isoliert, introvertiert ist. Man muss sehr analytisch an diese Rolle herangehen: Wie viel kann man preisgeben von ihr? Wie sitzt sie, wie raucht sie, wie geht sie? Das zu bauen, interessiert mich. Das ist eine schöne Aufgabe.

Das Fernsehen selbst ist wegen Korruption und Schleichwerbung in die Schlagzeilen geraten. Sie sind selbst auch Produzentin.

Ich kenne keinen Produzenten, der Product Placement nicht schon praktiziert hätte. Die Frage ist nur, wohin geht dieses Geld? Geht es in ein Projekt oder in irgendeine Tasche? Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern muss man wirklich genau hingucken, aber ich finde es aufrichtiger zu sagen: Wir können in Zukunft einen „Tatort“ in der gewohnten Qualität, und die „Tatorte“ sind eigentlich alles Kinofilme, nicht ohne Sponsoring wie beim Sport herstellen.

Ist Schleichwerbung in der Branche gang und gäbe?

Ich weiß nur, dass man oft gefragt wird: Macht es Ihnen etwas aus, wenn da vorne eine bestimmte Zigarettenmarke drauf steht, oder sollen wir das abkleben? Dann hast du die Wahl zu sagen: Nein, ich will für XY keine Werbung machen. Bei „Unter Verdacht“ haben wir eine Zigarettenmarke erfunden.

Möglicherweise wird erstmals eine Frau im Kanzleramt die politische Macht ausüben. Mann oder Frau – spielt das eine Rolle?

Ich glaube nicht. Ich habe Frau Merkel nur einmal kurz kennen gelernt, sie hat einen großen spitzbübischen Charme, und man kann sich mit ihr über 100 Dinge unterhalten. Aber manchmal spricht sie wie Margaret Thatcher, dann sagt sie Sätze wie beim CDU-Parteitag: „Das Feuer auf uns einstellen und die Attacke auf die anderen eröffnen“. Das ist ein verräterischer Lapsus gewesen, und das hat sie in meinen Augen etwas zurückgesetzt.

Was bleibt von Rot-Grün? Was hinterlassen Schröder und Fischer?

Aus der Umwelt- und Frauenbewegung hat sich doch etwas ergeben, ein Überdenken der Ökologie, ein Überdenken der Ressourcen. Und dass wir nicht in den Irak-Krieg gezogen sind, ist Schröders größtes Verdienst. Deutschland ist in dieser Entscheidung ein eigenständiges Land gewesen, das hat mir imponiert.Das Gespräch führte

Thomas Gehringer

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