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Medien: Der Präsident bestimmt

In Weißrussland ist Pressefreiheit ein Fremdwort

Elena Urbanovich arbeitet für die weißrussische Journalistenvereinigung. Sie hat viel zu tun, denn die Pressefreiheit gilt nicht viel in dem vergessenen Land. Gerade wurden die größte unabhängige Zeitung „Beloruskaja Delowaya Gaseta“ (Weißrussische Wirtschaftszeitung, 70 000 Exemplare Wochenauflage) und deren Beilage eingestellt. Wegen dreier Verwarnungen. So absurd das klingt, aber das weißrussische Mediengesetz und sein Artikel 5 besagen, dass Medien nach mehr als einer Verwarnung per Ukas eingestellt werden können. Die Vorwürfe: Beleidigung des Präsidenten, Prozess-Berichterstattung ohne offizielle Erlaubnis und Irreführung der Bevölkerung durch eine Umfrage, wie Leser die staatlichen Autoritäten sehen.

Doch die Redaktion der „Beloruskaja“ (BDG) wehrt sich und ist vor Gericht gezogen. Heute wird der Fall verhandelt. Und das in einer Zeit, in der das Regime von Präsident Alexander Lukaschenko immer absurdere Züge annimmt – so darf nur der 1994 an die Macht gekommene Lukaschenko den Titel „Präsident“ führen. Die eingestellte BDG provoziert das System nun erst recht. Vier andere Zeitungen, darunter die Blätter „Navinki“ (Kleine Nachricht, eine satirische Wochenzeitung) und „Ekho“ (Echo, eine Wochenzeitung), wollten Artikel der BDG-Redakteure veröffentlichen. So sollte die BDG durch die Solidarität der Kollegen in anderen Zeitungen zunächst fortbestehen. Dann traf auch diese beiden Blätter die Zensur. Das eine wurde nicht ausgeliefert, das andere erst gar nicht gedruckt. Die BDG-Chefredakteurin Svetlana Kalinkina traut sich trotz der brenzligen Lage zu sagen, dass die Reaktionen des Staates immer „morbider" werden.

Was dringend fehlt, ist ein massiver Protest der europäischen Politik über die massiven Einschränkungen der Pressefreiheit in Weissrußland. Dabei wäre der dringend nötig. Elena Urbanovich hat merkwürdige Dinge in ihrem Land zu erzählen. Beispielsweise, dass der Kulturminister in einer öffentlichen Bibliothek neben den staatlichen Blättern private Zeitungen entdeckte und anordnete, dass öffentliche Einrichtungen keine oppositionellen Medien abonnieren dürfen. Die Zensur ist einfallsreich: Staatliche Betriebe dürfen nicht in privaten Zeitungen werben, das Papier für die Betriebe ist teurer, die Steuern höher.

Und die Zensur greift immer mehr. „Mein Mann meint manchmal, ich hätte eine Schere im Kopf, wenn ich manche Sachen schreibe oder nicht schreibe", sagt Urbanovich. Die Arbeit der Journalisten ist ein ständiger, gefährlicher Spagat zwischen kritischem Journalismus und Staatsräson. So wurden unter anderem Mikolai Markevich, Pavel Mazheiko und Viktar Ivaskevich zu Arbeitslager verurteilt. Ihr Verbrechen: Beleidigung des Präsidenten. Sie hatten über Korruptionsvorwürfe berichtet.

Auf die Frage, über was Medien berichten, erklärt Urbanovich, dass es vor allem um regionale und kommunale Informationen ginge, meist schöngefärbt. Dann ein wenig Politik zum Ende und Unterhaltung.

Kritische Sichtweisen seien rar. Aber sie mag es auch nicht, wenn ihr Land nur negativ dargestellt wird. „Es muss auch Positives über unser Land berichtet werden können, sonst wirkt alles nur depressiv", sagt sie. Doch was positiv ist und was nicht, entscheidet die Zensur.

Hardy Prothmann

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