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Medien: Der Rechercheur als Fahndungsinstrument

Pressefreiheit in Gefahr: Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über die Überwachung von Journalistenhandys

Die Telefone von Journalisten sind nicht tabu, wenn sie Kontakte zu gesuchten Straftätern haben. Das erlebten das ZDF und eine „Stern“-Journalistin, die im Falle des Frankfurter Finanzbetrügers Jürgen Schneider beziehungsweise des untergetauchten RAF- Terroristen Hans-Joachim Klein recherchierten. Über die Erfassung ihrer Telefondaten verhandelte am Mittwoch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Die betroffene „Stern“-Journalistin hatte 1998 Kontakt zu dem seit Jahren in Frankreich untergetauchten früheren RAF-Mitglied Klein, der wegen dreifachen Mordes bei dem Opec-Anschlag von 1975 mit Haftbefehl gesucht wurde. Die Staatsanwaltschaft erfuhr davon und verlangte von der Telefongesellschaft Auskunft über die Handy- und Telefonverbindungsdaten der Journalistin. Sowohl das Amtsgericht Frankfurt als auch das dortige Landgericht ordneten an, die Auskunft zu erteilen. Das führte nicht zuletzt zu Kleins Verhaftung. In einem anderen Fall hatten zwei ZDF-Journalisten für das Magazin „Frontal“ nach Jürgen Schneider gesucht, der später in den USA verhaftet wurde. Auch hier wurden Handy- und Telefondaten des ZDF und der beiden Journalisten ohne deren Wissen überwacht. Nach Ansicht des Senders und der betroffenen Redakteure verletzten die Maßnahmen die Pressefreiheit. Der Erste Senat verhandelte die Fälle am Mittwoch im Rahmen der Tage der offenen Tür am Bundesverfassungsgericht. Das Urteil wird voraussichtlich in drei Monaten gesprochen.

Der Anwalt der Journalisten, Gernot Lehr, sieht die Pressefreiheit verletzt, wenn ein Journalist ohne sein Wissen „zum Fahndungsinstrument“ verwendet werde.

Allerdings verlangte Lehr keinen absoluten Schutz von Journalisten. Jedoch müsse eine strenge Güterabwägung vorgenommen werden und nur in krassen Ausnahmefällen dürfe angeordnet werden, Telefone zu überwachen. Das sei etwa dann der Fall, wenn ein Journalist von Al-Quaida-Kämpfern angerufen und über bevorstehende Anschläge informiert werde. So eine Ausnahmesituation habe aber weder bei Klein noch bei Schneider vorgelegen. Klein habe seit vielen Jahren straffrei in Frankreich gelebt, und zwischen seinem Verteidiger und staatlichen Stellen sei bereits über ein Aussteigerprogramm verhandelt worden.

Auch von Jürgen Schneider sei keine allgemeine Bedrohung ausgegangen. Die Gerichte hätten also nicht zwischen den Interessen der Strafverfolgung und der Pressefreiheit abgewogen.

Unterstützt wurden die Journalisten vom hessischen Datenschutzbeauftragten Friedrich von Zezschwitz, der über die Einzelfälle hinaus die ausufernde Telefonüberwachung in Deutschland rügte: Inzwischen seien jährlich 10 000 Bürgerinnen und Bürger von Telefonüberwachungen betroffen.

Die Vertreter der Bundesregierung verteidigten dagegen die Überwachung der Journalisten. Ihrer Auffassung nach seien Telefondaten eine unverzichtbare Quelle der Ermittlungsbehörden. In den konkreten Fällen sei es um die Aufklärung schwerster Straftaten gegangen. Daher sei die Überwachung der Telefonverbindungen gerechtfertigt gewesen.

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