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Medien: Der Seelendoktor

Als Dr. Bloch knüpft Dieter Pfaff an die britische Kultfigur„Fitz“ an

Bloch zieht sich das Kissen über den Kopf. Er ist krank. Will nicht mehr. Weiß nicht mehr, wozu er auf der Welt ist. Sein großes, fleischiges Gesicht wirkt so jämmerlich wie entschieden, der Bauch wölbt sich wie der eines gestrandeten Wales unter der Decke. „Ich brauch’ meinen Speck, sonst ist mir kalt. In der Seele kalt“, brummelt es aus den Tiefen des Bettes. Der Seelendoktor hat das Wühlen in den Seelen satt und erleidet einen akuten Schub von Depression. Und dann taucht dieser Mann bei ihm auf, bleich, elend, erbarmungswürdig röchelnd, trotz Nasenschlauch mit Sauerstoffflasche (Michael Mendl). Klettenberg leidet unter Lungenkrebs und Selbstmordattacken. Die beiden physisch so verschiedenen Männer starren einander feindselig an, knurren wie bösartige Hunde und erkennen, dass sie einander gewachsen sind.

Ein Psychotherapeut als neue Serienfigur? Ein ungewöhnliches und riskantes Unterfangen haben WDR und SWR da in Angriff genommen. Kein Krimi, keine Arztserie und doch von beidem ein bisschen. Vielleicht entsteht hier gar ein neues Genre? Ist nicht die (gefährdete) Psyche von Menschen der denkbar aufregendste, packendste Stoff? Für den unvergleichlichen Dieter Pfaff jedenfalls ist Dr. Maximilian Bloch im wahrsten Sinne eine Traumrolle, die ganz auf seinen mächtigen Leib, seine Sensibilität, seinen Facettenreichtum, seine Ausstrahlung bärbeißiger Seelenfülle zugeschnitten wurde vom Autorenpaar Peter Märthesheimer (Adorno-Schüler) und Pea Fröhlich (Psychologie-Professorin).

Die Drehbücher der ersten beiden Folgen (ARD, heute und am 18. September, jeweils um 20 Uhr 15) sprudeln über von intelligenten, lakonischen Dialogen mit hinreichend Schweigen dazwischen, von prall mit Atmosphäre (und sporadischem Witz) gefüllten Szenen, vor allem aber mit einem unzeitgemäßen Maß an Geduld, in Gesichter zu schauen, Emotionen zu entwickeln und sich austoben zu lassen. Dass die Filme über erheblich weniger Szenenwechsel verfügen als üblich, merkt der Zuschauer kaum, weil die Spannung sich so unerträglich aufbaut, dass kein Entrinnen möglich ist. Dabei achten die Drehbuchschreiber nicht einmal auf realistische Wahrscheinlichkeit. Welcher Psychotherapeut würde für einen Patienten alles stehen und liegen lassen? Würde auf Recherchetour gehen wie sonst nur ein Kommissar oder Detektiv? Egal, diese Konstruktionen funktionieren ebenso perfekt wie Blochs keineswegs trivial bewegtes Privatleben zwischen Ärztin-Ehefrau (Eva Kryll) und aufmüpfig liebenswürdiger Tochter (Katharina Wackernagel).

Eine Figur ist geboren, die ohne Zweifel ihre Inspiration bezogen hat vom britischen Polizeipsychologen „Fitz“, sich aber konsequent aus dem Verbrechensmilieu befreit und dadurch von jener Entlastungsfunktion, die Krimis nun einmal haben. Es geht nicht um Schuld und Sühne, sondern um menschliches Leid pur. Und das ist wahrhaft Thema genug. Mechthild Zschau

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