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Medien: Der Wahlkrampf

Die Werber der Parteien stehen vor allerlei Problemen: Es fehlt an Zeit, es fehlt an Geld, und zugkräftige Kandidaten sind auch selten

Die ganze Veranstaltung nennt sich ja Wahlkampf. Da erstaunt es dann schon, wenn sich eine Internet-Initiative zur Bundestagswahl „Wir kämpfen“ (www.Wirkaempfen.de) nennt – was denn sonst, ist man versucht zu fragen. Noch mehr staunt man allerdings, wenn die wackeren Kämpen der Initiative vom Unterstützten über den grünen Klee gelobt werden: Die Initiative sei „das Beste, was er in der letzten Zeit gesehen habe“, war in der vergangenen Woche vom noch amtierenden Kanzler zu hören.

Ein Blick auf die Website lässt vermuten, dass Gerhard Schröder in der Hektik der vergangenen Wochen wenig Zeit gefunden hat, sich mit dem Thema Wahlkampf-Kommunikation auseinander zu setzen. Der schlicht gestrickte Internetauftritt oszilliert zwischen adenauerhaften Alarmrufen („Die Lage ist ernst.“), Küchenphilosophie („Bei Wirkaempfen.de entsteht der Weg beim Gehen.“) und autosuggestiven Klimmzügen: „Wirkaempfen.de will beweisen, dass die Idee der sozialen Demokratie in Deutschland springlebendig ist.“

Sollte diese Site tatsächlich das Beste sein, was die SPD im Wahlkampf aufzubieten hat, muss man sich um die Chancen der Partei noch mehr Sorgen machen, als es der Blick auf die Meinungsumfragen sowieso schon befürchten lässt.

Die Wahlkämpfe der Jahre 1998 und 2002 waren von Wahlkampf-Profis noch hoch gelobt worden: Neue Organisationsstrukturen (die legendäre Kampa der SPD), leibhaftige Spin Doctors (Michael Spreng für Edmund Stoiber) und originelle Ideen (na gut: das Guidomobil) hatten die letzten beiden Wahlschlachten wenn vielleicht auch nicht gehaltvoller, so doch immerhin unterhaltsamer gemacht.

Aus Sicht des Politik-Marketings dürfte es in diesem Jahr dagegen einen Wahlkampf des Mangels geben. Die Parteien haben so wenig Vorbereitungszeit wie nie zuvor für eine Bundestagswahl; vom wahrscheinlichen Tag der Vertrauensfrage am 1. Juli bis zum angepeilten Wahltermin am 18. September sind es gerade mal zehn Wochen. Programme und Wahlplattformen sind in allen Parteizentralen in Arbeit, besonders die Wahlwerber von Union und SPD haben aber programmatisch noch keinen festen Boden unter den Füßen.

Außerdem müssen alle Parteien mit weniger Geld auskommen; die Wahlkampf-Budgets wurden gegenüber der Wahl 2002 überall gekürzt. Schließlich haben alle Parteien mit ganz spezifischen Mangelsituationen zu kämpfen: Sozialdemokraten und CDU/CSU haben die erwähnten Defizite bei den Programmen; FDP und Grünen fehlt es an schlagkräftigen Kandidaten, um sich in der öffentlichen Wahrnehmung zwischen den Großen behaupten zu können; PDS und WASG schließlich sind sich immer noch nicht richtig einig, wie das gemeinsame Bündnis denn nun heißen soll.

Bei CDU und CSU rangeln die verschiedenen Gruppierungen heftig ums Programm; ob es um die Mehrwertsteuer geht, ums Arbeitsrecht oder um die Gesundheitspolitik – entschieden ist noch gar nichts; Klarheit wird es frühestens bei der gemeinsamen Vorstandssitzung mit der Verabschiedung des Wahlprogramms am 11. Juli geben. Für die Kommunikationsstrategie muss dieser Mangel allerdings kein Nachteil sein; Jürgen Rüttgers hat in Nordrhein-Westfalen bewiesen, dass man auch ohne ein allzu präzises Programm Wahlen gewinnen kann.

Der Mangel bei der SPD ist da schon gravierender. Die Sozialdemokraten haben – so sehen es laut Allensbach jedenfalls 75 Prozent der Wähler – keine Chance auf den Wahlsieg. Wie kann eine Wahlkampfstrategie aussehen, wenn weder die Parteimitglieder noch die Sympathisanten an den Sieg glauben? Die Antwort des Parteivorsitzenden Franz Müntefering – „Wir führen einen Richtungswahlkampf!“ – mutet jedenfalls nicht besonders originell an. Das Dilemma der SPD-Wahlwerber ist damit vorgezeichnet: Ist die Agenda 2010 nun richtig oder eigentlich doch nicht?

Das entscheidende Defizit der FDP hatte Edmund Stoiber schon vor geraumer Zeit beschrieben; an der Führungsriege der Partei klebt seither das Etikett „Leichtmatrosen“. Bei einem Richtungswahlkampf mit der Polarisierung zwischen Union und SPD werden es die Wahlkämpfer der Freien Demokraten schwer haben, Wahlmatadore wie Westerwelle, Niebel und Brüderle die nötige Image-Politur zu verpassen.

Immerhin sind die Liberalen die Ersten, die sich mit griffigen Parolen zur Wahl aus der Deckung trauen: „Deutschland wechselt“, heißt es hoffnungsfroh, „wechseln Sie mit.“ Ein anderes Plakatmotiv verspricht: „Sie können Deutschland erneuern.“

Vor einem ähnlichen Problem wie die Strategen der FDP stehen die Wahlwerber der Grünen: War Joschka Fischer 2002 noch Zugpferd der Kampagne, so wird er heute in einem neunköpfigen „Spitzenteam“ irgendwo zwischen Steffi Lemke und Volker Beck einsortiert, verbrämt mit der schönen Formulierung: „Innerhalb des Führungsteams tritt Joschka Fischer als Spitzenkandidat für ‚Bündnis 90 / Die Grünen’ an.“

Auch die Grünen zeigen werbemäßig frühzeitig Flagge. An der Berliner Parteizentrale prangt ein Riesenposter mit einer Warnung an Angela Merkel & Co.: „Freut euch nicht zu früh!“

Werbetechnisch gesehen stehen PDS und WASG vor dem größten Problem: Niemand weiß, ob wirklich zusammengehört, was hier zusammenwachsen soll – die schrillen Töne bei den ersten Konflikten zwischen beiden Gruppierungen lassen hier einige Schwierigkeiten bei der Formulierung einer glaubwürdigen Werbestrategie erwarten. Und ein Produkt, das in verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Namen trägt, dürfte nicht ganz einfach zu verkaufen sein.

Immerhin dürften die Namen Gregor Gysi und Oskar Lafontaine ein Problem nicht aufkommen lassen: mangelnde Talkshow-Präsenz.

Michael Geffken wird auf den Medienseiten dieser Zeitung den medialen Wahlkampf bis zum 18. September begleiten. Start seiner immer am Montag erscheinenden Kolumne ist am 27. Juni. Titel: „Die Qual der Wahl“.

Michael Geffken

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