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Medien: Deutschtümelei

Johannes B. Kerner: 30 Jahre nach dem WM-Sieg 1974.

Johannes B. Kerner: 30 Jahre nach dem WM-Sieg 1974. ZDF. Es mag an Helmut Kohl liegen. Kohl ist wie ein Eukalyptus globulus. Wo der Eukalyptus ist, gedeiht nichts anderes drumherum. Dieser Baum erdrückt alles. Talkmaster Kerner versuchte sich als Gärtner. Er pflanzte neben Kohl noch Günter Netzer, Jürgen Sparwasser, Rudi Michel und (aus Japan zugeschaltet) Pierre Littbarski. Er fragte: Wie läuft wohl die EM in Portugal? Der Eukohlyptus will „auf Deutschland setzen“, wegen des „Wir-Gefühls“, und die Spieler seien „mit Bundesadler und Nationalhymne angezogen“. (Wenn Kohl zu Beginn einer Sendung die Nationalhymne anzieht, ist Großes zu erwarten.) Für Netzer war die Frage: „Kehren wir erhobenen Hauptes zurück?“ Schließlich spiele man „für Deutschland“. Sparwasser, der 1974 beim deutsch-deutschen Kick das 1:0 für die DDR erzielte, will Völlers Team „stolz wie Brasilien auftreten“ sehen; Brasilianer legen beim Anziehen der Nationalhymne gern die Hand aufs Herz. Der Eukohlyptus begeistert sich an kroatischen Fußballern und deren „völliger Identifikation mit ihrem Land“. Wie ist das, lockte Kerner, so ein weißes Trikot mit dem Adler? „Ja, das war was!“, jublilierte Netzer, er hat „gerne für Deutschland gespielt“.

So deutschtümelte es bis zum Ende.

„Doktor Kohl, Doktor Kohl“, riefen die verkümmerten Pflänzchen dem Historiker beflissen zu, und der Eukohlyptus wuchs und wuchs. Er sagte „die Mannschaft lief für den Sieg, für Deutschland“. Sparwasser sagte: „Ich habe beim Finale (gegen Holland) ein Bier aufgemacht und war für Deutschland.“ Usw. usf.

Direkt vor der Talkshow hatte es einen Werbespot zur Europawahl gegeben, die Partei, zufällig: NPD. Wo ist Deutschland? fragte deren Film und zeigte als Antwort: nicht im Parlament, nicht in der Moschee, sondern als blonde Mädels auf der Wiese. – Das war falsch. Deutschland saß bei Kerner.

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