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Medien: Die durch das Feuer gehen

142 Länder zeigen „11. September“, den Film der Brüder Naudet. Eigentlich wollten sie nur eine Wache porträtieren

Von Thomas Eckert

Claus Kleber nennt sie ganz einfach „die beiden Jungs“: Die Brüder Jules und Gédéon Naudet, deren Dokumentation über die Katastrophe von Ground Zero am 11. September 2001 die ARD heute um 20 Uhr 15 ausstrahlt. Eigentlich wollten die beiden Filmemacher nichts weiter als die Arbeit einer x-beliebigen Feuerwehrstation in New York porträtieren. Aber dann steuerten die fanatischen Anhänger Osama bin Ladens zwei Flugzeuge in die beiden Türme des World Trade Centers. Und die Brüder Naudet waren live dabei.

Einen „wunderbaren Film“ nannte ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann die 105 Minten lange Dokumentation bei der Vorstellung in Hamburg. 105 lange Minuten, in deren erster Hälfte nicht viel mehr zu sehen ist als der Alltag in einer ganz normalen Feuerwache, in der Männer darauf warten, dass irgendwo ein Feuer ausbricht. Dann sieht man den ersten der beiden Jets in den „Tower One“ rasen – die einzigen Bilder dieses Ereignisses überhaupt, gefilmt von Jules Naudet. Naudet folgt den Feuerwehrmännern bei ihrem Einsatz im World Trade Center, seine Video-Kamera dokumentiert, was sich im Inneren der Türme ereignet, bis sie zusammenstürzen. Es sind sensationelle Bilder, natürlich, aber nicht die sensationellen Aufnahmen sind es, die beeindrucken. Die Bilder sind gerade deshalb nicht sensationell, weil sie alles Sensationelle vermeiden, sondern sich im Gegenteil dem Spektakulären ganz und gar unspektakulär ausliefern. Die Sensation kommt auf leisen Sohlen – es ist das später einsetzende Gefühl, entkommen zu sein. Wie Jules Naudet.

NDR-Chefredakteur Volker Herres wollte einem Missverständnis vorbeugen, indem er sagte, „11. September – Die letzten Stunden im World Trade Center“, so der deutsche Titel, sei ein Film über eine Feuerwache, aber kein Film über den 11. September. So ganz stimmt das nicht, denn natürlich läuft alles auf den zweiten Teil der Dokumentation zu. Die Spannung steigt, je mehr sich das Unvermeidbare nähert. Claus Kleber, am 11. September USA-Korrespondent der ARD, wird die einleitenden Worte sprechen.

Im US-Original führt Robert de Niro durch den Film und spricht zu seinen Landsleuten mit bedeutungsvoller Stimme von Patriotismus und Opferwillen. Feuerwehrmänner werden zu Helden. Jules und Gédéon Naudet dagegen zeigen, dass diese Männer eines auf jeden Fall nicht im Sinn hatten und wohl auch nicht sein wollten, als sie taten, was in ihren Kräften stand: Helden werden. Bevor der Film im US-Network CBS lief, hatten die Brüder Naudet ihn den Hinterbliebenen der ums Leben gekommenen Feuerwehrmänner gezeigt, um sicher zu sein, keine Gefühle verletzt zu haben. Von 15 Stunden Filmmaterial, das sie nach dem Einschlag des ersten Jets aufnahmen, verwendeten sie knappe 50 Minuten – es werden keine Toten gezeigt, keine Menschen, die sich aus Fenstern stürzen, keine brennenden Menschen. Keine der üblichen Sensationen also. Sondern rennende, um ihr Leben rennende Menschen, Menschen, die nicht wissen, wie und was ihnen geschieht. Und Staub. Immer wieder, immer mehr Staub. Sensationeller Staub.

Der größte Teil der Gelder, die durch die Ausstrahlung des Films am heutigen Mittwoch in 142 Ländern eingenommen werden, soll den über 600 Kindern umgekommener Feuerwehrleute zugute kommen. Wie viel die ARD für die Dokumentation bezahlt hat, das wollte von der Tann nicht sagen. Nur so viel: Es wäre nicht ganz preiswert gewesen. Die beiden Jungs hätten Millionen verdienen können, sagte Kleber, der auch verriet, wie die ARD auf die Brüder Naudet aufmerksam geworden war: Am Anfang stand die ganz und gar gewöhnliche Recherche nach Bildern von der Katastrophe. Von Sensation war da noch keine Rede.

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