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Medien: „Die gute alte ,Sportschau’ kommt nie wieder“

Der Fußball kehrt ins Erste zurück. Der frühere Moderator Ernst Huberty hat ein paar Tipps für die ARD-Kollegen

Herr Huberty, hat die Bundesliga auf die „Sportschau“ gewartet?

Das kann man sicher so nicht sagen. Die Bundesliga muss erst einmal selbst Qualität bieten. Auf keinen Fall darf sie so langweilig sein wie in der letzten Saison.

Trotz aller Aufregungen außerhalb der Plätze – die Liga hat Sie gelangweilt?

Bevor es um die Randerscheinungen gehen kann, muss man sich doch um den Kern der Sache kümmern, und das ist immer noch der Fußball. Ein Alleingang wie der von Bayern München ist für keine Liga gut. Aber wenn die Liga gut ist, warum sollte dann die „Sportschau“ nicht auch gut werden? Wir haben schon vor vierzig Jahren die FußballBundesliga gezeigt – das wird ja wohl auch jetzt wieder möglich sein.

Ist der Fußball gar nicht so veränderbar, wie viele glauben?

So ist es. Der Fußball lebt von der eigenen Attraktion. Aus einem mittelmäßigen Spiel lässt sich immer ein halbwegs interessanter Zusammenschnitt von sieben Minuten zaubern. Was wollen Sie da groß ändern?

„ran“ war verpflichtet, von jedem Spiel – egal ob gut oder schlecht – mindestens sechs Minuten zu zeigen. Wird die „Sportschau“ darauf verzichten können?

Die neue „Sportschau“ wird daran gemessen werden, was sie leistet und wie sie den Fußball verkauft. Wie gut, wie schnell, wie intelligent. Ich muss zugeben, dass „ran“ in den letzten Jahren deutlich an Format gewonnen hat. Die große Showtreppe hat man ja schnell wieder abgeschafft. Am meisten wurde kritisiert, dass „ran“ zu viel Werbung zeige. Aber anders lässt sich so eine Sendung nun einmal nicht finanzieren. Eins ist klar: Die gute alte „Sportschau“, wie es immer so schön heißt, wird nie mehr wieder kommen.

Gab es sie denn überhaupt? Ist das nicht ein hübsch gepflegter Mythos?

Natürlich ist viel Mythos dabei. Wir waren damals Pioniere. Zeigen durften wir pro Sendung höchstens vier Spiele, und die mussten wir auch noch vor Spielbeginn aussuchen. Da konnte es passieren, dass wir ein langweiliges Spiel dabei hatten und den Knüller eben nicht. Aber die Menschen waren dankbar, in kurzer Zeit eine kompetente Fußballshow geboten zu bekommen.

Haben Sie eine Ahnung, wie die neue „Sportschau“ genau aussehen wird?

Nein, ich habe keinen Kontakt zu niemandem von der ARD. Ich bin kein Berater wie bei „ran“, als Sat 1 die Bundesliga übernahm. Ich finde, es gibt genug kluge Köpfe bei der ARD. Die werden das schon machen.

Sie schulen Sportreporter. Was bringen Sie den jungen Kollegen bei?

Zum Beispiel, dass Schluss sein muss mit den vielen Floskeln, die wir immer wieder hören müssen. Reporter sollten individuell sein, sie sollten versuchen, sich mit Gedanken und Taten durchzusetzen. Es kann doch nicht sein, dass in sieben Spielberichten nacheinander immer wieder die gleichen Formulierungen auftauchen. Da würde ich mich als junger Reporter schämen.

Hat die ARD die Individualisten, die die „Sportschau“ braucht?

Mit Gerhard Delling und Reinhold Beckmann verfügt die ARD über zwei ausgezeichnete Moderatoren. Aber der Bedarf nach neuen Leuten ist zweifellos vorhanden. Es wäre ein großer Fehler von der ARD zu sagen, das machen wir schon, das war immer schon gut. Es muss eine junge Redaktion mit frischen Ideen aufgebaut werden, gemischt mit erfahrenen Leuten. Das gilt sicher auch für die Kommentatoren. Es wird sehr viel für die „Sportschau“ davon abhängen, wie die Sendung präsentiert wird. Da müssen die richtigen Leute am richtigen Ort sein, sonst kann es gefährlich werden.

Wird Marcel Reif kommen?

Reif ist ein ausgesprochener Live-Kommentator und auf diesem Feld zurzeit unübertroffen. Wenn die ARD ihn als Live-Reporter bekommen könnte, dann wäre das sicher ein großer Gewinn.

Ist Premiere das Nonplusultra, wenn es um die Bundesliga geht?

Die Schaltkonferenz mit sieben Spielen ist schon einmalig. Alle Tore, alle Spiele und das alles live, das ist nicht zu toppen. Mehr kann man, ohne zu langweilen, nicht machen.

Wird die „Sportschau“ Längen vermeiden können?

Die ARD wird ihre Erfahrungen machen. Zu viel an Unterhaltung ist nicht gut, zu wenig auch nicht. Die ARD wird meines Erachtens bis zum Saisonstart am 2. August Tag und Nacht an dem Konzept für die „Sportschau“ arbeiten müssen.

Gehört die „Sportschau“ eigentlich für immer und ewig zum WDR in Köln?

Die „Sportschau“ ist und bleibt ein begehrtes Objekt. Es hat auch zu meiner Zeit immer wieder Versuche anderer Anstalten gegeben, die „Sportschau“ abzuwerben. Zum Beispiel aus Hamburg oder auch aus Frankfurt. Aber ich bin mir sicher, dass die „Sportschau“ in Köln bleiben wird. Der WDR-Intendant Fritz Pleitgen, der sicher auch ein guter Sportreporter geworden wäre, ist leidenschaftlicher Fußballfan. Er hätte sich sicher nicht so sehr um die Bundesliga bemüht, wenn er sie am Ende einer anderen ARD-Anstalt schenken müsste.

Die „Sportschau“ hat nach all den Jahren immer noch einen Ruf wie Donnerhall. Sie werden ihren Titel des „Mr. Sportschau" wohl auch nicht mehr los.

Als ich neulich in Berlin war, kamen die Leute auf mich zu und wollten Autogramme. Das war unglaublich.

Haben Sie dafür eine Erklärung?

Die „Sportschau“ war Kult. Wir bestimmten den Terminplan vieler Familien, weil alle vor dem Schirm saßen und zusahen. Wenn ich ins Ruhrgebiet kam, dann haben die Leute nicht gesagt, „Guten Tag, Herr Huberty“, sondern „Guten Tag, Ernst“. Weil man zur Familie gehörte.

Sie waren per Du mit der ganzen Nation. Oder wenigstens mit der halben.

Das ganze Geheimnis des Fernsehens ist: mit Menschen sprechen zu können. Sie anzusprechen und sich zu ihnen zu setzen. Dann mögen einen die Leute, dann verzeihen sie auch Fehler und alles mögliche andere.

Eigentlich ganz einfach – wenn man es kann.

Die Zuschauer merken sofort, wenn etwas nicht echt ist. Die Zuschauer sind ja nicht dumm. Sondern im Gegenteil ungeheuer sensibel. Als ich zum ersten Mal den DFB-Pokal moderieren sollte, damals noch als freier Mitarbeiter für den Südwestfunk, habe ich mir überlegt, was ich machen könnte. Da bin ich auf die Idee gekommen, du sprichst mit den Menschen. Punkt.

Müssen Kommentatoren immer so viel reden, dass einem schwindelig wird?

Schweigen können – das ist das A und O. Die Zuschauer durch Schweigen einbinden, damit sie ihre Gedanken selbst weiter spinnen können. Sie nicht bevormunden, sie nicht unter Druck setzen. Zu etwas hinführen, was sie selbst erkennen. Raum geben.

Sind Sie jemals Fan eines bestimmten Vereins gewesen?

Ich habe nie ein inneres Verhältnis zu einem Verein aufgebaut. Weil ich immer wusste, wie schnell sich die Dinge ändern können.

Und wo bleibt der leidenschaftliche Fußballfan Ernst Huberty?

Wenn es ein Verein, von dem es keiner erwartet hat, ganz nach oben schafft, dann bin ich begeistert. Das ist, was mich am Fußball glücklich macht.

Das Gespräch führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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