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Nach eigenem Drehbuch. Lennie James (r.) und der Kampf des Antihelden.

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Sky-Serie mit Lennie james: Die kleine Kneipe

Obwohl auch die Fortsetzung der Sky-Serie „Save Me“ im Abgrund sexueller Gewalt wühlt, ist sie ein hinreißendes Plädoyer für Freundschaft und Toleranz.

Wenn es um Gewalt gegen Kinder geht, sind Farbtupfer ein probates Mittel, um den denkbar größten Zivilisationsbruch zu verdeutlichen. In „Schindlers Liste“ sticht allein der rote Mantel eines jüdischen Mädchens aus dem schwarz-weißen Holocaustdrama hervor. In „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ war es ein bunter Lichtpunkt des graubraunen Fernsehspiels von 1978. Und wenn Nelly Rowe 40 Jahre später durch dunkle Abgründe männlicher Allmachtsfantasien schlingert, kennzeichnet sein knallgelber Anorak das letzte Aufbäumen des Guten gegen das Böse.

Gleichwohl: ein aussichtsloses. Denn 17 Monate nachdem die Hauptfigur der Sky-Serie „Save Me“ in einen Fall organisierten Kindesmissbrauchs verwickelt wurde, geht er nun abermals auf die Jagd nach Tätern und Opfern.

Am Ende der ersten Staffel hatte Lenny die junge Grace (Olive Gray) aus den Fängen des Menschenhändlers Gideon Charles (Adrian Edmondson) befreit; doch da seine Tochter (Jody Indeyarna Donaldson-Holness) verschwunden blieb, macht er sich zu Beginn der zweiten mithilfe von Jennifer Charles (Leslie Manville) auf die Suche nach den Komplizen ihres Mannes – und gerät erneut unter Mordverdacht, als der tot aufgefunden wird.

Edelmut und Eigennutz als subjektive Kategorien

Nach eigenem Drehbuch wiederholt Hauptdarsteller Lennie James den Kampf des Antihelden um Befreiung anderer, von dem er sich unterbewusst Erlösung vom eigenen Scheitern erhofft. Die Liebe zur eigenen Tochter hat der Tunichtgut entdeckt, als sie 13 Jahre nach der Zeugung mit Claire (Suranne Jones) entführt wird und ihn zum Tatverdächtigen macht.

Ähnlich wie Recht und Gerechtigkeit werden Edelmut und Eigennutz also als subjektive Kategorien präsentiert. Wobei „Save Me“ auch deshalb so sehenswert ist, weil der Showrunner Nellys innere Zerrissenheit auch äußerlich spürbar macht.

Wie schon als Zombie-Killer in „The Walking Dead“ variiert Lennie James auch hier eine Mimik, mit der die Verzweiflung seines Protagonisten so wild durchs Gesicht galoppiert, bis es wortlos zu sprechen beginnt. Dank dieser Ausdruckskraft gelingt es den Regisseuren Jim Loach und Coky Giedroyc nicht nur, die Stille der Hoffnungslosigkeit 300 Minuten lang brüllen zu lassen; sie stellen ihm auch ein Team hilfloser Helden zur Seite, denen der pure Gemeinsinn Superkräfte verschafft.

Wie die prekären Nachtschattengewächse in ihrer kleinen Kneipe am Ende der Straße mit trotziger Zuversicht Nellys 50. Geburtstag feiern, wie beiläufig sie dabei eine Diversität pflegen, für die deutsche Sozialdramen gemeinhin den Holzhammer benutzen, wie sie alle am Morgen danach vom Leben dieselben Prügel beziehen und dennoch füreinander da sind – das wirft im Sonnenlicht der untergehenden Zivilisation weitaus längere Schatten als die Zwerge der Selbstsucht.

Jan Freitag

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