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Medien: „Die Leute wollen Glanz und Gloria“

Im Hochadel stehen zwei Hochzeiten an – viel zu tun für den ARD-Hofberichterstatter Rolf Seelmann-Eggebert

Herr SeelmannEggebert, Sie sind doch sicher Royalist, oder?

Wenn Sie unter einem Royalisten jemanden verstehen, der es schön fände, wenn wir aus der Bundesrepublik ein König- oder gar Kaiserreich machten, dann bin ich das ganz bestimmt nicht. Ich bin in einer ganz und gar unköniglichen Zeit aufgewachsen, und ich habe den Eindruck, dass wir mit unseren Bundespräsidenten bisher sehr viel Glück gehabt haben, so dass ich keinen Grund für eine Sehnsucht entdecken kann, zurückzukehren zu einem solchen System.

Dann sind Sie vielleicht ein republikanischer Royalist?

Ich halte diese Systeme, von denen in Europa noch zehn existieren, sieben Königs- und drei Fürstenhäuser, in den jeweiligen Ländern für sehr vernünftige Einrichtungen. Mir geht es immer wieder darum zu erklären, warum die Monarchien in diesen Ländern so überaus beliebt sind: Weil sie sich angepasst haben. In der Regel sind 90 bis 95 Prozent der Bevölkerungen für ihre Königshäuser.

Also keine Chance für die Abschaffung der Monarchie?

Wenn es tatsächlich soweit wäre, würden die Briten zum Beispiel kurz zuvor innehalten und sich fragen, wer denn in Zukunft auf den Briefmarken sein wird. Und dann würde am Ende die Monarchie doch wieder nicht abgeschafft.

Sie sind mit dem Herzen dabei, wenn es um die Royals dieser Welt geht.

Zu allem, was für mich journalistisch wesentlich war, habe ich eine gewisse Leidenschaft entwickelt, sei es England oder Afrika oder die Königshäuser. Ich habe zu diesem Thema sicher nicht den Abstand wie zu etwas, von dem ich nichts verstehe, wie zum Beispiel Kaninchenzüchter. Die Königshäuser interessieren mich und ich berichte über sie in einem Stil, den manche durchaus kritisch sehen. Das aber hängt damit zusammen, dass ich Königen wie Politikern einen Freiraum zubillige, der tabu sein sollte. Bestimmte Fragen stelle ich einfach nicht. Zum Beispiel danach, ob jemand ein Verhältnis hat oder nicht .

Aber genau das interessiert uns doch.

Nicht alles, was Sie interessiert, muss zwangsläufig auch mich interessieren.

Sie nehmen sich Freiheiten heraus.

Genau. Das tue ich .

Sie wissen aber über die Verhältnisse bescheid.

Gar nichts weiß ich. Ich bin sehr oft überrascht, wenn ich so etwas höre. Ich kenne Kollegen, die denken sich Themen aus, die nichts mit der Realität zu tun haben. Das ist nicht mein Stil. Mich fasziniert, dass so viele Menschen fasziniert sind. Aber warum das so ist, das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen .

Sind Sie nicht auch ein Star-Reporter?

Für mich sind Könige keine Stars. Weil sie das, was sie geworden sind, auf einem Weg geworden sind, auf dem die, die wir Stars nennen, nicht gegangen sind. Man wird nicht als Star geboren. Als König schon.

Sagt man nicht: A star was born ?

Der wesentliche Unterschied ist: Stars kommen und gehen, aber die Könige bleiben uns erhalten. In der Regel bis zu ihrem Tod. Ich bin zu einer Zeit groß geworden, als die Queen noch eine junge Frau war. Charles ist ungefähr in meinem Alter, und sein Leben hat mich immer begleitet, auch als ich mich noch nicht beruflich mit Monarchien beschäftigt habe. Sie gehörten irgendwie dazu. So hat jede Generation ihre Königs-Generation. Das macht die Monarchen weltweit so beliebt. Weil die Menschen sich in einer Welt, die ständig in Bewegung ist, nach Kontinuität sehnen.

Sehen Sie sich als Lordsiegel-Bewahrer dieses Kontinuums?

Ich will der Kontinuität sicher keinen Lorbeerkranz flechten. Aber ein bisschen Glanz und Gloria wollen die Leute haben.

Und Sie auch!

Ich sicher auch. Ich denke, dass ich in dieser Hinsicht einen bestimmten Teil der Bevölkerung verkörpere. Sonst hätten wir wohl auch kaum die Quoten, die wir haben.

Kommen Sie den Royals wirklich so nahe, wie wir alle glauben?

Es war schon mal besser. Die schöne Vorstellung, dass ich bei Charles anrufe und mich mit ihm für den nächsten Tag zum Tee verabrede, ist leider eine Wunschvorstellung. In den Achtziger Jahren, als ich mit dem Thema anfing, war das noch einfacher. Heute beschäftigt sich eine ganze Industrie damit. Und sehr viel beliebter sind wir sicher auch nicht dadurch geworden. Außerdem haben die Häuser nicht unbedingt ein langes Gedächtnis – man fängt immer wieder bei Adam und Eva an.

Aber Sie sitzen den Royals doch praktisch auf dem Schoß?

Die Nähe ist geringer, als Sie annehmen. Wenn ich mit einem König auf demselben Sofa sitze, dann glauben alle, ich sei nah dran. Aber das täuscht. Wenn die schwedische Königin Sylvia mich beim einem Empfang erkennt, weiß sie wahrscheinlich, wie ich heiße. Aber sie ist auch die einzige.

Wie schaffen Sie Vertrauen?

Durch meine Arbeit. Wenn die Leute wissen, wie Sie arbeiten, dann ist alles einfacher. Aber wirklich einfach wird es nie. Als Princess Ann, die damals eine schlechte Presse hatte, etwas dagegen tun wollte, bin ich zu meinem ersten Interview mit ihr gekommen. Wir haben uns stundenlang darüber unterhalten, wie viel Zeit zwischen zwei Schwangerschaften vergehen sollte. Princess Ann war damals sehr stark in Afrika engagiert. Dann ergab eins das andere.

Kommen die Monarchen uns über die Medien nicht viel zu nahe? Wo bleibt der Mythos?

Es gibt etwas, was die Häuser allesamt sehr beschäftigt: Wie verhindere ich die Entmythologisierung. Sie haben das Problem, das Gleichgewicht zu bewahren. Es gibt bei einigen sicher noch das Bewusstsein, ihre Pflicht bis zum Letzten erfüllen zu müssen. Wir werden ganz sicher nicht erleben, dass die Queen zu Gunsten ihres Sohnes Charles abdankt. Wie viel Mythos, wie viel Öffentlichkeit, das ist die große Frage. Dazu kommt das Wissen, dass es heutzutage keiner Revolution mehr bedarf, um aus dem Amt gejagt zu werden Ein Federstrich vom Parlament genügt. Auch deshalb wollen alle so erfolgreich sein.

Da bräuchte es doch Berater. Wie Sie.

Es gab da mal eine Anfrage von einem deutschen Adelshaus. Aber nach dem ersten Kontakt haben die sich nie wieder gemeldet.

Manche halten das, was Sie machen, für eine Art gehobenen Boulevard.

Ich halte Königstum für ein seriöses Berichterstattungsgebiet. Wenn Sie sagen, das kann doch nicht wahr sein, dann kann ich nur sagen, dass ich das, was ich mache, äußerst seriös zu machen versuche.

Vier Stunden live plaudern – wie halten Sie das durch?

Sie untertreiben. Beim goldenen Thronjubiläum der Queen haben wir mehr als acht Stunden am Stück übertragen. Aber ich bin ja nicht alleine. Außerdem mischt sich das Publikum direkt ein. Bei der Übertragung von der Beisetzung der Princess of Wales kamen schon nach der ersten halben Stunde Anrufe von Zuschauern, die darum baten, dass der Kommentator doch bitte etwas weniger reden möge. Ich habe das sofort gemacht .

ARD und ZDF berichten am 14. Mai vier Stunden live von der Hochzeit des dänischen Thronfolgers. Eine Woche später dann der Overkill in Spanien: ARD, ZDF, RTL, Sat 1, alle live und stundenlang dabei. Des Guten zu viel?

Wahrscheinlich wird es an diesem Tag im deutschen Fernsehen gar keine Rettung vor dem Ereignis geben. Bleibt vielleicht CNN. Aber vermutlich sind die ja auch dabei.

Hochzeiten scheinen im Trend zu liegen.

Ich habe mir schon mal überlegt, was eigent lich wäre, wenn einer einen reinen Hochzeitskanal machte. Den ganzen Tag nichts anderes als Hochzeiten live. Gute Nachrichten am laufenden Band. Wenn das kein Erfolg würde, dann wüsste ich auch nicht.

Das Gespräch führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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