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PRINT-FRAUEN: Die Medienmacht ist weiblich

Nicht nur bei Springer oder Bertelsmann: Bei den deutschen Printkonzernen stehen mehr und mehr Frauen an der Spitze

Deutschlands wichtigste Medienunternehmen wurden von Männern mit Lust an der Selbstdarstellung geprägt. Axel Springer, Rudolf Augstein, die Burdas, um nur einige zu nennen – sie waren und sind über die Maßen selbst- und machtbewusst, leidenschaftlich und, wenn es sein musste, auch rücksichtslos. Gegen andere, aber auch sich selbst gegenüber. Nur so konnten ihre Verlage zu dem werden, was sie heute sind. Von Frauen war meistens nur im Zusammenhang mit ihrem Privatleben die Rede. Und Pressefürsten hatten in der Regel ein intensives Privatleben.

Doch die Ära der Pressebarone geht ihrem Ende entgegen, mit Reinhard Mohn verstarb vor kurzem einer der Letzten seiner Art. Die Fäden, an denen die Unternehmen hängen, übernehmen ihre jüngeren Ehefrauen. Im operativen Geschäft haben sie in der Regel keine Erfahrung, ist auch gar nicht unbedingt notwendig, denn sie kennen sich in den Lebenswerken ihrer Männer bestens aus. Sie sind so stark und machtbewusst wie ihre Partner, doch spielen sie ihre Rollen ganz anders. Sie sind nicht die Verlegerinnen, sie sind die Verlegerwitwen, die die Konzerne im Geiste ihrer Männer fortführen.

Das Paradebeispiel der Verlegerwitwe ist Friede Springer, 67. Das ehemalige Kindermädchen Friede Riewerts wurde die fünfte und letzte Ehefrau von Axel Caesar Springer, dem Gründer des größten europäischen Zeitungshauses. Sie sei „vielleicht die mächtigste“ unter den deutschen Verlegern, urteilte ihre Biografin Inge Kloepfer. Friede Springer ist über die Axel Springer Gesellschaft für Publizistik die Mehrheitsaktionärin des Verlags, zudem hält sie privat rund sieben Prozent an der AG. Erst im vergangenen Jahr hatte sie Anteile zugekauft. Das müsste sie aus rein machttaktischem Kalkül gar nicht tun, doch es zeigt neben ihrem Geschäftssinn auch, wie sehr sie sich dem Unternehmen verbunden fühlt. „Die Mehrheit am Axel-Springer-Verlag steht heute und auch in Zukunft unter keinen Umständen zur Verfügung. Und wenn es je Veränderungen gäbe, würde ich eher noch ein paar Prozente dazukaufen“, sagte sie.

In den Jahren an der Seite ihres Mannes sei Friede Springer „still und unauffällig und ein bischen unbedarft“ gewesen, schreibt Kloepfer. Still und zurückhaltend ist die Verlegerin noch heute; ihre öffentlichen Auftritte sind selten und gut ausgewählt. Wortmeldungen zur Situation des Verlages oder zu einzelnen Entscheidungen des Managements wird man von ihr nicht hören oder lesen, dafür ist schließlich der Vorstand um Mathias Döpfner zuständig. Das bedeutet nicht, dass sie etwa unbeteiligt oder gar in Unkenntnis darüber wäre, was im Haus auf der Tagesordnung steht.

Es ist Friede Springer in den 24 Jahren nach Axel Springers Tod gelungen, einen Machtkampf um das Erbe ihres Mannes für sich zu entscheiden, Angriffe von Leo Kirch und der WAZ-Gruppe abzuwehren und das Haus in ruhiges Fahrwasser zu bringen. Springer blieb Springer. Für eine Frau, die von ihrer Biografin als „harmoniebedürftig“ charakterisiert wurde, eine beachtliche Leistung. „Du musst aufrecht sitzen. Als hättest du ein Lineal im Rücken“, soll Springer seiner Frau für Auftritte in der Öffentlichkeit geraten haben. Die Tochter eines Gärtners von der Insel Föhr hat sich das zu Herzen genommen.

Liz Mohn, 68, die zweite Ehefrau von Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn, verdankt ihrem Mann ähnlich viel wie Friede Springer ihrem. Und ähnlich wie Springer hat sie es verstanden, die Macht im Unternehmen auf sich zu konzentrieren, dank des Vertrauens, das ihr Mann ihr auch posthum schenkte. Bereits kurz nach dessen Beerdigung klärte Aufsichtsratschef Gunter Thielen über die neuen Machtverhältnisse bei Bertelsmann auf. Mohns Witwe Liz bleibt bis zu ihrem 75. Geburtstag Sprecherin der Familie und Vorsitzende der alles entscheidenden Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG), ausgestattet mit einem Vetorecht. Kontinuität ging Reinhard Mohn über alles. „Reinhard Mohn hat gewollt, dass seine Frau Liz seine Rolle übernimmt“, sagte Thielen der „FAZ“.

Ebenso wie einst bei Springer treten nun die Skeptiker auf den Plan, die daran zweifeln, ob die Fußstapfen ihres Mannes für Liz Mohn nicht zu groß sind. Während Friede Springer damals als „unbedarft“ galt, heißt es über Liz Mohn, sie treffe „irrationale“ Entscheidungen und sei „geltungsbedürftig“. Liz Mohn mischt sich offiziell nicht in das operative Geschäft von Bertelsmann ein, nichtsdestotrotz stehen sie und ihre Manager vor einer großen Aufgabe. Angesichts einer Schuldenlast von sieben Milliarden Euro sind Grundsatzentscheidungen gefragt, was Bertelsmann in Zukunft sein will. Doch die Manövrierfähigkeit der Gütersloher ist extrem eingeschränkt. Mit Zustimmung von Reinhard Mohn kaufte die Familie 2006 ein Aktienpaket von 25 Prozent am Unternehmen für viereinhalb Milliarden Euro zurück. Was Befürwortern als Rettung der Identität von Bertelsmann gilt, bezeichneten Kritiker als Schritt in die Handlungsunfähigkeit, denn größere Investitionen sind bei dieser Kassenlage nicht möglich.

Ehrgeiz hat Liz Mohn, die 17-jährig als Telefonistin ins Unternehmen kam und dort ihren späteren Gatten bei einer Betriebsfeier kennenlernte. In ihrem Buch „Liebe öffnet Herzen“ schrieb sie: „Ich hatte die feste Absicht, aus meinem Leben etwas zu machen.“ Reinhard Mohn trennte sich für Liz nach einer langen Phase des Geheimhaltens von seiner ersten Frau, mit der er drei Kinder hatte. Drei Kinder bekam Reinhard Mohn auch mit Liz. Ihre Tochter Brigitte und ihr Sohn Christoph haben die größten Chancen, ihrer Mutter einmal an der Bertelsmann-Spitze nachzufolgen. Wie Machtpolitik in einem Konzern funktioniert, können sie heute schon von ihr lernen. Thomas Schuler beschreibt in seinem Buch „Die Mohns“, wie diese „mit Liz und Tücke“ nacheinander drei Spitzenmanager aus dem Weg räumte.

Aus dem Schatten ihres Mannes trat Liz Mohn 1993 mit der Gründung der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Zunehmend brachte sie sich in der Bertelsmann-Stiftung ein. Während Reinhard Mohn die Familie wichtig war, wollte er ihren Einfluss im Unternehmen gleichzeitig beschränken. Nur weil man einer Unternehmerfamilie angehöre, glaubte Mohn, sei man nicht automatisch ein Unternehmer. „So viele gute Leute gibt es in keiner Familie“, sagte er. Doch der Wind drehte sich. Auch angestellte Manager, denen Mohn gewöhnlich viel Freiheiten und unternehmerischen Spielraum gab, konnten seine hohen Ansprüche nicht erfüllen. Die BVG wandelte sich von einem Gremium, in dem die Familie auch saß, zu einem von ihr dominierten Machtzentrum.

Das historische Vorbild der Verleger-Gattin ist Aenne Burda. Die wurde zwar noch zu Lebzeiten ihres Mannes Franz zu einer starken Medienfrau, aber in ihrem Weg zeigen sich starke Parallelen zu Springer und Mohn. Alle kamen aus eher kleinen, bescheidenen Verhältnissen, Aenne Burdas Vater war Lokomotivheizer in Südbaden. Alle waren zunächst von ihren dominanten Gatten abhängig, arbeiteten sich dann aber in die Verlagswelt ein, schufen sich ihre eigenen Einflussräume und so das Rüstzeug, um in der Männerwelt bestehen zu können. Aenne Burda wurde mit der Zeitschrift „Burda Moden“ weltberühmt – und trat sogar in den Wettstreit mit ihrem Mann Franz, wer von beiden der bessere Verleger war. Dem Burda-Biografen Peter Köpf zufolge sagte Aenne Burda, die 2005 verstarb, einmal: „Ich verachte Frauen, die durch die Emanzipation und durch die Quotenregelung in eine Stellung kommen, die sie aus eigener Kraft nie erreicht hätten.“ Vielleicht wird auch der gesamte Verlag Burda einmal von einer Frau geleitet. Hubert Burda, 69, ist mit der erfolgreichen Schauspielerin Maria Furtwängler, 43, verheiratet, mit der er zwei noch minderjährige Kinder hat. Bei Veranstaltungen und Kongressen des Verlags ist sie zunehmend aktiv eingebunden und scheint dies mit Freude zu tun.

Noch konkreter hat bereits Heinz Bauer, 70, der den Zeitschriftenriesen Bauer Media Group als persönlich haftender Gesellschafter führt, seine Nachfolge geregelt. Die tritt, wie er bereits vor Jahren auf einer Pressekonferenz ankündigte, eine Frau an. Bauers Frau Gudrun galt schon immer als dessen beste Beraterin, zudem sind die vier Töchter des Hamburger Unternehmers allesamt im Familienbetrieb eingebunden. Yvonne Bauer, 32, saß bereits in dieser Woche bei der Jahrespressekonferenz als Mitglied der Geschäftsleitung neben ihrem Vater.

Starke Frauen im Verlagswesen hat es immer gegeben, man denke nur an Angelika Jahr oder Marion Gräfin Dönhoff. Dass jedoch in zwei oder in absehbarer Zeit gar in drei oder vier der wichtigsten deutschen Großverlage Frauen an der Spitze stehen, ist mehr als bemerkenswert. Ob sich darum die noch überschaubare Zahl der Verlagsmanagerinnen in leitenden Positionen erhöhen wird, ist trotzdem fraglich. Denn das Tagesgeschäft bleibt, Ausnahmen bestätigen die Regel, in der Hand der Männer-Cliquen.

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