zum Hauptinhalt

Medien: Die Raufasertapete in uns

Schlechte Laune, keine Lust auf nix: Warum „Bernd das Brot“ so erfolgreich ist

Wie ein Huhn, das Werbung für Eier macht? Nein, das trifft es nicht so ganz. Wie ein Schwein, das für Schinken wirbt? Passt wieder nicht. Vielleicht gibt es einfach keinen treffenden Vergleich, wenn die Puppe „Bernd das Brot“ Werbung macht – für eine Brotmischung. Denn Bernd ist nicht nur selber ein Brot, er ist auch noch ein sehr schlecht gelauntes, sehr kantiges Brot mit viel zu kurzen Armen und Tränensäcken. „Bernd hat viele Kinder als Fans. Die sollen durch Bernd ihre Eltern ein wenig dazu drängeln, das Brot zu kaufen", erklärt ein Sprecher der werbenden Bäckerei-Kette. Und das Kalkül ist aufgegangen: Über eine Million Laibe des Bernd-Brotes sollen sich seit dem Anfang der Werbekampagne im letzten Monat verkauft haben.

Konnte das wirklich schief gehen? „Bernd das Brot“ hat sich in den letzten drei Jahren zu einem Medienstar entwickelt. Erst spielte er sich in „Chili TV“ (Samstag vormittags) und „Tolle Sachen" (morgens an Wochentagen) in die Herzen der kleinen Kinderkanal-Gucker. Dann gewann er die Sympathien der nächtlichen Zapper, die sich an Bernds ungelenken Tanz- und Singeinlagen in der Nachtschleife zur Kika-Sendepause nicht satt sehen konnten und an seinen speziellen Kommentaren nicht satt hören wollten. In der Begründung zum Adolf Grimme Preis für „Bernd das Brot“ heißt es: „Bernd widersetzt sich stellvertretend für uns dem Gute-Laune-Terror, der unaufhörlich aus dem Fernseher dröhnt und quillt.“ Bernds Kommentar zum Preis: „Oberdoppelriesenmist.“

Wenn alles nach Bernds Vorstellungen läuft, sitzt er allein zu Haus und starrt nach einem großen Teller Mehlsuppe die Raufasertapete an. Leider läuft es so gut wie nie nach Bernds Vorstellungen. So viel er auch jammert und klagt – irgendwie schaffen es seine Freunde Chili und Briegel immer wieder, ihn in die abenteuerlichsten Dinge zu verwickeln. Für jemanden, der eigentlich keine Lust auf nichts hat, ist Bernd deshalb trotzdem sehr aktiv. Neben der Werbekampagne hat er jetzt ein nach ihm benanntes Buch geschrieben und zwei DVDs herausgebracht, „Berndi Broter und der Kasten der Katastrophen“ und „Rockt das Brot“. Das Buch ist eine Art Tagebuch inklusive Mehlsuppenrezept, einer Rekonstruktion von Bernds Lieblingsraufasertapete und ziemlich guten Witzen über die Stadt Bielefeld. Bei der DVD „Berndi Broter“ handelt es sich um eine etwas lahme Harry-Potter-Parodie, „Rockt das Brot“ dagegen ist eine gelungene Satire auf Fernseh-Castingshows, die eine temporeiche Geschichte mit mitreißender Musik und klug verpackter Moral verbindet. Buch und DVDs, Kassetten und CDs, Mousepads und Brotdosen, Schlüsselanhänger und Puppen – Bernd vorm Ausverkauf? Die meisten Fans stört die Merchandising-Flut nicht. „Schwierigkeiten haben die ,echten’ Fans einzig mit den ständig auftauchenden Fälschungen und Raubkopien", sagt Jürgen Kiefer, Betreiber der Fan-Homepage www.bernddasbrot.com.

Warum kommt Bernd bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen gut an? „Für Kinder ist Bernd eine neue Art von Rollenmodell", weiß Bernd-Erfinder Tommy Krappweis aus Gesprächen mit Eltern. „Ihre Kinder sagen zu ihnen: Heute bin ich mal wie Bernd. Die Eltern wissen dann, dass ihre Kinder heute keine große Lust zum Spielen oder Toben haben. Und die Kinder können sich einen Tag lang ohne schlechtes Gewissen hängen lassen“ – denn schließlich lebt Bernd ihnen vor, dass auch schlechte Laune zum Leben dazu gehört. Und warum der Erfolg bei Erwachsenen? „Eigentlich müssen wir doch alle wie Bernd dauernd Dinge tun, die uns nerven“, sagt Krappweis. „Zwar machen wir sie – aber eigentlich hoffen wir immer, trotz allem da raus zu kommen." Gerade weil Bernd so viele und so unterschiedliche Fans hat, taucht er auf den verschiedensten Produkten auf.

Täuscht der Eindruck, oder ist Bernd die neue Diddl-Maus? „Bernd wird nicht zur reinen Deko verkommen", widerspricht Erfinder Krappweis. Denn im Gegensatz zur Diddl-Maus habe Bernd Charakter. Eigentlich will Krappweis aber auch nichts auf den Postkartenstar Diddl-Maus kommen lassen: „Die hat in den neunziger Jahren sämtliche Papeterien vor dem Konkurs gerettet!" So gesehen rettet Bernd jetzt ein paar Stofftierproduzenten, Brotdosenhersteller, T-Shirtbedrucker und eine Bäckerei-Kette.

„Bravo Bernd“: Kika, 20 Uhr 55

Hannah Pilarczyk

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false