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Medien: Dieter Gorny im Interview: Generation Pokémon

Dieter Gorny, 46, zählt unter den Vorstandsvorsitzenden der Fernsehwelt Deutschlands zu den auffälligen Persönlichkeiten. Seit Mai diesen Jahres ist er Chef der Viva Media AG, die im Juli an die Börse ging.

Dieter Gorny, 46, zählt unter den Vorstandsvorsitzenden der Fernsehwelt Deutschlands zu den auffälligen Persönlichkeiten. Seit Mai diesen Jahres ist er Chef der Viva Media AG, die im Juli an die Börse ging. 1989 gründete der studierte Musik-Pädagoge die Musikmesse Popkom, heute die weltgrößte ihrer Art. 1993 übernahm Gorny die Leitung des Musiksenders Viva. Ableger gibt es mittlerweile in Polen, der Schweiz und ab 2001 auch in Italien. Vivas ewiger Konkurrent, ob im Fernsehen oder im Internet, heißt MTV.

Herr Gorny, Viva liegt mit MTV im Dauerclinch. Wer hat zurzeit die Nase vorn?

Ich glaube, wir haben im Augenblick dank unseres neuen Internetauftritts und der Aufschaltung auf den Astra-Satelliten einen Vorsprung. Dass Viacom, der drittgrößte Medienkonzern der Welt, zu dem MTV ja gehört, uns so stark beobachtet, haben wir immer als ein Kompliment betrachtet. Konkurrenz belebt das Geschäft. Auch von unten nach oben.

Was ist denn so furchtbar neu an Ihren neuen Internet-Aktivitäten?

Wir haben eine digitale Viva-Plattform ins Internet gestellt. Die Aufgabe war, den Bildschirm eigenständig zu definieren. Man kann jetzt Viva im Internet sehen und gleichzeitig auf andere Kanäle zugreifen. Wir nehmen das Internet als interaktives digitales Medium ernst. Das Fernsehen steht doch längst nicht mehr an der Spitze der Medienpyramide. Andererseits glaube ich nicht, dass wir irgendwann in einer voll digitaliserten Gesellschaft leben werden. Aber es gibt eine Generation von Usern, die analoge und digitale Medien ganz selbstverständlich nebeneinander benutzt: die Pokémon-Generation. Die interessiert sich nicht mehr für die Kategorien analog/digital, sondern nur für besser/schlechter.

Wo haben Sie die Idee her? Geklaut?

Auf der letzten IFA wurde mir eine neue Spielekonsole vorgestellt, mit der man direkt ins Internet gehen kann. In wenigen Jahren werden in Deutschland solche Geräte millionenfach vertreten sein. Wenn dann die Jugendlichen fun-getrieben ins Internet gehen, dann hat Vatis Heimcomputer endgültig ausgedient. Es geht um ein neues Universum. Das Fernsehen in Verbindung mit dem Internet wird zum Superfernsehen.

Noch sind wir nicht soweit. Sie könnten ja total daneben liegen.

Tue ich aber nicht, da bin ich mir sicher.Viva muss doch gar nicht zum Überall-Medium werden. Für uns wird es in Zukunft keine Rolle mehr spielen, ob wir im Internet oder übers Fernsehen gesehen werden.

Sie fürchten doch nur, dass Ihnen die Kids weg laufen. Deshalb dieser ganze Aufwand.

Wir fürchten uns nicht. Wir folgen der simplen Erkenntnis, dass sich das Fernsehverhalten der Generation, von der wir hier reden, weg bewegt von unserem volkshochschulgeprägten Fernsehverständnis.

Sie laufen den Kids also hinterher.

Ich bin nur schon da, wenn sie kommen.

Und dafür wollen Sie die Mittelwelle im Radio wiederbeleben?

Wir werden das erste terrestrisch gestützte Internet-Radio machen. Wenn UMTS so weit sein wird, wird man unser Radio digital über Handy hören können, aber auch analog über Radios. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass bekannte Burger-Brater Mittelwellenempfänger in die Pommes-Tüten stecken, mit denen man natürlich nur Viva-Radio empfangen kann.

Sie sind ja ein richtiger Medien-Romantiker.

Ich beschreibe hier romatisierend eine definitive Marktlücke. Ich glaube, dass man die Mittelwelle mit den richtigen Inhalten besetzen und daraus ein Geschäft machen kann. Sehen Sie sich doch die Jugendlichen mit ihren Gameboys an. Eine ganze Industrie lebt davon, CDs zu produzieren, die auch auf nicht so hochwertigen Anlagen geil klingen. Es ist doch schon alles da. Wir müssen nur zugreifen.

Sie kooperieren mit dem WDR, mit Radio NRW, mit dem ZDF: Wollen Sie aus Viva ein Mega-Unternehmen machen?

Warum eigentlich nicht? Spaß beiseite, ein bisschen expandieren wird noch erlaubt sein. Wir kennen unsere Zielgruppe sehr genau. Wenn andere davon profitieren wollen, bitte, wir haben nichts dagegen. Wir leisten uns sogar mit Viva 2 einen Sender, der keinen Profit abwirft. Also: wir tun etwas.

Aber Sie wollen uns doch nicht erzählen, dass Sie alles aus Liebe machen und nur aus dem Bauch heraus entscheiden. Was treibt Ihre Research-Abteilung den lieben langen Tag?

Die betreibt natürlich Research. Wobei klar sein sollte, dass man Vision und Instinkt im unternehmerischen Sinne nicht herbeiresearchen kann.

Eine Frage an den studierten Pädagogen Dieter Gorny: sind es nicht längst die Medien, die die Menschen erziehen, und nicht umgekehrt?

Das glaube ich nicht. Wir bei Viva allein können zum Beispiel keine Hits machen. Der Konsument bestimmt immer noch, was erfolgreich wird.

Wenn man die Menschen schon nicht dahin kriegt, wohin man sie gerne hätte, wie kriegt man sie trotzdem?

Man muss spüren, wo sich etwas entwickelt. Das beinhaltet immer auch das Risiko, sich in Minderheiten zu verlieren. Aber es ist die einzige Chance für uns, auf Dauer Erfolg zu haben und zu überleben. 60 Prozent unserer Zuschauer sind bereits über 18 Jahre alt. Wenn Viva es schaffte, die Fanta einer Gesellschaftskultur zu werden - Image: sonnig und für die ganze fröhliche Clique -, dann wäre das ein großer Erfolg. Viva als das Medium, in das man hineinwächst und bei dem auch bleibt, wenn man älter wird.

Vor 20 Jahren Che Guevara, heute Fanta. Schöne neue Jugend.

Fanta gab es auch schon Ende der siebziger Jahre. Die jungen Leute von heute sind nicht so unpolitisch, wie viele immer meinen. Die Politik ist nur so unglaublich unjugendlich.

Ist Viva so unpolitisch, wie wir glauben?

Bitte? Der Sender ist doch überall dabei und versucht Stellung zu beziehen. Es gibt wohl kaum ein Jugendmedium, das bereiter ist als Viva, sich mit gesellschaftspolitischen Themen einzulassen. Ob es Benefiz-Veranstaltungen sind, ob es Gespräche mit Unicef oder der Unesco sind: das sind doch wirklich alles keine Dinge, mit denen man die Quote zum Explodieren bringt.

Tue Gutes und mache gute Geschäfte damit.

Die Profitabilität gibt mir die Möglichkeit, Dinge zu tun, die andere aus Gründen der Profitabilität nicht tun. Es ist doch so: Mache ich etwas, sieht man es kritisch. Mache ich nichts, ebenfalls. Da mache ich lieber was.

Gehört das gute Gewissen heute nicht zum Kerngeschäft, um bei der angepeilten Zielgruppe überhaupt Erfolg haben zu können?

Uns das vorzuwerfen, wäre nun wirklich perfide. Viva 2 ist das Extremste, was Musik-TV zurzeit anbieten kann. Und tun Sie doch bitte nicht so, als könnten wir als einziges Medienunternehmen abseits des Marktes überleben. Wir versuchen innerhalb der Spielregeln des Marktes jede Menge Inhalt zu machen. Ich verstehe nicht, warum ausgerechnet dieses Unternehmen mit dem angeblichen Gegensatz von Kommerzialität und Anspruch konfrontiert wird.

Ist Gorny Viva oder ist Viva Gorny?

Im Medienmarkt scheint es geradezu zwanghaft üblich zu sein, Unternehmen zu personifizieren. Glauben Sie wirklich, dass man ein Unternehmen so erfolgreich führen kann, wie es Ihre Formulierung impliziert? Ohne selbstständig arbeitende und äußerst kompetente Mitarbeiter könnten wir doch nie so erfolgreich sein, wie wir es sind. Marius Müller-Westernhagen, ein bekannter deutscher Rockstar hat einmal gesagt, wenn ich der wäre, der ich auf der Bühne bin, dann wäre ich ein Idiot.

Und? Sind Sie ein Idiot?

Nein, ich bin kein Idiot.

Herr Gorny[Viva liegt mit MTV im Dauerclinch. Wer]

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