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Medien: „Eine Kapitulation“

Hans Leyendecker über die Journalisten und den Fall Möllemann

HANS LEYENDECKER , 54, ist Vorsitzender des

„Netzwerk Recherche“.

Der „SZ“Redakteur

gehört zu den großen Rechercheuren im deutschsprachigen Journalismus.

Foto: ddp

Sie haben am Mittwoch in der „Süddeutschen Zeitung“ die investigativen Journalisten kritisiert. Gilt das auch für die Recherchen in den Fällen Friedman und Möllemann?

Friedman ist natürlich ein Thema für den Boulevard. Man kann dem Boulevard-Journalismus nicht zum Vorwurf machen, dass er ist, wie er ist. Ansonsten gibt es im Vergleich zu Möllemann bei einigen eine fast wohltuende Zurückhaltung. Der Fall Möllemann zeigt dagegen das Dilemma des recherchierenden Journalismus. Man hat für die These, dass er im Waffenhandel verstrickt sei, früh etwas vorgetragen, was im Rahmen der Verdachtsberichterstattung in Ordnung war. Dieses wird endlos wiederholt.

Meinen Sie die im „Stern“ gezogene Verbindung vom Thyssen-Konzern, der Anfang der 90er Fuchs-Panzer nach Saudi-Arabien exportierte, über den Möllemann-Geschäftspartner Wegener hin zu Möllemann ?

Das ist alles hundert Mal geschrieben, ohne jede Originalität …

… deshalb muss es nicht falsch sein.

Es gibt Indizien, dass die Annahme falsch ist, eine Zahlung von 5,2 Millionen Mark an Möllemann sei mit dem Fuchs-Panzer-Geschäft verknüpft gewesen. Es gibt nämlich deutliche Bewegungen von Möllemann-Konten zurück zu der Firma, die ihm das Geld gegeben hat. Die Ermittler gehen davon aus, dass es sich um eine Anschubfinanzierung handelte. Aber viele Journalisten stören sich nicht daran, dass der Korruptionsvorwurf so nicht zu halten ist. Das ist ein Stück Kapitulation des investigativen Journalismus.

Kapitulation – ein hartes Wort.

Leuna war die Zäsur im investigativen Journalismus, Möllemann die Bestätigung. Im Fall Leuna haben die Ermittlungen ergebe n, dass bei der Privatisierung der Leuna-Werke durch Elf Aquitaine keine Korruption im Spiel war . Aber die Journalisten, die früh gesagt haben, dass Leuna einer der ganz großen Korruptionsfälle der Republik sei und sich eigentlich durch die Ermittlungen widerlegt sehen müssten – die flüchteten sich später in Formulierungen wie: Die Großen dieser Welt seien nicht zu packen. Da versagt der recherchierende Journalismus.

Sie lassen wenig Gutes an Ihren Kollegen. Was ist mit Selbstkritik?

Es gibt bei uns keinen ernsthaften investigativen Journalismus. Das gilt auch für mich. Was als Enthüllungsjournalismus ausgegeben wird, ist meist nichts anderes als das Auswerten von Akten aus Ermittlungsverfahren.

In Ihrem „SZ“-Artikel nannten Sie auch das Beispiel des früheren schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel. Der sei, wie sich später herausstellte, nicht nur Täter, sondern auch Opfer seines Medienberaters Pfeiffer gewesen. Sie haben damals auch über Barschel berichtet. Gewissensbisse?

Ich habe mich erst um Barschel gekümmert, als es schon eine neue Sicht gab. Mein GAU war Bad Kleinen, ein journalistisches Versagen meiner Person…

… Sie schrieben damals, das RAF-Mitglied Wolfgang Grams sei erschossen worden.

Ich hatte die Aussage eines Zeugen, der beteiligt war, viel zu stark bewertet. Der Zeuge hat dies dann später nicht so bestätigt. Das war ein gewaltiger Flop.

Wie könnte man die Fehlerquote im investigativen Journalismus verringern ?

Die Verleger müssten das Genre mehr unterstützen, damit die investigativen Journalisten mehr recherchieren können.

Das Gespräch führte Barbara Nolte.

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