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Medien: Es kann nur einen geben

Berlusconi schwächt die RAI zu Gunsten seiner eigenen Mediaset-Sender. Jetzt soll RAI 2 von Rom nach Mailand umziehen

Böse Zungen behaupten, Silvio Berlusconi könne derzeit getrost über mögliche Lösungsversuche des Irakkonflikts meditieren, statt dem Hauen und Stechen um Macht und Posten in der italienischen Fernsehanstalt RAI zuzusehen. Denn in der Politposse, die wie ein heilloses Wirrwarr aufgeführt wird und in der politische Freunde gleichsam über Nacht zu erbitterten Feinden geworden sind, würde es ohnehin nur einen Sieger geben: die konkurrierenden privaten Fernsehsender der Mediaset-Gruppe, die ja bekanntlich dem Ministerpräsidenten gehören.

Eine solche Lesart der derzeitigen RAI- Krise tut der Ministerpräsident naturgemäß als unverschämt ab. Fest steht indes, dass nicht nur die Opposition den Rücktritt von RAI-Präsident Antonio Baldassarre und Generaldirektor Agostino Saccà verlangt, sondern auch zwei Parteien der Mitte-Rechts-Regierung: die UCD und die Nationale Allianz. Dabei sind von dem fünfköpfigen Verwaltungsrat ohnehin nur noch zwei im Amt, drei haben bereits vor drei Monaten den Rücktritt erklärt, weil sie die Leitlinien der Fernsehanstalt nicht mehr teilen.

Seit der Einsetzung der Regierungsgetreuen Baldassarre und Saccà verloren die RAI-Aushängeschilder Enzo Biagi und Michele Santoro, die beliebte kritische Informationssendungen machten, ihre Sendeplätze. Zuvor hatte Berlusconi den beiden Journalisten öffentlich „einen kriminellen Missbrauch der öffentlich-rechtlichen Sender“ im vorangegangenen Wahlkampf vorgeworfen. Beide Formate gehörten zu den Zugpferden der RAI. Die Nachfolgesendungen erwiesen sich als Flops, RAI verlor gegenüber den Mediaset-Sendern an Boden. Zunächst büßte die RAI wichtige Marktanteile in der Primetime ein, seit Ende 2002 hat sie nun auch die Marktführerschaft abgeben müssen. Als Konsequenz daraus erklärten erst die Verwaltungsratsmitglieder Zanda und Donzelli (beide von der Ulivo-Opposition benannt) ihren Rücktritt; kurze Zeit später trat auch Staderini zurück, der von der Regierungskoalition vorgeschlagen wurde. RAI-Präsident Baldassarre, ein früherer Verfassungsgerichtspräsident, der dem Verwaltungsrat angehört, amtiert nun allein mit Ettore Albertoni, Kandidat der Lega Nord. Das verbliebene Rumpfteam hatte in der letzten Woche darüber hinaus die „geniale Idee“, im Handumdrehen die Direktion des zweiten Programms RAI 2 von Rom nach Mailand zu verlegen. Ein Zugeständnis an Umberto Bossis Lega Nord im Rahmen der „Föderalisierung“ des Landes, was wiederum Gianfranco Finis Nationale Allianz auf die Barrikaden brachte und als Affront gegen die Hauptstadt wertete. Sowohl Teile der Regierungsparteien als auch die Ulivo-Opposition haben nun in der parlamentarischen Kontrollkommission einen Antrag auf Absetzung der RAI-Spitze gestellt. Sollte die nötige Mehrheit zusammenkommen, ist sogar eine Regierungskrise nicht ausgeschlossen, wie Umberto Bossi drohte. Bei seinem allmontäglichen Diner mit Bossi soll Berlusconi aber auch dieses Problem aus dem Weg geräumt haben.

Just zu diesem Zeitpunkt meldete sich Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi zu Wort. Gegenüber Vertretern des Journalistenverbandes ermahnte der Staatspräsident erneut das Parlament, ein Mediengesetz zu verabschieden, das die freie Meinungsbildung garantiere. Von dem Gesetz, das Berlusconis Interessenkonflikt lösen soll und das das Parlament laut Staatspräsident innerhalb der ersten 100 Tage hätte verabschieden sollen, ist noch immer keine Rede. Mittlerweile sind seit Berlusconis Regierungsantritt fast 600 Tage vergangen.

Vincenzo Delle Donne

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