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Politik & Wahlkampf: Fanmeilen für die Partei

Politikwissenschaftler und selbst Politiker mahnen zu einer intelligenteren Berichterstattung im Netz. Das ist vor allem für das Fernsehen eine Herausforderung.

Vielleicht war es bloß Nachlässigkeit, viel wahrscheinlicher aber gezielt gesetzt, wie Nikolaus Brender am Dienstag in der Debatte um die Verlängerung seines Vertrags als ZDF-Chefredakteur das Wort ergriff. Als er auf den 42. Mainzer Tagen der Fernsehkritik mit Kollegen über die Qualität der Medien in Zeiten der multimedialen Darbietung plauderte, gestand er zu: „In manchen Redaktionen ist meine Beliebtheit begrenzt.“ Beiläufig und unüberlegt wirkte das jedenfalls nicht. Dabei sprach Brender, den die CDU-Vertreter im Verwaltungsrat des Mainzer Senders bekanntlich zum nächsten Frühjahr ersetzt sehen wollen, nicht von seinem teils umstrittenen Führungsstil oder gar der Quotenschwäche seiner „heute“-Sendung, der seit Brenders Amtsantritt vor neun Jahren fast die gesamte junge Zielgruppe stiften ging. Der Chefredakteur sprach von dem seit Jahren laufenden Umbau seiner Redaktionen, bei der schon mal bei lautem Protest kräftig zusammengelegt werde, um neben dem Stammprogramm gleich auch noch die Digitalsender und das Internet bedienen zu können. „Das ist manchmal blutig. Aber wir haben nur so eine Chance.“

So offen, wie Brender über das Thema Anerkennung im Haus sprach, kritisierte er auch das Zukunftsmedium: das Internet. Die Art und Weise, wie dort Journalismus gemacht werde, sei „nachlässiger und lausiger“ als in Zeitungen, Zeitschriften oder im Rundfunk. Gleichwohl sah Brender wie schon sein Intendant Markus Schächter im Netz eine große Chance. Und das nicht zuletzt im Wahljahr. „Wir können dort ein Gedächtnis schaffen und Leuten vorhalten: Das hast du gestern gesagt und das heute.“ In Zeiten, in denen sich das Gesagte nicht mehr versende, weil es im Netz abrufbar bleibe, sei die Floskel „Was schert mich mein Geschwätz von gestern?“ obsolet. Blöd nur, dass das ZDF bislang entsprechende Angebote vermissen lässt, in denen etwa Statements von Politikern systematisch einem historischen Vergleich unterzogen werden. Dabei mahnen Politikwissenschaftler und selbst Politiker zu einer intelligenteren Berichterstattung im Netz. Auf der Mainzer Tagung sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD): „Wir müssen den Leuten klarmachen, dass das, was wir auf unseren Parteiseiten präsentieren, immer gefärbt ist.“

Überhaupt dürfte der anstehende Wahlkampf, für den die Parteien im Netz kräftig aufrüsten, eine Herausforderung vor allem für das Fernsehen werden, das in seiner heutigen Taktung nur wenig Platz hat, um ein differenziertes Bild wiederzugeben. „Wir stehen vor einem etablierten Fünf-Parteien-System, bei dem die bisherige Lagerbildung nicht funktioniert“, mahnte der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte. Und Beck analysierte, „herauszuarbeiten, was die tatsächlichen Botschaften der Politik sind, wird in diesem Wahlkampf schwerer denn je.“ Schon bei der vergangenen Bundestagswahl zeigte sich, dass sich die Sender lieber auf Grabenkämpfe stürzen, als mit einer durchdachten Methodik einzelne Botschaften der Parteien herauszuarbeiten. Es wundert nicht, dass der im Fernsehen selbst gelegentlich omnipräsente Korte forderte, die Sender dürften gerade in Zeiten, in denen die Wahlbeteiligung sinke, die Politiker nicht nur als einen zerstrittenen Haufen präsentieren. Sie müssten vielmehr die „Problemlösungskonzepte“ der politischen Lager ausarbeiten. „Wir müssen die Fanmeilen für die Parteien erweitern.“ Daniel Bouhs, Mainz

Daniel Bouhs[Mainz]

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