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Fernsehtrends 2006: Katastrophen sagen Kuschel-TV den Kampf an

Ist der Fernsehturm nicht genug, lassen sie in Ihren Produktionen ganz Berlin oder ganz Europa zerstören. Öffentlich rechtliche und private Fernsehsender sind der festen Überzeugung, dass mit Schreckensvisionen gute Geschäfte zu machen sind.

Cannes - ProSieben nennt sein Spektakel «Comet Impact», das ZDF seine Horrorvision «Armageddon». Beide Filme tragen sich mit dem identischen Thema: Ein Komet gigantischer Größe trifft irgendwo auf die Erde und hinterlässt eine Wirkung, die tausend Mal größer ist als die einer Atombombe - zwei Horrorszenarien aus öffentlich-rechtlicher und privater Hand.

«Events made in Germany werden im Augenblick international nachgefragt», sagt der Chef der ProSieben-Firma SevenOne International, Jens Richter, dessen Aufgabe es ist, das futuristische Drama durch Vorverkäufe im Ausland zumindest teilweise zu refinanzieren. Deswegen ist er, genau wie sein Kollege Alexander Coridaß von ZDF Enterprises, zum Fernsehmarkt MIP TV nach Cannes gereist, um internationale Partner zu finden. Das ZDF hat sich für «Armageddon» schon die Hilfe von Discovery Channel und dem australischen Sender SBS gesichert.

Katastrophen, im Kuschel-TV nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 nicht gern gesehen, sind wieder salonfähig. ProSieben hat noch mehr davon zu bieten: Im Zweiteiler «Tornado» mit Thriller- Held Matthias Koeberlin wird halb Berlin weggepustet, und beim «Towering Inferno», noch in Planung, brennt der Fernsehturm am Alexanderplatz lichterloh. Fehlt noch, dass der Komet auch die Hauptstadt verwüstet. Aber da, so Richter, werde dank internationaler Beteiligung wohl ein anderer Ort gefunden.

Auch die Bavaria Film schreckt vor Vernichtungsfeldzügen in fiktionaler Form nicht zurück. Mit dem französischen Partner GMT und der deutschen ZEN Productions wird «Der Angriff auf Europa» vorbereitet, ein martialisches Szenario, bei dem unter anderem das Europäische Parlament dem Bombenterror zum Opfer fällt. Und Deutschlands größter Privatsender, RTL, will das Tanklasterunglück von Tarragona, bei dem 1978 mehr als 200 Menschen starben, filmisch umsetzen.

Doch auch andere Stoffe will die deutsche Produzentenszene im Ausland zu Markte tragen. Die Bavaria verkauft die Formatrechte am «Marienhof» und an der ARD-Telenovela «Sturm der Liebe» und bietet im Gegensatz zu früher laut Vertriebschef Oliver Schündler gleichzeitig «Problemlösungen» an: Organisatorisches, finanzielles und dramaturgisches Know-how wird mitgeliefert, so dass auch kleinere Länder, zum Beispiel aus Osteuropa, imstande sind, kostengünstig mit Unterstützung der Bavaria ihre eigenen Produktionen für den nationalen Markt zu stemmen.

Auch Konkurrent Richter weiß um den Wissensexport und seinen Wert. Sämtliche Stefan-Raab-Späße wie das Turmspringen, die Wok-WM oder das Springreiten werden als Format inklusive Beratung bis hin zur richtigen Wahl der Telefonfirma verkauft, bei der das Publikum über die Sieger abstimmt. Auch in Frankreich und Ungarn werden demnächst also «Stars in Danger» mit dem asiatischen Kochgefäß unter dem Allerwertesten die Eisbahn hinunterbrettern. (tso/dpa)

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