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Als Musikkritiker hat Mathias Döpfner, 48, bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ angefangen, heute leitet er Europas größtes Zeitungshaus, den Axel Springer Verlag, und gehört zu den bestbezahlten Managern in Deutschland. Foto: dpa

© dpa

Porträt: Freiheit, die ich meine

Springer-Chef Mathias Döpfner hat sich auf ungesichertes Terrain begeben – mit einem Buch zum großen Menschheitshema.

Der Chef des Springer-Konzerns wirkt angespannt, als müsse er gleich in eine Schlacht ziehen und hätte dafür noch keinen Plan. Zum Beispiel im Kampf um Beteiligungen an der Zeitungsgruppe WAZ, für die er zwischen 1,4 Milliarden Euro (offizielles Anschreiben) und 1,8 Milliarden Euro ( inoffiziell Klaus Boldt im „Manager Magazin“) geboten hat.

Dabei geht es an diesem Dienstagabend nur um 18,50 Euro. So viel kostet das Buch „Die Freiheitsfalle“ aus dem Propyläen Verlag. Da er es schrieb, ahnt Döpfner – und das mag seine Nervosität erklären, – dass er sich damit aus der geschützten Festung eines Vorstandsvorsitzenden aufs unschützbare Schlachtfeld von Journalisten begibt. Auf dem wird freihändig untereinander, gegeneinander, miteinander geschossen. Wer da keine vorzeigbaren Gegner hat, läuft unter ferner schrieben.

Die Er- und Bekenntnisse des Autoren Mathias Döpfner sind nachzulesen auf 250 Seiten, was seinen Kritikern Waffengleichheit verschafft. Es gibt Originalzitate, die gegen ihn verwendet werden können. Selbst dann, wenn sie mit seinen Essays über Thomas Mann, Richard Wagner, Gustave Courbet nichts Rechtes anfangen können: die ihm als Manager attestierten Eigenschaften und Eigenheiten – eitel, arrogant, machtbewusst, Wiedergänger Axel Springers – lassen sich nunmehr dem Kollegen Döpfner mit auf den Weg geben. So frei sind wir allemal. Alle mal.

Der 2,01 Meter große Vorsitzende, erlernter Beruf Journalist, ist trotz seiner mittlerweile 48 Lebensjahre im Herzen dem kindlich klugen Motto der „Sesamstraße“ treu: Wieso, weshalb warum, wer nicht fragt bleibt dumm. Viele Mitarbeiter des Konzerns haben sich vielleicht genau diese Frage gestellt, als sie im Zuge einer sogenannten Umstrukturierung eingespart wurden. Im Kopf wiederum muss es ihm qua Amt, belohnt mit angeblich elf Millionen Euro pro Jahr, um die stetige Steigerung der Gewinne des Hauses gehen. Verlagsgründer Axel Springer lebte nach dem Motto: Ich liebe das Geld, weil es Freiheit mir schafft.

Es geht um das große Menschheitsthema Freiheit, worüber in den Jahrtausenden vor Döpfner schon einiges geschrieben worden ist. Dennoch ist der Andrang der Berliner Society und Adabeis bei der Buchvorstellung, die vom Autor dieses Textes moderiert wurde, im Weinkeller des Restaurants Borchardt so groß, als würde ein Gedichtband von Udo Walz vorgestellt. Betont unauffällig, wie es nun mal hanseatische Art ist, mischen sich steinschlagerprobte Brocken aus der deutschen Medienmetropole Hamburg wie Heiner Bremer, Stefan Aust, Manfred Bissinger unter die Stützen der hauptstädtischen Gesellschaft.

Gedanken sind bekanntlich frei, auch solche imaginär irren wie diese: Bei einem bühnenreifen Kulturgipfel von Verlegern und Verlagsmanagern wäre Döpfner selbst sitzend als Pianist der Größte. Die Tasten würde er Seit an Seit mit „Spiegel“-Geschäftsführer Ove Saffe bespielen, aber sogar vierhändig dürfte es für die begabten Pianisten schwer werden, sich Gehör zu verschaffen, denn die mit ihnen gemeinsam auftretenden Rockgitarristen sind leisen Tönen abhold: Bernd Buchholz von Gruner + Jahr und Thomas Rabe von Bertelsmann. Verlagsmanager Rainer Esser von der „Zeit“ würde bei dieser Show, die zum Höhepunkt der alljährlichen Publishers Night werden dürfte, Songs von Harry Belafonte oder Elvis Presley oder Adriano Celentano spielen, was er sonst nur im Freundeskreis macht. Zwischen den einzelnen Musikstücken läse Alfred Neven Du Mont aus seinem Roman von Vätern und Söhnen, und Hubert Burda spräche über die Bedeutung der Ruinen in Bildern des französischen Malers Hubert Roberts.

Angefangen hat Döpfner als Musikkritiker bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, die in alter Verbundenheit ein Kapitel aus seiner „Freiheitsfalle“ vorab druckte. Rezensionen oder Abdrucke in hauseigenen Blättern hat er sich per ordre de angestelltem Mufti verboten. Falls sich das Buch verkauft, wird Döpfner sämtliche Erlöse an „Reporter ohne Grenzen“ überweisen.

Er selbst kann sich, und das was er sagen will, überzeugend verkaufen. Seine inhäusigen Fans, die ihn „MD“ nennen, sogar jene, die er auf unwichtige Posten mit bedeutend klingenden Titeln entsorgt hat, blicken auf zu ihm. Seine Erfolge als Manager machen auch sie ein wenig größer. Als er Redaktionen verschiedener Zeitungen zusammenlegen ließ, um Geld zu sparen, grummelten sogar die im Widerstand nicht erfahrenen Redakteure des Hauses Springer. Inzwischen gilt Döpfners Idee, was Journalisten in Resignation verfallen lässt, als letzte Rettung im vom Aussterben bedrohten Printmarkt. In dem war er als Chefredakteur der „Hamburger Morgenpost“ ebenso eine Fehlbesetzung wie als Chef der Ex-DDR Postille „Wochenpost“. Beides war nicht seine Welt, weshalb er bald zur „Welt“ ging.

Der gebildete Konservative, der vortragend im Keller das Wort „Nein“ als essenziell für seinen Begriff von Freiheit definiert – „,Nein’ sagen zu können steht im Gegensatz zur Unfreiheit, ,Ja’ sagen zu müssen“ – durchlüftete die „Welt“, bis es nicht mehr nach dem Schweiß alter Kampfschreiber roch und er sich ins Management verabschiedete.

Einer seiner „Welt“-Nachfolger übrigens wurde Thomas Schmid. Er war einst in Zeiten der von Döpfner tief verabscheuten 68er neben Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit Begründer von „Revolutionärer Kampf“ in Frankfurt. Denen attestiert Döpfner aber – „Danke“ ertönte da bei der Buchvorstellung eine einzelne laute Stimme aus der abgedunkelten Tiefe des Weinkellers –, die Republik von einer durch Naziväter verkrusteten Demokratur zur heutigen Demokratie aufgebrochen zu haben. Falsche Positionen zu räumen, was auch für die Schlagtotzeilen der Springer-Zeitungen aus jenen Zeiten gilt, anstatt sie bis heute reaktionär zu verteidigen, sei der wahre Fortschritt.

Seit 2002 hat Mathias Döpfner im Vorstand das letzte Wort. Konzernergebnis damals: Minus 198 Millionen Euro. Statt eines Männerbundes, der Predigten mit Journalismus verwechselte, gab jetzt einer die Strategie vor, den Verlegerwitwe Friede Springer auch bei Intellektuellen vorzeigen konnte. Anfangs wurde er belächelt von Vorgängern und Konkurrenten, es wurde gejubelt gar, als Döpfner beim Deal um den Postdienstleisters PIN 572 Millionen Euro verbrannte, doch seit diesem Flop geht es stets nach oben. 2010 konnte der promovierte Musikwissenschaftler einen Überschuss von 283,2 Millionen Euro verkünden. Selbstverständlich blickt Döpfner stolz auf das durch ihn Erreichte. Bescheidenheit ist in dem Gewerbe eh eine seltene Eigenschaft. Große Verleger, die sie besaßen, Rudolf Augstein oder Reinhard Mohn oder John Jahr, beleben längst das Totenreich.

Heute sind bei den wesentlichen Verlagen angestellte Manager am Steuer. Gerät ihr Dampfer aus dem Ruder, werfen sie Ballast ab. Werden Arbeitsplätze gestrichen, wird das gern „Freisetzung“ genannt. Ein solcher Begriff – denn welche Freiheit bliebe einem Menschen ohne Arbeit? – gehöre nicht zu seinem Wortschatz, wehrt sich Döpfner. Profitstreben um jeden Preis, womit er die Gierlappen aus der Finanzbranche meint, gefährden dagegen die freie soziale Marktwirtschaft.

Vor dem Springerhochhaus steht eine Skulptur von Stephan Balkenhol. Ein Mann balanciert auf einer Mauer. Mit einem Bein steht er, das andere ragt in den Himmel. Für Döpfner, der sie aufstellen ließ, symbolisiert sie den von ihm so genannten „Balanceakt namens Freiheit“. In deren Namen verteidigt er auch stets die „Bild“, die die Cash-Cow des Verlages ist und sich deshalb gnadenlos alle Freiheiten herausnimmt, die der Autor der „Freiheitsfalle“ bei anderen attackieren würde.

Axel Springer fiel bei ihrer Lektüre morgens öfters mal aus dem Bett, holte sich blaue Flecken. Ähnliches ist von Mathias Döpfner nicht bekannt.

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