zum Hauptinhalt
Vermintes Gelände. Schwiegersohn Basti Beermann (Simon Schwarz) und die schwer kranke Karin Glaser (Mariele Millowitsch).

© ZDF

Der Tod spielt mit: Hein und Schein

„Mama geht nicht mehr“ – kein ganz handelsübliches ZDF-Familienspiel.

Sind so stille Tage im November. Sterben, Trauern, Grauen. „Da ging der Tod über ihr Antlitz und löschte es aus“, dieser (gewaltige) Satz aus „Joseph und seine Brüder“ von Thomas Mann über Rahels, der geliebten Frau Jakobs, trauriges Ende, passt zur Jahreszeit. Seufz. Da könnte, bevor es auch offiziell todernst wird, Fernsehen helfen. Für Donnerstag, kurz vor Volkstrauertag, Buß-und Bettag und Totensonntag steht die Tragikomödie „Mama geht nicht mehr“ auf dem Programm. Was mit Familie und besonders was mit Mariele Millowitsch – das kann ja so tragisch nicht werden, denkt man. Die promovierte Tierärztin und Schauspielerin aus dem Kölner Theaterclan kennt der Zuschauer seit vielen Jahren und mag sie leiden: Immer wirkt sie duldsam und bescheiden. Ob als „Girl Friends“-Mittelpunkt oder als Kommissarin „Marie Brand“, immer gibt sie die unwiderstehliche Sanfte vom Dienst.

So kommt sie auch in Vivian Naefes Film „Mama geht nicht mehr“ als Chefärztin Karin daher. Sicher, die Diagnose, dass sie wegen Bauchspeicheldrüsenkrebs nicht mehr lang zu leben habe, ist schrecklich, aber die gezeigte Widerstandsbereitschaft der Figur übertönt Ängste – auch beim Publikum. Wird schon nicht so schlimm werden, Frauen wie Karin sind doch in der TV-Unterhaltung unverwüstlich.

Als Mama verschafft sich Karin unter Hinweis auf ihren Krebs Zutritt zu ihrer Tochter Steffi (Mina Tander) und deren Familie, die aus dem Ehemann Basti (Simon Schwarz) und dem Sohn Timo (Erik Linnerud) besteht. Die unheilbar Kranke betritt ein vermintes Gelände. Karin ist bisher alles andere gewesen als eine treusorgende Glucke, hat ihre Tochter um der Karriere willen zu den Großeltern abgeschoben, den Kontakt abgebrochen und so aus Steffi ein verletztes Tränentier gemacht. Was nimmt sich die Rabenmutter bloß heraus, sich ausgerechnet im zuvor verschmähten Nest der Familie zum Sterben niederzulegen?

Der Tod hat seinen Platz im U-Fernsehen

Aber Karin tut, was der Zuschauer von Frauen in derlei verfahrenen Familienfilmkonstellationen erwartet: Sie macht sich nützlich. Sie deckt die Fremdgängerei des Ehemanns auf, sie hilft dem Enkel aus der Verwöhnungsfalle, sie baut eine Brücke zur vernachlässigten Tochter. Und ach, es könnte alles so schön dem Ende entgegenplätschern. Vielleicht zu einer wunderbaren Heilung, oder, wenn das zu kitschig wäre, wenigstens zu einem friedlichen Ende, an dem Karin nach getanem Versöhnungswerk selig im Kreis der neuen Lieben entschlummert.

Doch da sind Regisseurin Naefe und Darstellerin Millowitsch vor. Sie nehmen Tod und Sterben ernst. Sie verschonen den Zuschauer nicht. Sie überspielen nichts und beweisen, dass das Ende des Menschen seinen Platz im Unterhaltungsfernsehen hat.

Eine Serie wie „In aller Freundschaft“ zeigt derzeit, wie – bedingt durch den Tod der Darstellerin Hendrikje Fitz – die Herausforderung der Trauerdarstellung Klischees verflüssigt und das Publikum mitnimmt. Der „Club der roten Bänder“ auf Vox, eine Geschichte unter totgeweihten jugendlichen Langzeitpatienten, ist beliebt bei jungen Zuschauern. „Freund Hein“, der alte Kosename für Tod, lebt reinigend im Medienschein.

Schon äußerlich ist Karins Hinabsteigen in die Welt des Sterbens eine Meisterleistung ihrer Darstellerin Millowitsch. Sie erduldet ihre Kahlhäuptigkeit durch die Chemo mit trauriger und ganz und gar diesseitiger Gottergebenheit. Schminkkunst verwandelt sie in eine alte Frau, ohne ihrem Blick die Lebenssehnsucht zu nehmen. Das ganze Familiengezerre wirkt für einen Augenblick ganz klein.

Ob das von Oma herbeigeführte Happyend – die Ehe ist repariert, dem Enkel wachsen wieder Haare, die er sich aus Solidarität mit der Großmutter abgeschnitten hatte, die Tochter ist schwanger – ein Trost für Karin in der Sterbestunde ist, erfahren wir nicht.

Wenn der Tod über Karins Gesicht geht, ist die Kamera nicht dabei. Aber ausgelöscht ist es nicht. Mariele Millowitsch hat bloß ganze Arbeit geleistet, wie es sich für eine Tochter aus dem Theaterclan gehört. Vater Willy wäre stolz.

„Mama geht nicht mehr“, Donnerstag, ZDF, 20 Uhr 15

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false