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Medien: „Ich bin Früheinschläfer“

Lieber spät als gar nicht: Wigald Bonings „WIB-Schaukel“ im ZDF-Nachtprogramm

Von Heiko Dilk

Am Telefon meldet er sich wie ein kleiner Junge. Als hätte er die Mutter seines Spielkameraden dran und wollte fragen, ob der zum Spielen rauskommen darf: „Hallo! Hier ist Wigald Boning.“ Für sein Management ist er „der Wigald“. Dort sagen sie öfter Sachen wie: „Da hat er bestimmt Lust zu.“ Oder: „Ich glaub’ schon, dass der Wigald das macht.“ Jetzt sitzt er hier im Lobby-Restaurant eines Hotel-Bunkers in Köln, unten rauscht ein überdimensionierter Springbrunnen, und Boning ist zwar wie immer lustig angezogen, macht aber ansonsten einen geradezu ernsthaften Eindruck.

Boning war mal ein Superstar des deutschen Unterhaltungsfernsehens. Bei „RTL Samstag Nacht“ war das. Zusammen mit einigen anderen, von denen manche noch sehr, andere nur noch mäßig bekannt sind. Der Comedy-Boom war noch ganz jung.

Produzent Jacky Dreksler hatte das Format aus Amerika abgekupfert: „Saturday Night Live“ hieß das Original. Es gab da eine regelmäßige Rubrik, die zeigte, wie Amerikaner sich in den späten 70ern, frühen 80ern deutsches Fernsehen vorgestellt hatten: Männer mit schwarzen Rollkragenpullovern und schwarzen, engen Hosen, unterhielten sich in einer schwarzen Kulisse über langweilige Dinge.

Das mag so vor der Einführung des Privatfernsehens gewesen sein. Bei „RTL Samstag Nacht“ ging es jedenfalls immer quietschbunt zu. Vor allem, wenn Wigald Boning auftrat. Woche für Woche schalteten bis zu vier Millionen ein. Wigald Boning trug Anzüge aus Kunstrasen oder Lackleder, veralberte Diskussionsrunden bei „Zwei Stühle, eine Meinung“ oder machte anarchische Straßenumfragen wie früher beim Lokalsender Hamburg 1. Das sollte witzig sein – und das war es auch.

Anfang 1998 hatte „Samstag Nacht“ nur noch etwas unter drei Millionen Zuschauer. Boning, Dittrich und Co. hörten auf.

Wigald Boning glaubt, dass das Publikumsinteresse einer Art Wellenbewegung folgt. „Für die Wellen gibt es wahrscheinlich keine plausiblen Erklärungen“, sagt er, „vielleicht sind das physikalische Prozesse wie der Pendelschlag, vielleicht hängt das am Anfang mit der Erdumdrehung zusammen und damit, dass da eine leichte Unwucht in der Erdachse ist. Oder die Mond-Anziehung löst diese Trends in der Popkultur aus.“ Das klingt nach „Wigalds Welt“. Und dann sagt er: „Keine Ahnung, Tatsache ist, dass das kommt und geht, und dass man dann gut daran tut, sich das klar zu machen.“ Da ist er wieder, der ernsthafte Boning.

Man hatte immer den Eindruck, dass Boning das, was er macht, nicht besonders ernst nimmt. Boning widerspricht. „Mal so ganz pauschal betrachtet“ sei das, womit er sich beruflich beschäftigt habe, eben das gewesen, was ihn privat interessiert habe. Und wenn das dann im Fernsehen nur zum Flop reicht, sehe er das mit Distanz. „Ich hatte ja grundsätzlich schon immer Zweifel an meiner Mehrheitsfähigkeit.“ „Samstag Nacht“ – ein Ausrutscher? Vielleicht ist Boning sogar besser, wenn er nicht mehrheitsfähig ist.

Als die RTL-Show 1998 abgesetzt wurde, machte Boning erst mal eine Zeit lang nichts. Er war gerade Vater von Zwillingen geworden. Und dann seien da die „Nachbeben“ gewesen, sagt er und meint dieses Lied über das Huhn aus dem Computerspiel. Er nennt es „große Popkultur“ und erzählt von seinem „Faible für Bums-Disko, so knapp unter den Pet-Shop-Boys“. Schließlich komme er aus Oldenburg, wie Dieter Bohlen. Und wie Bohlen war auch „Gimme Moorhuhn“ erstaunlich mehrheitsfähig.

Ganz anders die „WiB-Schaukel“, die fast zwei Jahre lang quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf sun-tv lief, einem Programmfenster der Ballungsraumsender TV.Berlin, TV.München oder Hamburg-1. Boning plauderte auf seine eigenwillige Weise in dieser Sendung mit mehr oder weniger Prominenten, die, wie er, den Erfolg nicht gepachtet hatten: Gunther Gabriel, Drafi Deutscher oder Harry Wijnvoort.

Ausgerechnet das ZDF hat nun 13 Folgen der „WiB-Schaukel“ gekauft und wird sie ab heute, 0 Uhr 50, ausstrahlen. Die Entertainment-Factory produziert die Sendungen weiterhin. Es soll tatsächlich alles so bleiben, wie es bei sun-tv war: Boning wird mitten in den Interviews Pausen einlegen und aus dem Off erzählen, was er denkt. Soll er eine bestimmte Frage stellen? Wird es Zeit, das Thema zu wechseln?

Für ZDF-Zuschauer mag das Format gewöhnungsbedürftig sein. Die meisten dürften um 0 Uhr 50 sowieso schlafen. Wie Wigald Boning, der sich selbst als „Früheinschläfer“ bezeichnet. Im Grunde ist es ihm ganz recht, dass die „WiB-Schaukel“ nicht zur Prime- Time läuft. „Sonst würden vielleicht drei Folgen ausgestrahlt, und dann wäre Feierabend“, sagt er. Weniger Zuschauer als bei sun-tv kann er kaum haben. Und wenn doch, dann ist er das ohnehin gewohnt. Einmal, als er noch auf Premiere die Sendung „Airplay“ hatte, habe er seine Telefonnummer unauffällig in die Moderation eingebaut, um zu sehen, ob überhaupt jemand zuschaut – es hat tatsächlich jemand angerufen.

Boning hofft, dass er beim ZDF vielleicht sogar Gäste bekommt, die die Sendung bisher mieden. Bei sun-tv hatte Boning noch eine Absage-Quote von 95 Prozent. Jetzt seien es nur noch 90, sagt er. Sein Wunschgast? Dieter Bohlen. Der lässt Journalisten nur für Geld ins Haus. Doch dafür gibt es bei der „WIB-Schaukel“ prinzipiell kein Geld. Schade. Bohlen und Boning, das wäre eine interessante Paarung.

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