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Im RADIO: Seelenschau der Mittelschicht

Tom Peuckert verrät, was Sie nicht verpassen sollten

Es ist das erfolgreichste Theaterstück der letzten Jahre gewesen. In „Der Gott des Gemetzels“ erzählt die französische Autorin Yasmina Reza von zwei Mittelschichtspaaren, die sich eines Abends in kultivierter Atmosphäre zusammensetzen, um ein kleines Gewaltproblem aus der Welt zu schaffen. Ihre Söhne haben sich auf dem Schulhof geprügelt, ein Schneidezahn ging dabei verloren. Nun sollen Schuldfragen geklärt und eine Versöhnung herbeigeführt werden. Aber der so hoffnungsvoll begonnene Abend versinkt bald im Chaos aus Hysterie und mühsam unterdrückter Aggressivität. Wer Rezas raffinierte bürgerliche Seelenschau bisher verpasst hat, sollte sich die schöne Hörspielfassung des Dramas nicht entgehen lassen (Deutschlandradio Kultur, 21. Januar, 21 Uhr 33, UKW 89,6 MHz).

Petja, Hotdog und Pepsi verbringen ihre Tage in einer öden russischen Kleinstadt, im Schatten des Atomkraftwerks, das mit der Geschichte nur in zweiter Linie etwas zu tun hat. Der eine ist Scharfschütze beim Werkschutz, die anderen klauen Benzin auf dem werkseigenen Parkplatz. Kein Wunder, dass im Hörspiel „Tötet den Schiedsrichter“ von Oleg und Wladimir Presnjako katastrophale Ideen ausgebrütet werden. Weil ein italienischer Schiedsrichter angeblich ein Länderspiel der russischen Fußballnationalmannschaft verpfiffen hat, soll er nun umgebracht werden. Zur Realisierung des Plans reist die russische Horde in ein türkisches Touristenparadies. Wie die schrillen Loser dort von einem Malheur ins nächste taumeln, erzählt das amüsante Hörspiel (Kulturradio vom Radio Berlin-Brandenburg, 23. Januar, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Gleich zu Beginn des Romans „Die Geschichte des Arthur Gordon Pym“ von Edgar Allan Poe geschieht, was der geneigte Leser im Grunde erwartet. Um als blinder Passagier auf einem Walfänger in die Arktis reisen zu können, lässt sich Arthur unter Deck in eine sargähnliche Kammer einschließen. Natürlich geht dabei etwas schief, Arthur muss Tage und Wochen im klaustrophobischen Delirium verbringen. Das ist nur der Anfang aller Schrecken. Pym überlebt bei seiner Seefahrt nicht nur eine Meuterei, sondern gleich mehrere Schiffbrüche und schließlich die Begegnung mit einer Kultur, in der Fremde rituell ermordet werden. Für alle Freunde des literarischen Schreckens dürfte die unter dem Titel „POEsPYM“ arrangierte zweiteilige Hörspielfassung des berühmten Romans genau das Passende sein (Deutschlandradio Kultur, 25. Januar, 18 Uhr 30; Teil 2 am 1. Februar, 18 Uhr 30).

Im Jahr 1922 veröffentlichte der amerikanische Dichter T.S. Eliot sein Langgedicht „The Waste Land“. Ein berauschend dunkelsinniger Text, eine kühne Mixtur aus Mythos und Kolportage. Mit seinen gelehrten Zitaten und parodierten O-Tönen aus Vorstadtkneipen und Tanzschuppen war „The Waste Land“ das Lied der Stunde. Ein überzeugender Reflex auf Millionenstädte, Maschinenkrieg, den Tod Gottes. Der Lyriker Norbert Hummelt hat Eliots großes Gedicht neu ins Deutsche übersetzt. Unter dem Titel „Ein Haufen zerbrochener Bilder“ spricht die Journalistin Barbara Wahlster mit dem Übersetzer. Auch Büchner-Preisträger Durs Grünbein – erklärter Liebhaber der amerikanischen Moderne – ist mit von der Radio-Partie (Deutschlandradio Kultur, 27. Januar, 19 Uhr 30).

In seinem 1986 erschienenen Text „Die Wiederholung“ erzählt Peter Handke von einer großen Wanderung. Sie führt in den slowenischen Karst, die bizarr geformte Hochebene über dem Golf von Triest. Dort hat Handke seine Kindheit verbracht, hier lebten die Vorfahren des Schriftstellers, dessen Mutter eine Kärntner Slowenin war. Der Wanderer taucht ein in die Bilder der Vergangenheit, die Aromen der Heimat. Ideales Terrain für Handkes magischen Realismus, die Beschwörung des Alltäglichen als sinnliches Wunder. Unter dem Titel „Gehen im Herzland“ hat Regisseur Leonard Koppelmann aus dem beeindruckenden Prosatext ein nicht weniger faszinierendes Hörspiel gemacht (Deutschlandfunk, 27. Januar, 20 Uhr 10, UKW 97,7 MHz).

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