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Die Sache mit den Blümchen: Die Zeitschrift, die Mitte der 90er Jahre eine Auflage von 1,4 Millionen hatte, verkauft heute 480.000 Exemplare. Das Internet soll's richten.

© Tsp

Zeitschrift: Immer wieder Dr. Sommer

Aufklärung tut Not: Das Jugendmagazin "Bravo" relauncht seine Webseite. Wie auch das Heft wird Bravo.de zu zwei Dritteln von Mädchen gelesen.

Eigentlich sollte es beim Start 1956 eine Zeitschrift für Film und Fernsehen werden: die „Bravo“. Ein paar Jahre später kamen die Beatles nach Deutschland. Schnell wurde aus dem Heft das Zentralorgan für Popkultur und Pubertätsprobleme, legendär mit Dr. Sommer, dem Vorreiter unter den Sexualaufklärern. Heute ist „Bravo“ ein Jugendmagazin unter vielen, die Zielgruppe stillt ihre Bedürfnisse nach Popkultur und Pubertätsthemen vor allem im Netz. Nun hat der Bauer Verlag das Jugendportal Bravo.de nach neun Jahren grundlegend renoviert. Großflächigeres Layout, integrierte Videos, Kommentarfunktionen. Nach neun Jahren. Das ist im Internet eine kleine Ewigkeit, gerade für Jugendliche, die laut „Bravo“-Chefredakteur Philipp Jessen im Netz „ständig Änderungen erwarten“. Der Relaunch soll die Reichweite der Website bis zum Jahresende auf eine Million Besucher steigern. Aktuell sind es 700.000. Von der Idee, hier eine eigene große „Bravo“-Community zu schaffen, haben sich die Macher von Bauer Digital allerdings verabschiedet. Sie setzen auf die Anbindung an SchülerVZ, Facebook und Twitter, wo „Bravo“- Redakteure eifrig ihre Kurznachrichten hinterlassen. Inhaltlich geht es weiterhin um die Themen Stars, Aufklärung und Lifestyle. Das dreiköpfige „Dr. Sommer“-Team der Heft-Redaktion zum Beispiel bekommt über die Website 30 Anfragen pro Stunde, die alle beantwortet werden. Ansonsten eignet sich Bravo.de gut als Datenbank, in der die ewiggleichen Frag0en zur Sexualität durch die Suchfunktion beantwortet werden können. Die vier Redakteure von Bravo.de stehen in engem Austausch mit ihren Heftkollegen, sie sitzen gemeinsam im Münchner Büro. Wobei das einzige Element, das eins zu eins aus dem Heft übernommen wird, die Foto-Love-Story ist. „Glaubwürdigkeit und Empathie sind die Schlagworte, die für das Heft und den Webauftritt gelten. Exklusivität hat für die Zeitschrift eine wichtige Bedeutung“, sagt Jessen. In seine Amtszeit fallen daher auch ein Interview mit Guido Westerwelle und ein beigelegtes Jugend-Kondom. Außerdem musste er sich mit einer Rüge des Presserats wegen einer verdeckten Werbekooperation mit der Bundesagentur für Arbeit herumschlagen, die allerdings aus dem Jahr 2009 stammt. Doch der Job des „Bravo“-Chefredakteurs war in den letzten Jahren ohnehin kein leichter. Die Jugendzeitschrift, die Mitte der 90er Jahre eine Auflage von 1,4 Millionen hatte, verkauft heute rund 480 000 Exemplare. Zusammen mit ihren Schwestern „Bravo Girl“, „Bravo Sport“ und „ Bravo Hip Hop“ und Bravo.de kann sie sich immer noch rühmen, „Europas erfolgreichste Jugendmedienmarke“ zu sein. Jessen, der zuvor bei „Vanity Fair“ und bei der „Bild“-Zeitung war, setzt beim Heft auf „größere Hintergrundgeschichten“ und beim Online-Auftritt auf einen schnelleren Themenzugang, der vor allem auf News setzt. Tatsächlich sieht das Printprodukt mit seinen kleinteiligen Schnipseln jetzt altmodischer aus als sein Pendant im Web. Wie auch das Heft wird Bravo.de zu zwei Dritteln von Mädchen gelesen. Der Altersdurchschnitt liegt zwischen 14 und 19 Jahren. Die Leserbindung will der Verlag damit stärken, dass jeder User nun eine eigene E-Mail-Adresse mit der Endung @mybravo.de bekommen kann. Fragt man die jugendlichen Nutzer, wovon sie sich noch mehr auf der Website wünschen, käme oft die Antwort „Bewegtbilder“, so Kai Kromat, General Manager von Bravo.de. Bereits jetzt gibt es unter der Woche ein von zwei Moderatoren präsentiertes Web-TV, das von rund 5000 Zuschauern pro Tag gesehen wird. Oder auch mal von 700.000, wenn Teenie-Star Dustin Bieber zu Gast ist. Ergänzend zu diesen Vierminütern startet der Verlag demnächst ein längeres Wochenendformat, das gewissermaßen das 2007 eingestellte „Bravo TV“ wiederbelebt. „Die User stellen sich mittlerweile per Youtube ihr eigenes Fernsehprogramm zusammen“, so Kromat. Daher wird es in absehbarer Zeit dort einen eigenen Bravo-TV-Kanal geben. Auch bei mobilen Anwendungen will Bravo.de in absehbarer Zeit mit dabei sein. Hier ist nicht unbedingt eine App für das iPhone geplant, sondern eher ein einfacher Seitenabruf auf ein normales Smartphone. Auf dass die Marke „Bravo“ multimedial wieder verstärkt als das wahrgenommen wird, was sie immer noch gerne wäre: das Heft für Popkultur und Pubertätsprobleme. Auch im sechsten Jahrzehnt ihres Bestehens.

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