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Internet: Sterben war früher

Die Nachricht war ein Schock für den Bildungsbürger: Der "Brockhaus" erscheint bald nicht mehr in gedruckter Form, sondern nur noch im Internet. Online statt Print - beinahe eine kulturelle Revolution. Doch der Lexikon-Riese bestätigt nur eine allgemeine Entwicklung.

Printprodukte werden eingestellt, im Netz leben die Marken weiter. Zum Beispiel das "Pardon"-Magazin, in den 60er und 70er Jahren eine legendäre Satirezeitschrift, politisch links eingefärbt, geschrieben von pfiffigen und prominenten Autoren. Nach einem ambitionierten Printneustart im Jahr 2004 ist das Blatt vor fünf Monaten im digitalen Orkus abgelegt worden. Zeichner und Texter Bernd Zeller verwaltet die "Pardon"-Reste jetzt als Ein-Mann-Unternehmen im Internet, jeden Tag gibt es drei oder vier mehr oder weniger witzige Neuigkeiten. Noch sei die Seite nicht lukrativ, sagt er, aber nach dem jetzt erfolgten Relaunch unter dem neuen Domain-Namen „darvins-illustrierte.de“ soll das Projekt bald Werbekunden anlocken und vielleicht sogar Gewinne abwerfen. "Die Arbeit im Internet ist kostengünstig, interaktiv und schnell", sagt Bernd Zeller. "Das wird wohl der neue Trend."

Online statt Print – diesem Modell folgt jetzt auch das Lifestyle-Magazin "Max". Nach der Doppelausgabe Januar/Februar ist für die regelmäßige Printvariante Schluss, im Netz bleibt die Marke unter "max.de" erhalten. Von der Reputation des Printmagazins könne man zwar noch eine Zeit lang zehren, aber man habe mit dem Aufbau einer reinen Webstrategie begonnen, sagt Online-Chefredakteur Thomas Mende. Einige printspezifische Inhalte werden wegfallen, teure Interviews oder opulente Bild- und Reportagestrecken will man sich in Zukunft nicht mehr leisten. Statt dessen setzt man bei "Max Online" jetzt auf die speziellen Stärken des Internet. Anstelle von zwei Reportagen investiere man das Budget lieber in 500 Tipps und Web-Events für den virtuellen Stadtführer der Seite, sagt Thomas Mende. Neben den Redakteuren können auch die Besucher diesen "City Guide" mit Inhalten füllen.

User Generated Content statt journalistischer Qualitätsarbeit? Für die verbliebenen Mitarbeiter dürfte es jedenfalls recht anstrengend werden. Denn tragfähig ist das Konzept vor allem wegen seiner schlanken Personalstruktur. Die Hamburger Printredaktion hatte zeitweise 30 Mitarbeiter. In der Münchner Online-Abteilung sitzen nur drei festangestellte Redakteure, dazu kommen vier freie Autoren.

Die Arbeit für das Netz ist günstig, interaktiv und schnell

Wenigstens den Online-Auftritt weiterführen oder die ganze Marke sterben lassen - vor dieser Alternative standen auch die Macher des Fußballmagazins "Rund". Weil die angepeilte Verkaufszahl nicht erreicht wurde, war es um die monatliche Printausgabe im Mai 2007 geschehen. Den regelmäßig aktualisierten Web-Auftritt gibt es unter "rund-magazin.de" noch heute. Eine komplexe Logistik, gestiegene Preise für Druck und Papier, aufwendige Bildbearbeitung – diese Kostenfaktoren entfallen bei der Produktion von Online-Magazinen, sagt "Rund"-Redakteur Matthias Greulich. Generell würden Verlage und Werbekunden heute eine veränderte Strategie verfolgen. Die Bereitschaft, in Printprodukte zu investieren, sei in dem Maße gesunken, in dem zunehmend mehr Geld in die jeweiligen Online-Segmente fließe. Das bestätigt auch Robin Meyer-Lucht, Medienexperte bei der Unternehmensberatung Berlin Institute. "Die alte Vorstellung, dass verschiedene Mediengattungen einander nicht verdrängen, ist völliger Quatsch", meint Meyer-Lucht. Nach Fernsehen und Zeitung sei das Internet heute schon das drittwichtigste Werbe- und Anzeigenmedium, bald werde es auf Platz eins stehen. "Dadurch häufen sich die Toten der digitalen Revolution."

Bislang waren es Publikumszeitschriften, die Print nach Online verlagert haben. Das große Geld wird damit heute noch nicht verdient, oft ist der Umzug eine Art Rettungsanker. Wann hierzulande die erste Tageszeitung diesen Schritt geht, scheint nur eine Frage der Zeit. In den USA ist es schon so weit: Dort hat sich mit der "Capital Times" die erste Zeitung von ihrer täglichen Printausgabe verabschiedet. Mit Ausnahme von zwei gedruckten Ausgaben in der Woche erscheint die "Capital Times" künftig nur noch im Netz. Anders, sagte Chefredakteur Dave Zweifel, könne man das 1917 gegründete Blatt angesichts sinkender Auflagen nicht mehr am Leben erhalten.

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