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Wer braucht wen? Mavie Hörbiger (l.), Enkelin von Paul Hörbiger, Nichte zweiten Grades von Christiane Hörbiger und Cousine von Christian Tramitz, im ZDF-Drama „Ich brauche euch“ (Montag, 20 Uhr 15).

© ZDF und Britta Krehl

Interview mit Mavie Hörbiger: „Ich kann schlecht mit mir alleine sein“

Schauspielerin Mavie Hörbiger über Wünsche in merkwürdigen Zeiten, Rollenklischees und die Last berühmter Namen.

Mavie Hörbiger, Enkelin von Paul Hörbiger, Nichte zweiten Grades von Christiane Hörbiger und Cousine von Christian Tramitz, hat sich zur Burgschauspielerin entwickelt. Nach der Schule begann sie eine Schauspielausbildung in München, die sie nicht beendete. Sie lehnte für ein Jahr alle Rollenangebote ab und arbeitete in einer Videothek in Berlin. Dass sie nun nicht nur an der Wiener Burg, sondern auch im TV-Film funktioniert, zeigt die 40-Jährige als unverhofft Alleinerziehende im ZDF-Drama „Ich brauche euch“ (Montag, 20 Uhr 15).

Frau Hörbiger, beim Titel Ihres Familiendramas bekommt man es erst mal mit der Angst zu tun …
Wie heißt er denn? Ich kenne nur den Arbeitstitel.

„Ich brauche euch“.
Oje, das kann ich verstehen, klingt leichter, als er ist und was er mir bedeutet. Der Regisseur hat wirklich dafür gekämpft, dass ich trotz meines Fulltime-Jobs am Wiener Burgtheater mitmachen konnte.

Hat sein Bedürfnis, unbedingt Sie als Silvi zu besetzen, mit ihrer ähnlich strengen Ausstrahlung zu tun, die wiederum mit Ihrer drahtigen Physiognomie zusammenhängt?
(lacht) Schön gesehen, vielleicht ist das so. Heißt der Film echt „Ich brauche euch“? Puhh…

Wer genau braucht in dieser Geschichte eines beruflich erfolgreichen Singles, die plötzlich die Kinder ihrer toten Schwester aufnehmen muss, eigentlich wen?
Schwer zu sagen. Ich habe ihn noch nicht gesehen, wie ich überhaupt selten mal Filme mit mir anschaue, insgesamt vielleicht vier.

Jetzt kokettieren Sie!
Nein, ernsthaft, fürs Kokettieren bin ich zu alt. Es ist doch für alle Menschen eine Qual, sich selbst von außen zu betrachten. „Ich brauche euch“, hmmm. Eigentlich müsste es „Wir brauchen dich“ heißen, womit dann die Kinder gemeint wären. Aber was braucht man schon wirklich? Das ist gerade in dieser merkwürdigen Zeit schwer zu beantworten. Am Ende brauchen wir alle Zuneigung.

Wobei der Kern des Films darin besteht, dass Ihre Figur nichts und niemanden braucht außer ihrer Arbeit und der dazugehörigen Unabhängigkeit.
Aber das funktioniert halt nicht und falls doch, ist es oft Autosuggestion. Die Weltliteratur ist am Ende voll davon, auf gar keinen Fall alleine sterben zu wollen. Das gilt also auch für dieses Drehbuch hier. Einsamkeit ist unser schlimmster Feind.

Heißt das, Silvi macht sich nur vor, ihr beruflicher Erfolg mache sie glücklich?
Absolut. Aber wer sich diese Illusion nur oft genug vorbetet, kann damit trotzdem einigermaßen zufrieden leben. Wobei ich selbst der genaue Gegenbeweis dieser These bin. Ich brauche immer möglichst viel Trubel um mich herum, je mehr, desto besser. Ich kann ganz schlecht mit mir alleine sein.

War es da schwierig, sich in so eine völlig anders gelagerte Figur, die dennoch sehr der Realität entspringt, hineinzudenken?
Überhaupt nicht, das ist ja mein Beruf. Und er wird umso schöner, je weiter die Aufgabe von mir entfernt ist.

Sie halten also nichts vom Method Acting, bei dem das Wesen jeder Figur aus dem Inneren ihrer Darstellerin geholt wird?
Daran glaube ich überhaupt nicht. Für mich ist das einfach nichts.

Meinen Sie, die Rolle der Silvi hätte ebenso gut Silvio sein können, also ein Mann?
Tja. Muss ich kurz nachdenken. Ich finde schon. Warum sollte es nicht funktionieren?

Weil Autonomiebestreben, Bindungsunfähigkeit, Berufsfokussierung trotz aller Emanzipation bei Männern immer noch als Regelfall gilt, bei Frauen hingegen als Ausnahmezustand, der sich generell besser fürs Dramatisieren eignet.
Können Sie das nicht einfach genau in den Worten als meine Antwort verkaufen (lacht).

Ist Silvi demnach eine Emanzipationsverliererin?
Auf keinen Fall! Weil ich nicht finde, dass die Emanzipation Verliererinnen hervorbringt, niemals. Gleichstellung schafft ausschließlich Gewinnerinnen, selbst wenn hier nicht alles rundläuft. Ich glaube, Silvi sucht auch nach Geborgenheit, hat aber einfach keinen Bock auf klassische Familienkonstellationen. Bis die Kinder zu ihr gekommen sind, hat sie sich eben genauso wenig Gedanken über so etwas gemacht wie ich, die fast in einer Art Matriarchat lebt. Aber Moment, nee, das wird mir jetzt zu privat …

Eine Privatfrage drängt sich bei Ihrer Herkunft aber trotzdem auf: Silvi ist durch einen Vater geprägt, der extrem viel von seinen Töchtern erwartet. Kennen Sie diesen Druck als Schauspielerin mit dem Namen Hörbiger auch?
Bestimmt. Wobei meine Eltern, die ja leider schon beide tot sind, mit dem Beruf der anderen Hörbigers wenig zu tun hatten. Die Leute haben da definitiv genauer bei mir hingeguckt als bei anderen ohne derart bekannten Namen. Aber davon habe ich mich mittlerweile befreit.

Befreiung klingt nach Ketten. War der Name Hörbiger eher Hilfe oder Hindernis?
Letzteres. Als Hilfe habe ich ihn nie empfunden. Deshalb hat ja auch mein Vater frühzeitig mit dem Schauspiel aufgehört. Immer dann nämlich, wenn ein sehr großer, dunkelhaariger Mann gesucht wurde, der sehr kurze, sehr steife Sätze sagen sollte, könnte das mein Vater gewesen sein. Er konnte sich einfach nie aus dem Schatten seines eigenen, sehr genialen Vaters Paul Hörbiger befreien und hat deshalb lieber ein paar Clubs und Diskotheken eröffnet.

Auch ein ziemlich schillerndes Teenagerleben.
Ich fand’s in der Tat richtig cool.

Haben Sie deshalb nach der Schauspielschule ein Weilchen in der Videothek gearbeitet?
Das lag vor allem daran, dass ich aus den falschen Gründen Erfolg im Film hatte – weil ich jung war und gut aussah. Mir war hingegen die Ernsthaftigkeit des Theaters von Beginn an wichtiger. Also musste ich mich erst mal kurz neu konzentrieren und sortieren. Daher die Auszeit.

Aber jetzt sind Sie mit der Mischung aus Film und Theater glücklich?
Ja.

Jan Freitag

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