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Medien: Kanzler und Kandidat: Das Fernsehduell - ein Traum?

Es war geradezu ein Jauchzen, das durch die Redaktionsstuben der Zeitungen und der Fernsehanstalten ging. Endlich war ein, wenn auch noch trübes Licht am Ende eines Kanals der Langeweile zu entdecken.

Es war geradezu ein Jauchzen, das durch die Redaktionsstuben der Zeitungen und der Fernsehanstalten ging. Endlich war ein, wenn auch noch trübes Licht am Ende eines Kanals der Langeweile zu entdecken. Journalistinnen und Journalisten, die sich wochenlang den Kopf darüber zerbrochen hatten, wie man acht Monate lang den Leser und den Zuschauer für den Bundestagswahlkampf interessieren könne, sahen plötzlich einen Lichtstrahl am Horizont: Das "Fernsehduell" zwischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem Herausforderer aus den bayerischen Bergen, Edmund Stoiber. So etwas würde hohe Aufmerksamkeit finden und die Bevölkerung von den Stühlen reißen. Ihre grundsätzliche Zustimmung hätten die beiden Kontrahenten ja schon gegeben, nun gelte es nur noch die organisatorischen Vorbereitungen zu treffen und dann könne der Schlagabtausch beginnen, am besten zur günstigsten Sendezeit und mit unbeschränkter Dauer. Die Fernsehzuschauer, so hoffte man, würden die Rundfunkanstalten mit neuen Rekordzahlen bei der Sehbeteiligung in einen Taumel der Glückseligkeit versetzen und ihren Kolleginnen und Kollegen in den Zeitungsredaktionen die Möglichkeit geben, mit ungezählten Vorberichten, in umfassenden Kritiken und in Nachwürdigungen aus berufenen Federn mit großer Tiefenschärfe die Leserschaft zum gierigen Griff nach jedem Exemplar zu treiben.

Doch: Gemach, Gemach. Wir sind schließlich in Deutschland und da muss jede, wenn auch vielleicht gute Idee, erst einmal gründlich und kontrovers diskutiert werden. Und genau so ist es in den letzten Tagen geschehen: Der eine Kandidat, Edmund Stoiber, will am liebsten fast jeden Tag in den Ring steigen, er möchte mit einem Disput über die Arbeitslosigkeit beginnen, weil ihm bei diesem Thema Pluspunkte sicher sind. Der andere Bewerber, Gerhard Schröder, hat nur zwei Fernsehduelle im Auge, eins im August und das andere kurz vor den Wahlen am 22. September. Der Kanzler hofft, dass sich bis dahin die wirtschaftliche Lage beruhigt hat und Stoiber bis dahin so viele Fehler begeht, das ihm die Fahne des Siegers in die griffbereiten Hände fällt. Und die Rundfunkanstalten haben, wie es ihre Art ist, erst einmal einen kräftigen Krach darüber angefangen, auf welchen Kanälen das Duell ausgestrahlt werden soll - auf denen der öffentlich-rechtlichen Sender oder denen der privaten Konkurrenten, die etwas überraschend für sich in Anspruch nehmen, auch über politische Kompetenzen zu verfügen.

Der dritte Widerspruch kommt aus der politischen Ecke, genauer gesagt von den kleineren Parteien. Sie verweisen mit guten Gründen darauf, dass in Deutschland nicht ein Kanzler bei den Bundestagswahlen gewählt wird, sondern eine Partei, die in jedem Fall auf einen Koalitionspartner angewiesen ist, wenn sie den neuen oder auch alten Regierungschef stellen will. Ein Disput zwischen beiden Heroen würde den kleineren Parteien Schaden zufügen und ihre Erfolgschancen mindern. So mag es nicht wundern, dass die Liberalen schon in einem ersten Schnellschuss angekündigt haben, sie würden notfalls das Bundesverfassungsgericht anrufen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie erfolgreich eine gerichtliche Klage sein kann. Und dann ist der Traum von einem Zwei-Männer- Duell sehr schnell verflogen.

Was wir jetzt erleben, ist eine Art von Probelauf zwischen Schröder und Stoiber. Der Kanzler war Gast bei Maybrit Illner in der Sendung "Berlin Mitte" im ZDF. Dort lief er zu großer Form auf, jedenfalls immer dann, wenn er seine gut einstudierte Rolle als weltweit anerkannter Staatsmann spielte. Dabei vergaß er auch nicht, sich als gütiger Landesvater zu geben, der voller Mitgefühl mit den ärmeren Bevölkerungsschichten ist. Heute - am Sonntagabend - hat Edmund Stoiber die Möglichkeit zu kontern, er ist der einzige Gast bei Sabine Christiansen in der ARD. Die Illner hat eine gute Vorlage mit Wissen, Charme und kritischen Fragen gegeben, die Christiansen muss aufholen, um endlich die böse Kritik zum Schweigen zu bringen, sie zeige sich in letzter Zeit eher als eine "Knutschkugel" denn als politische Journalistin. So scheinen sich die Zuschauer eher für den Auftritt der beiden Moderatorinnen zu interessieren als für die klugen Argumente des Kanzlers und seines Herausforderers. Aber es gibt noch etwas anderes, was die Hoffnung auf eine knallharte Kontroverse trübt. Es sind die Erfahrungen der Vergangenheit. Ein Spitzenduell hat es im deutschen Fernsehen noch niemals gegeben. Helmut Kohl lehnte in seiner langen Zeit als Bundeskanzler jedes solcher Streitgespräche ab, es war für ihn außerordentlich widerwärtig, sich mit einem gegnerischen Kläffer auseinandersetzen zu müssen. So wurde der Streit dann in den Bundestag verlagert, dort standen die Lager fest, es konnte noch so kümmerlich sein, was die Wortführer von Rechts und Links zu sagen hatte, ihnen war rauschender Beifall genau so gewiss wie wütendes Zischen und herabwürdigende Zwischenrufe. Die Sender waren deshalb auf die Idee gekommen, so genannte "Elefantenrunden" zu veranstalten, an denen Spitzenvertreter aller Parteien teilnehmen durften, um ihre Argumente vorzutragen. Selbstverständlich mit der Uhr im Genick, es sollte auch in der Zeit sehr ausgewogen zugehen. Das war die Hauptaufgabe jedes Moderators, Lob und Tadel waren ihm streng untersagt.

Da hilft auch der Hinweis, dass in den USA solche Fernsehduelle vor jeder Präsidentenwahl gang und gäbe seien, nur recht wenig. Dort stehen sich stets nur zwei Männer (vielleicht später auch zwei Frauen) gegenüber, die beide Präsident werden wollen. Ob allerdings solches Wortgetümmel bei den Wählern einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, ist zumindest umstritten, Äußerlichkeiten hinterließen einen stärkeren Eindruck als überzeugende Pläne. Richard Nixon, so erzählt man sich, habe dadurch seine Wahlchancen vermindert, weil er unrasiert und in schlechter Laune gewesen sei, seine Nachfolger Bush und Al Gore verbreiteten, wenn man Zynikern glauben darf, gähnende Langeweile, jedes Baseballspiel so hieß es, sei viel aufregender gewesen. Und das, obwohl die beiden Widersacher von ganzen Heerscharen auf den Disput vorbereitet worden seien, von politischen Beratern wie von Schauspielern und Maskenbildnern. So gibt es trübe Erfahrungen, was den Sinn und den Erfolg von Fernsehduellen angeht. Wenn es tatsächlich zu den Wortgefechten kommt (was ich nicht glaube), müssen sich die beiden Spitzenpolitiker schon sehr anstrengen, wenn sie Eindruck schinden wollen und nicht nur Parteifreunde zu überzeugen gedenken. Dann müssen sie schon überraschende Aktionen planen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass ein mehrstündiger Hahnenkampf die Massen in ihre Reihen treibt. Der Erfolg oder das Gegenteil wird weder durch ein geschmeidiges Lächeln, ein Stirnrunzeln oder einen Wutausbruch erreicht. Argumente und zielsichere Absichtserklärungen, meine beiden Herren, sind auch im Medienzeitalter das beste Konzept.

Claus Hinrich Casdorff

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