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Medien: Kritik ist tödlich

Von Sebastian Drews Neun Jahre Gefängnis und Folter musste der syrische Journalist Nizar Nayyuf ertragen. Im vergangenen Jahr wurde er freigelassen, er lebt jetzt im Exil.

Von Sebastian Drews

Neun Jahre Gefängnis und Folter musste der syrische Journalist Nizar Nayyuf ertragen. Im vergangenen Jahr wurde er freigelassen, er lebt jetzt im Exil. Seine Familie bekommt die Folgen seiner kritischen Berichte noch immer zu spüren. Die syrischen Behörden setzen sie unter Druck, um Nayuff den Mund zu verbieten. Fälle wie dieser passieren immer wieder. Nur selten erregen sie öffentlich Aufmerksamkeit. Vielleicht, weil Syrien so weit weg ist. Doch Verstöße gegen die Pressefreiheit finden auch in Europa statt.

Einmal im Jahr trägt die Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG) diese Fälle zusammen und veröffentlicht sie – immer am 3. Mai, dem „Internationalen Tag der Pressefreiheit". Der Tag erinnert an die Erklärung von Windhuk. 1991 arbeiteten darin afrikanische Journalisten eine Grundsatzerklärung mit der Forderung nach freien und unabhängigen Medien aus. Seitdem soll immer am 3. Mai der im Kampf um die Pressefreiheit gebrachten Opfer gedacht werden. Ziel ist es, öffentlichen Druck auf diejenigen Staaten auszuüben, die ihren Bürgern das Grundrecht auf Pressefreiheit verwehren, erklärt die Organisation. Dennoch häufen sich die Verstöße Jahr für Jahr. 700 Seiten umfasst der Bericht für das Jahr 2001.

„Es ist unsere Hauptaufgabe, die Weltöffentlichkeit zu maximalem Schutz von Journalisten aufzufordern und Krieg führenden Parteien bewusst zu machen, dass Journalisten keine Kriegsgegner, sondern Zivilisten sind", sagt Michael Rediske, Vorstandssprecher der deutschen Sektion von Reporter Ohne Grenzen.

Nach Angaben der RoG hat die Pressefreiheit 2001 einen Rückschlag erlitten. Die Zahl der Angriffe auf Journalisten ist 2001 im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent auf 716 gestiegen, 489 wurden wegen ihrer Veröffentlichungen eingesperrt: Das entspricht einem Anstieg um 60 Prozent im Vergleich zu 2000. 31 Journalisten wurden getötet.

Gerade für Reporter, die aus Krisengebieten berichten, sei es lebensnotwendig, für entsprechende Sicherheit bei der Arbeit zu sorgen, sagt Michael Rediske. In einer Charta fordert RoG daher: „Medien müssen größte Verantwortung für ihre Leute in Krisengebieten übernehmen." Beispiel Israel: Dort sei offensichtlich auch gezielt auf Journalisten geschossen worden, sagt Rediske. Eine sorgfältige Auswahl der Journalisten, genügend Geld für eine gute Schutzausrüstung wie schusssichere Westen und gepanzerte Fahrzeuge sind zwingend notwendig, fordert die RoG. So hat die ARD nach dem Tod des freien „Stern“-Reporters Volker Handloik in Afghanistan eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit besserem Schutz für ihre Mitarbeiter befasst. Doch das Problem seien weniger die großen Medien, die bereits viel für den Schutz ihrer Reporter tun, so Rediske. Schuld sei auch der berufliche Druck, der auf den Journalisten lastet: „Oft sind es junge Freelancer, die sich in Krisenregionen auf eigene Faust die ersten Sporen verdienen wollen. Mit möglichst spektakulären Bildern versuchen manche, sich gegen Konkurrenten durchzusetzen".

Aber nicht nur in Krisengebieten ist die Presse- und Meinungsfreiheit gefährdet. Obwohl in fast allen Ländern der Erde das Recht auf freien Zugang zu Informationen per Verfassung garantiert wird, bestimmen in Ländern wie China, Kuba, Laos, Nordkorea und Vietnam die herrschenden Parteien, was veröffentlicht wird. Und nicht nur in diesen Einparteiensystemen werden die Medien durch die Regierung kontrolliert. Auch Syrien und Irak, Diktaturen wie Birma, Tunesien und Saudi-Arabien stehen im Ruf, die Pressefreiheit einzuschränken.

Ein Ausweg ist das Internet, das sich der Kontrolle weitgehend entzieht. Dadurch wird es zunehmend schwerer, den Fluss der Information zu behindern. „Das Internet ist die Waffe derer, die keine konventionellen Medien wie Rundfunk oder Presse zur Verfügung haben", sagt Michael Rediske.

Zurück nach Europa: „Parteien und Regierungen haben auch hier die Medien im Griff, vor allem im Rundfunkbereich", sagt der Vizepräsident der Internationalen Journalisten-Föderation, Gustl Glattfelder. So wurde im vergangenen Jahr beim G8-Gipfel im italienischen Genua ein Mensch getötet, zahlreiche weitere wurden verletzt. 19 davon waren Journalisten. Außerdem ist Silvio Berlusconi nicht gerade dafür bekannt, sich um die Unabhängigkeit der Presse verdient zu machen. Mittlerweile kontrolliert Italiens Regierungschef neben dem privaten Fernsehen auch die staatliche Fernsehanstalt RAI.

Gefahr für Reporter besteht daneben in Spanien und Nordirland. Schuld sind dort nicht die Regierungen, sondern Rebellenorganisationen: gewalttätige Aktivisten in Nordirland und die baskische Untergrundorganisation ETA .

Für Reporter ohne Grenzen besteht das Problem darin, dass Journalisten immer häufiger nicht mehr als unabhängige Berichterstatter gesehen werden: „Kriegsparteien denken immer öfter: Wer nicht für uns ist, ist unser Feind!“

Der komplette Report im Internet:

www.reporter-ohne-grenzen.de

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