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Sandra Maischberger ließ ihre Gäste am Dienstag über die Macht der Sekten diskutieren.

© dpa

Maischberger in der ARD: Ein Albtraum aus Unterdrückung und Gewalt

Vergewaltigt, geschlagen, in den Selbstmord getrieben: Um die gefährliche Macht von Sekten und das Leid ihrer Opfer ging es in der Talkrunde von Sandra Maischberger. Eine tiefsinnige Sendung ohne Boulevard.

Der Fall Doris Wagner. Eine junge Katholikin. Streng gläubig. Sie will „Braut Christi“ werden. Tritt in eine katholische Ordensgemeinschaft ein. Und erlebt einen mit der Zeit immer stärker werdenden Verlust ihrer Persönlichkeit. Sie wird kontrolliert. Der Kontakt zu den Eltern ist verboten. Manipulation. Für Doris Wagner verhält sich nicht die Ordensgemeinschaft falsch, sie sucht die Fehler bei sich selbst. Schmerzlicher Endpunkt: Doris Wagner wird von einem Priester vergewaltigt.

Der Fall Christian Reip. Ein jetzt 22-jähriger Mann wächst in der christlichen Sekte „Zwölf Stämme“ auf. Seine Kindheit – eine unendliche Folge von Schlägen. Die Begründung - folgender Bibelspruch: „Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn, wer ihn aber liebt, der züchtigt ihn beizeiten.“

Der Fall Pia Burger. Die Krankenschwester und Mutter dreier Kinder gerät in die Fänge eines esoterischen Gurus. Irgendwann ist Pia Burger davon überzeugt, das Gott durch den Guru mit ihr spricht. Irgendwann ist sie überzeugt, das sie die Inkarnation von Petrus sei. Ein Vermögen geht drauf für die ganzen Seminare. Das Ende nach drei Jahren – Selbstmord. Der Mann von Pia Burger, Joachim Huessner, ist davon überzeugt, dass der Guru das Leben seiner Frau zerstört hat.

Sandra Maischberger beweist Geduld und lässt auch umständliche Antworten zu

Sandra Maischberger wird oft von ihrer Redaktion mit viel zu vielen Gesprächspartnern und zu viel menschlichem Schicksal überhäuft. Dann muss Maischberger durch die Sendung hetzen. Und jeder Gast kann gerade mal ein paar Sätze von sich geben. In der Sendung "Wenn Glauben gefährlich wird: Die Macht der Sekten" kann sie endlich wieder einige ihrer Stärke beweisen. Einfache, klare Fragen. Und die Geduld, auch lange und umständliche Antworten zuzulassen.

Talks über Sekten – oft nervt schon die in der Fragestellung erkennbare Eindeutigkeit. Sekten sind bedrohlich, gefährlich, bösartig. Natürlich. Andererseits besteht Religionsfreiheit. Und die Neutralität des Staates in weltanschaulichen Dingen. Wenn schon von Anfang an alles verteufelt und verurteilt wird, dann kann man nicht wirklich verstehen, warum eine große Anzahl von Menschen ihr Heil in Sekten sucht.

Unmittelbar Betroffene wie Christian Reip haben Probleme mit dieser intellektuellen Differenzierung. Völlig nachvollziehbar. Er war 18 Jahre lang gefangen in diesem Alptraum aus Unterdrückung und Gewalt. Unverschuldet. Schon seine Eltern waren Mitglieder der Sekte „Zwölf Stämme“. Man merkt seine innerliche Wut , seinen Hass. Um so bedauerlicher, dass der Rechtsanwalt der „Zwölf Stämme“, Michael Langhans, kurz vor der Sendung gekniffen hat. Auf der Homepage war er noch als Gast angekündigt.

Sabine Riede, Geschäftsführerin der „Sekten-Info Nordrhein Westfalen“ und Gary Lukas Albrecht, Sektenbeauftragter der Katholischen Kirche. Beide einfühlsam und kompetent. Pfarrer Lukas entschuldigt sich sogar bei Doris Wagner für das erlittene Unrecht. Diese Entschuldigung, kein emotionsloses Medienritual, sondern ein Bekenntnis zur Schuld. Schade, dass Doris Wagner nicht den Namen der Ordensgemeinschaft nennen will. Und gut, dass der Katholik Gary Lukas Albrecht nicht in Sippenhaft für die Katholische Ordensgemeinschaft genommen wird. Fazit: Eine tiefsinnige Sendung. Kein boulevardeskes Ausschlachten von Schicksalen. Ein schönes Highlight der noch jungen Talkwoche.

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