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Auch die Brexit-Kapriolen führen zu News-Überdruss.

© dpa

MEDIA Lab: Depressionen, Ohnmacht

Die Zahl der Nachrichten-Abstinenzler steigt, wie neueste Umfragen belegen. Warum eigentlich?

Immer mehr Mediennutzer verweigern sich dem Nachrichten-Konsum. Dies zählt zu den spannenderen Erkenntnissen des Digital News Report, den das Reuters Institut der Universität Oxford jährlich vorlegt. Inzwischen sind es im Durchschnitt schon 32 Prozent der Befragten aus 38 Ländern, in denen die beteiligten Forschungspartner Daten erheben. Das sind drei Prozentpunkte mehr als vor zwei Jahren. Deutschland belegt mit 25 Prozent einen hinteren Platz. Auch dieser Wert ist für eine Demokratie alarmierend, deren Wohlergehen auch von einer informierten Wählerschaft mit abhängt.

In Großbritannien ist die Zahl der Verweigerer um elf Prozentpunkte gestiegen, mutmaßlich „angetrieben von Langeweile, Wut oder Traurigkeit“ über die Brexit-Kapriolen, so Antonis Kalogeropoulos vom Reuters Institute. Spitzenwerte im Ranking der Nachrichtenabstinenz belegen Kroatien und die Türkei mit 56 und 55 Prozent, eine sehr hohe Rate haben mit 41 Prozent auch die USA. Die eifrigsten News-Konsumenten in Europa befinden sich in Dänemark und Finnland. Dort gibt es 15 und 17 Prozent News-Abstinenzler.

Die Forscher spürten ein Jahr zuvor auch den Gründen für das Phänomen nach: Knapp die Hälfte der Befragten gaben negative Auswirkungen auf ihre Laune an, 37 Prozent meinten, sie könnten sich nicht auf die Nachrichten verlassen. Auch diese Werte variieren stark von Land zu Land. In Polen beklagten die meisten Befragten die Einseitigkeit und die Unzuverlässigkeit der Nachrichten.

In Großbritannien und den USA waren es mit 60 sowie 57 Prozent weit mehr als die Hälfte der Verweigerer, die sich ihre Stimmung nicht durch „bad news“ verderben lassen wollten. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, weshalb viele von uns es dem Vogel Strauß gleichtun. 39 Prozent der Befragten gaben laut Digital News Report zu Protokoll, die Medien würden zu negativ berichten. Joshua Benton vom Nieman Lab der Harvard University sagt, es solle Journalisten nicht wundern, wenn sich die Nutzer gegen sie entschieden, schlichtweg, weil „Nachrichtenkonsum stresst, weil er Angst, Depressionen sowie Ohnmachts- und Erschöpfungsgefühle“ erzeugt.

Stephan Russ-Mohl

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