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Medien: Medienrepublik (65)

Matthias Kalle sieht Journalisten zu, wie sie auf andere Journalisten schießen Es war kurz vor Silvester, da sagte ein Freund – zufällig auch Journalist – , dass er den Jahreswechsel mal nicht unter Kollegen verbringen wolle, sondern unter, nun ja, „normalen Menschen". Normale Menschen?

Matthias Kalle sieht Journalisten zu,

wie sie auf andere Journalisten schießen

Es war kurz vor Silvester, da sagte ein Freund – zufällig auch Journalist – , dass er den Jahreswechsel mal nicht unter Kollegen verbringen wolle, sondern unter, nun ja, „normalen Menschen". Normale Menschen? Wer soll denn das sein? Gerade als Journalist ist man bereits nach einem Jahr Berufsausübung desillusioniert ob der Frage der Normalität, denn man bekommt den Eindruck, dass sich der Großteil der Menschheit aus Halbwahnsinnigen, Spinnern und Vollidioten zusammensetzt. Oder sind das auch nur die, mit denen man arbeitet? Das Leben ist ja meist höllisch kompliziert.

Für die Leser des Magazins „Focus“ hingegen, ist das Leben einfach – ihre Lektüre hilft ihnen durch den Dschungel der Welt; Listen und Fakten bieten Orientierung. Der, der sich das Ganze ausgedacht und vor zehn Jahren an die Kioske gebracht hat, heißt Helmut Markwort und am Donnerstag wurde Markwort in einem Interview in der „Zeit“ gefragt, ob er Freunde in der Branche habe. Seine Antwort: „Je mehr man in der Öffentlichkeit steht, desto mehr wird man zum Einzelgänger. Mit den wenigen Journalisten, mit denen ich auch privat befreundet bin, arbeite ich nicht zusammen.“ Privat ist Markwort, auch das verrät der Mann des Rampenlichts, mit Mitgliedern eines Tennisclubs befreundet, die brachten ihn auf die Idee, eine Ärzteliste ins Blatt zu nehmen. Markwort: „Die meisten Journalisten interessieren sich zu viel für Journalisten. Alle wollen gelobt werden, am liebsten von der ,Süddeutschen’, das gilt als schick."

Es gibt aber immerhin einen Journalisten in Deutschland, dem ist das Lob der „Süddeutschen“ richtig schnuppe: Der passionierte Briefverfasser Franz Josef Wagner schrieb an Silvester in „Bild“, die „Süddeutsche Zeitung“ sei die „Flasche des Jahres“, denn sie sei „gewollt, eitel, selbstgerecht.“ Dabei beließ er es nicht, am Donnerstag legte er nach, die „SZ“ berichte „hämisch und glucksend“ über eine angebliche Ehrkrise des Kanzlers und wie die Boulevardblätter damit umgehen. Am Freitag dann bekam Wagner endlich mal Post zurück, Hans Leyendecker schrieb in der „SZ“ an den Kolumnisten und schloss mit dem Satz: „Denn wir möchten auch im neuen Jahr nicht so denken, wie sie schreiben.“ Was wird als nächstes passieren? Kann es noch zur Versöhnung kommen? Kaum. Gerd Bucerius, verstorbener Verleger von „Stern“ und „Zeit, sagte einmal: „Auf diesem Markt ist nicht Kooperation die natürliche Lösung, sondern Mord.“ Wie hieß noch dieser Film von François Truffaut aus dem Jahr 1960? „Schießen Sie auf den Journalisten"? Ne, Quatsch: auf den Pianisten! Klavierspieler – die sind nämlich wirklich nicht normal.

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