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Medien: Monica im Macholand

Immer wieder haben Frauen es versucht. Aber Fußball-Moderation blieb Männersache. Bis Monica Lierhaus kam

Natürlich gab es Zeiten, in denen sie am liebsten losgerannt wäre. Einfach raus, weg, irgendeine Hintertür nehmen und verschwinden von dieser gnadenlos großen Leinwand, die Fernsehen heißt und auf der keine Bewegung unbemerkt bleibt. Bei „ran“ hatte sie solche Fluchtreflexe, zumindest vor der ersten Sendung, bei Premiere gab es sie, und auch diesmal, vor dem nächsten großen Anlauf, muss sie wieder so einen Augenblick erlebt haben, in dem sie kurz ins Zweifeln geriet.

Na ja, also, eigentlich, nein, sagt Monica Lierhaus, wenn man sie fragt, ob sie gezögert hat, Moderatorin der „Sportschau“ in der ARD zu werden. Wer würde schon Nein sagen zu so einem Angebot, zu einem so großen Publikum, zu einem Job als Frontfrau der bekanntesten Sportsendung der Republik? Nein, sie freue sich sehr, sagt sie, und dann zeigt sie dieses makellose Fernsehlächeln, das so gut rüberkommt auf dem Schirm und das Gesprächspartnern im wirklichen Leben manchmal das Gefühl gibt, die echte Lierhaus verstecke sich woanders, irgendwo dahinter.

Donnerstagnachmittag, ein vornehmes Café im Grunewald, Monica Lierhaus ist pünktlich erschienen, die Haare zu Zöpfen geflochten, in den Ohren große Silberringe. Fröhlich und entspannt sieht sie aus, eine lebhafte Frau, die gleich loslegt und ungebremst erzählt und dabei viel natürlicher wirkt als manchmal im Fernsehen. Bis sie sich plötzlich unterbricht. Nein, sagt sie, fotografieren lassen möchte sie sich eigentlich nicht, und wenn, dann bitte nur im rechten Halbprofil. Natürlich will sie auch ihre Zitate noch mal sehen, bevor sie in der Zeitung stehen, sie hat da schlechte Erfahrungen gemacht. Und vielleicht auch ein etwas anderes Bild von sich, als andere es sich gelegentlich machen.

Monica Lierhaus gehört zu den Menschen, die die Dinge nur ungern dem Zufall überlassen. Das mag damit zu tun haben, dass sie Journalistin ist und jeden Satz und jede ihrer Bewegungen immer mit einer Art innerem Taschenspiegel kontrolliert. So funktionieren Fernsehmenschen nun mal, vor allem, wenn sie noch nicht zu den Dinosauriern unter den Moderatoren gehören.

Eine Anfängerin allerdings ist sie auch nicht mehr, diese 33-Jährige, die man jedes Wochenende im Stadion Torschützen interviewen sieht oder auf hohen Hacken durchs Premiere-Studio stolzieren. Da kündigt sie die Highlights der Bundesliga an, und niemals lässt sie dabei diese großen Karteikarten los, auf die sie ihre Stichworte geschrieben hat. „Ich bin ein ziemlich akribischer Mensch, auch in der journalistischen Vorbereitung, und ich brauche Fakten an die Hand“, sagt sie. Die Sorgfalt scheint sich auszuzahlen. Lierhaus hat bei Sat 1 „ran“ moderiert, wurde Fußball-Reporterin und Moderatorin bei Premiere, und wenn sie von Januar an in der ARD-„Sportschau“ zu sehen ist, hat sie sich, so sagte sie neulich mal, eine Art „Jugendtraum“ erfüllt.

Stimmt das wirklich? Hat Monica Lierhaus schon immer davon geträumt, den Kerlen auf dem Rasen ihre Laufbahn zu widmen? Hat sie jemals im Stadion gegrölt, mit ihrer Lieblingself um den Pokal gefiebert und diese schweißnasse Leidenschaft entwickelt, die Fußball zum Glaubensbekenntnis macht? Doch, sagt sie, ein „Grundinteresse“ war immer da, am Sport sowieso und am Fußball mindestens, seitdem sie ein Teenager war. Monica Lierhaus ist die jüngste Tochter eines Hamburger Rechtsanwalts und stammt aus einer Familie, in der alle Kinder Leistungssport getrieben haben. Viermal die Woche war sie zum Training auf dem Platz, auf dem Tennisplatz. Natürlich hat sie damals auch Breitner und Beckenbauer gekannt und all die Helden der „alten“ Fußballnationalmannschaft. Aber ihre eigenen Ikonen, die sie in stundenlangen Fernseh-Sitzungen verehrte, hießen John McEnroe oder Jimmy Connors, „diese Kampfmaschine, der strotzte vor Kraft und Ausstrahlung“. Heute, sagt sie lakonisch, gebe es ja leider „kaum noch Helden“, und im Sport seien „echte Typen“ vom Aussterben bedroht.

Wie sie das meint, möchte man da wissen, und ob sie sich auch oft ärgert über lahme Leichtathleten oder die „Schlaffis“ aus der Völler-Elf. Monica Lierhaus aber ist diplomatisch genug, ihre künftigen Interview-Partner nicht zu vergraulen. Nein, sie wird hier nur Diplomatisches äußern. „Tennis war meine erste Liebe“, sagt sie, „Fußball ist meine große.“ Dass es die erste Liebe war, die sie stärker geprägt hat, das leugnet Monica Lierhaus gar nicht, und dann erzählt sie diese Geschichten vom Tennis und von ihrer älteren Schwester, die zu Hause immer im Mittelpunkt stand, die Tennis spielte wie sie und für die sogar eine Profi-Karriere in Frage kam. Wieder und wieder hat die Ältere die Jüngere besiegt, und auch, wenn Monica Lierhaus versichert, nie ein Konkurrenzverhältnis entwickelt zu haben. So ein Moment der Niederlage habe sie „schon gewurmt“.

Und es muss sie angestachelt haben. „Ich habe immer am meisten trainiert, weil ich am wenigsten Talent hatte“, sagt sie und lacht, es soll nicht bitter klingen. Monica Lierhaus ist nicht entgangen, dass sie als Teenager irgendwann nicht mehr auf Partys eingeladen wurde, weil sie am Wochenende so oft auf dem Tennisplatz war. Sie fing ein Studium an, ging zu Radio Hamburg, wurde Volontärin bei Sat 1, dann Reporterin und Moderatorin einer Regionalsendung. Über Kultur oder Hausbesetzer hat sie berichtet, war „politisch interessiert, aber nicht engagiert“. Bis sie sie schließlich ins Fernsehen holten. Weil sie nett anzuschauen war? Kann nicht sein, sagt sie, „ich sah fürchterlich aus, mit hochtoupierten Haaren, einfach scheußlich“.

Preußisch tugendhaft

Was ist es dann, das Betriebsgeheimnis der Monica Lierhaus? Ausstrahlung vielleicht, sagt sie, und Glaubwürdigkeit. Und diese durch und durch preußischen Tugenden, die sie aufzählt, wenn man sie nach ihren wichtigsten Eigenschaften fragt: „Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit.“ Dass hinter dieser grundsoliden Fassade eine Seele wohnt, die es manchmal zerreißt, weil Monica Lierhaus oft alles gleichzeitig und gleich gut machen will, das merken Kollegen oft erst auf den zweiten Blick. Früher, erzählt sie, hätte sie manchmal „vor Wut platzen können“, wenn in der laufenden Sendung ein Beitrag nicht kam. Heute sehe sie das etwas gelassener, Gott sei dank. Oliver Welke jedenfalls, der mit Lierhaus zusammen „ran“ moderierte und bei einer verkorksten Schalte mal reichlich Obszönes in ihr Ohr brüllte, während sie einen Sportler interviewte, kann sich an kein böses Wort aus dem Mund der Kollegin erinnern. Kein Wunder, sagt Lierhaus, sie werde eher still als laut, wenn sie sich ärgere. Wo sie aber bis heute aus der Haut fahren könnte, das ist diese immer gleiche Frage, wie sich eine Frau eigentlich durch die Männerdomäne Fußball kämpft.

Dass eine glücklose Kollegin mal Schalke 05 gesagt hat, dass Frauen bei der Sportberichterstattung vielleicht Ansagen machen und hübsch aussehen dürfen, aber fast nie Spiele kommentieren, das mag sie nicht mehr hören. Sicher, anfangs sei sie in der Branche eher geduldet worden. „Aber mittlerweile könnte sich auch der letzte Macho an mich gewöhnt haben.“ Im Übrigen habe sie bei Interviews nicht einen einzigen Spieler angetroffen, „der mich nicht ernst genommen hat“. Was sie auch daran erkennt, dass Fußballer inzwischen nur noch über Fußball reden, wenn sie die Lierhaus irgendwo treffen. Sie ist ja auch nicht die erste Frau im „Sportschau“-Studio, und wenn sie nun etwas verspätet die Nachfolge von Anne Will antritt, dann dürfte sie dabei auch im Hinterkopf haben, dass es durchaus ein Leben nach der „Sportschau" geben könnte.

Monica Lierhaus hat sich zwar schon vor einer Weile von dem Traum verabschiedet, ihr Leben mit einer Schreibmaschine zu teilen und ein Buch zu schreiben, aber ganz begraben hat sie diese Ambitionen noch nicht. „Ich würde gern anspruchsvolle Unterhaltung machen“, sagt sie, und wenn man nachfragt, was das sein könnte, erzählt sie von neuen Formaten und einem Magazin, das ein bisschen Talkshow sein könnte und ein bisschen Gala. „Show-Events mit journalistischem Hintergrund“ könnte man da einbauen, aber das ist noch alles Zukunftsmusik. Jetzt will sie erst mal hineinwachsen in die „Sportschau“. Sie freut sich, natürlich, auch auf das Lampenfieber vor der ersten Sendung. „Je größer der Druck ist“, sagt sie, „desto besser funktioniere ich.“

Monica Lierhaus tritt um 20 Uhr 15 Uhr in „Star-Quiz“ zur Bundesliga in der ARD auf.

Constanze von Bullion

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