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Jetzt nicht die Nerven verlieren! Staatsanwältin Judith Schrader (Nadja Uhl) wird von den Al-Fadi-Clanmitgliedern kritisch beäugt.

© Christoph Assmann/ZDF

TV-Drama "Gegen die Angst": Nadja Uhl im Kampf gegen Berliner Clans

Ihr halbes Leben schon bereichert Nadja Uhl das Fernsehen mit einem Mix aus Verzweiflung und Zuversicht. So auch am Montag mit ZDF-Drama „Gegen die Angst“.

Furcht fesselt! Seit das „Stahlnetz“ ab 1958 aus Straftätern Entertainer machte und ihre Untaten unterhaltsam, beherrscht diese Fernsehformel ihr Medium fast nach Belieben. Gut 60 Jahre düngt die kollektive Angst vorm Bösen also bereits ein Feld, auf dem Tag für Tag Delikte gedeihen, die jeden Tag krasser werden. Da ist serieller Ritualmord nicht nur im sonnigen Höllenloch Schweden das Mindeste, um die Zuschauer vom Umschalten abzuhalten. Vom bedrohlichsten Tätertypus ganz zu schweigen.

Erprobt in Myriaden von Mafiadramen erobert die Straffälligkeit blutsverwandter Sippen gerade den Bildschirm wie hierzulande einst Medizinerstoffe. Von „Tatort“ bis „Narcos“ spielen Filme und Serien zusehends „Im Angesicht des Verbrechens“ von ungefähr „4 Blocks“, in denen Recht und Ordnung durch all die Nidals, Astans, Hamadys oder brandneu: Al-Fadis unterwandert werden. So heißt der (wie so oft) libanesische Clan, mit dem es eine (wie so oft) toughe Staatsanwältin zwischen den Plattenbauten von (wie so oft) Berlin zu tun kriegt.

Verkörpert von Nadja Uhl, wechselt diese Judith Schrader am Montag im ZDF just dann zur Abteilung Organisierte Kriminalität, als ein Al-Fadi ihren Lover und Kollegen Jan ins Koma schießt. Zwischen privater Rührung und beruflicher Distanz, verbeißt sich die kiezansässige Staatsanwöltin fortan ins Netzwerk des Paten Mahmoud und dessen Organisierter Kriminalität. Und dass dessen Cousine Leyla bei der Polizei arbeitet, den Täter zwar kennt, aber nicht preisgibt, macht Schraders Feldzug „Gegen die Angst“, so der Sendetitel, nur verbissener. Aber auch sehenswerter. Schließlich macht Andreas Herzog nach Robert Hummels Drehbuch aus diesem Zwiespalt einen Justizthriller ohne Effekthascherei, aber mit vielfach einleuchtender Dialogregie.

In Zeitlupe durch den gentrifizierten Brennpunkt

Der abgebrühte Fatalismus von OK-Ermittler Jochen Montag (Dirk Borchardt) zum Beispiel wirkt zuweilen fast dokumentarisch, die Polizeiarbeit insgesamt eher erklärend als belehrend und das soziale Umfeld nicht fernsehgerecht drapiert, sondern meistens authentisch. Das zeigt sich bei aller Dramatik bereits zum Auftakt der 90 Minuten, wenn die Staatsanwältin in Zeitlupe durch einen gentrifizierten Brennpunkt joggt, an dem von Party bis Alltag, Hipster bis Bettler, Kids bis Gangs alles Menschliche ihren Laufweg kreuzt, ohne bloß dekorativ zu sein.

Als sie dann zurück in ihrer schicken Dachgeschosswohnung keinen Mann, sondern den Kater ruft, steht selbst der nicht für branchenübliche Bindungsunfähigkeit einsamer Helden im Kampf gegen das Böse; er ist halt einfach da, wenn sich kurz darauf das Gesäusel ihres Liebhabers Jan auf Judiths Anrufbeantworter findet, das haarscharf am Rande der Romanze schnurstracks in die Katastrophe führt. Und für diese Art sachlicher Empathie eignet sich wohl keine Schauspielerin im Land besser als Nadja Uhl.

Seitdem die Berlinerin aus Stralsund mit Wohnsitz Potsdam vor 23 Jahren – ausgerechnet – als Drogensüchtige an der Seite des bandenkriminellen Dealers Jürgen Vogel im „Polizeiruf“ den Durchbruch feierte, schafft sie es wie kaum jemand anders, innere Zerrüttung mit äußerer Würde auszutarieren. Ihr schmallippiges Lächeln, das keines ist und doch unübersehbar, machte das wahrhaftige Missbrauchsdrama „Operation Zucker“ genauso erträglich wie schwülstigen Geschichtskitsch à la „Tannbach“.

Siedepunkt auf kleiner Flamme

Dank Uhls Talent zum Siedepunkt auf kleiner Flamme, wurde die reale „Landshut“-Stewardess Gabriele Dillmann in Roland Suso Richters Dokudrama „Mogadischu“ zum aufwandreduzierten Ruhepol einer permanenten Eskalation. Und auch jetzt ersetzt sie so spielerisch Worte durch Gesten und Aufwand durch Reduktion, dass ihr Schweigen oft brüllend klingt.

Natürlich hat auch dieser Primetime-Film seine Flachwasserzonen. Von Andreas Pietschmann (Jan) über Sabrina Amali (Leyla) und Atheer Adel als Mahmoud Al-Fadi bis hin zur alterslosen Mittvierzigerin Uhl sind viele Figuren schlicht zu schön, um wahr zu sein. Abgesehen von der berlinernden Lockerheit sämtlicher Randfiguren, nervt aber vor allem das Thema. Die Masse telegener Clans legt den Schluss nah, Deutschlands Brennpunkte seien längst kriminell befreite Zonen. Selbst Nadja Uhl betonte, nach Drehschluss froh gewesen zu sein, „aus dem Moloch herauszufahren“.

Im Wissen darum, dass Berlin trotz aller Gangkriminalität noch nicht Palermo ist, gilt halt auch hier der Fernsehgrundsatz fesselnder Furcht. Dass es dafür Applaus von rechtspopulistischer Seite gibt, nehmen die Verantwortlichen dabei leichthin in Kauf. Trotzdem ist „Gegen die Angst“ ein guter, weil kluger, zwar emotionaler, doch selten pathetischer Film.

„Gegen die Angst“, ZDF, Montag, um 20 Uhr 15

Jan Freitag

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