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Medien: Österreichs Medienpolitik: Eine schrecklich nette Familie

Eine kleine Denksportaufgabe: Was würde passieren, wenn sich in Deutschland "Focus" und "Spiegel" zusammenschlössen? Die Redaktionen könnten durchaus formal eigenständig bleiben, die kaufmännischen Belange würden aber von der Muttergesellschaft betrieben.

Eine kleine Denksportaufgabe: Was würde passieren, wenn sich in Deutschland "Focus" und "Spiegel" zusammenschlössen? Die Redaktionen könnten durchaus formal eigenständig bleiben, die kaufmännischen Belange würden aber von der Muttergesellschaft betrieben. Etwas später würde diese Magazin-Holding eventuell auch noch die Verlagsgruppe Milchstraße mit "Max" und "TV-Spielfilm" übernehmen. Ach ja, und nicht zu vergessen: Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", die "Süddeutsche Zeitung" und Springers "Bild" könnten inzwischen auch schon eine geggggmeinsame Gesellschaft gegründet haben, die wiederum mit 30 Prozent an der Magazin-Holding beteiligt ist. Also: Was würde passieren?

Gar nichts wahrscheinlich, denn in Deutschland würde das allein schon aus kartellrechtlichen Gründen nicht funktionieren.

Ganz anders dagegen in Österreich. Denn in der Alpenrepublik geht in diesen Tagen genau so eine Verknüpfung über die Bühne. Und weil Österreich kleiner ist, sind die Auswirkungen noch gewichtiger.

Am vergangenen Montag verkündeten die Eigentümer der beiden einzigen österreichischen Nachrichtenmagazine, "profil" und "Format", dass die beiden in Zukunft kooperieren werden (der Tagesspiegel berichtete). Diese Kooperation hat es in sich: Der "profil"-Eigentümer ZVB (Zeitschriftenverlags-Beteiligungsgesellschaft), eine Tochter der "Kurier"-Gruppe, an der der WAZ-Konzern beinahe die Hälfte der Anteile hält, wird sich am News-Verlag beteiligen. Zum News-Verlag, an dem Gruner + Jahr 75 Prozent hält, gehört neben dem Nachrichtenmagazin "Format" auch die Info-Illustrierte "News", die einzige ernst zu nehmende österreichische Programmzeitschrift "TV-Media" und die ebenfalls einzige Internet-Postille "E-Media". Nun wachsen in diese Gruppe neben dem traditionsreichen österreichischen Nachrichtenmagazin "profil" die Wirtschaftspublikation "trend", und die Produkte der Orac-Gruppe - hochprofitable Special-Interest-Magazine wie die "Auto-Revue", das Feinschmecker-Magazin "Gusto" und der österreichische "Bravo"-Verschnitt "Rennbahn-Express".

An der neuen Gesellschaft hält G + J in Zukunft 51 Prozent, die "Kurier"-Tochter ZVB 30 Prozent; der Rest gehört der Familienstiftung der "News"-Gründer Wolfgang und Hellmuth Fellner.

Die Oberhoheit über alle kaufmännischen Belange, also das Anzeigengeschäft, das Marketing und die jeweiligen Redaktions-Etats, behält die News-Gruppe. Die Chefredakteure und Herausgeber von "profil" und "trend" darf aber nur der Minderheits-Eigentümer ZVB ein- und wieder absetzen.

Medien-Österreich ist wegen dieser versteckten Fusion aus dem Häuschen, vor allem, weil die News-Gruppe nun ein Monopol auf die Magazin-Berichterstattung hat. Und darüber hinaus sind über die ZVB auch noch die wichtigsten Tageszeitungen des Landes mit der Gruppe verbunden. Der "Kurier", größte österreichische Qualitätszeitung, bildet wiederum mit der "Kronen-Zeitung", dem gemessen an der Einwohnerzahl größten Boulevardblatt der Welt, eine gemeinsame Vertriebsgesellschaft namens Mediaprint. Die Linie der beiden Blätter wurde schon jetzt weniger von den Redaktionen als vielmehr von der Mediaprint vorgegeben - und dabei vor allem von "Krone"-Gründer und -Chefredakteur Hans Dichand.

Nun fürchten österreichische Medienexperten, dass durch die Fusion am Magazinmarkt die Monopolisierung der Medienlandschaft munter weitergeht: Oscar Bronner etwa, der vor 30 Jahren "profil" gründete und nun die Tageszeitung "Der Standard" herausgibt, wird "schummrig, wenn ich mir anschaue, was da entsteht. Die Gruppe hat ein Monopol am Magazinmarkt, die Tageszeitungen kontrollieren sie auch beinahe." Die Politik, sagt Bronner, wird "sich mit der Gruppe arrangieren müssen."

Österreichs Medienpolitiker hingegen geben sich zugeknöpft. "Was sollen wir machen", fragt einer aus dem Umfeld des bürgerlichen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel: "Wenn der Markt so ist, dann ist er halt so." Der Markt war schon 1988 so, als "Krone" und "Kurier" zur Mediaprint zusammengingen und die damalige Koalition aus SPÖ und ÖVP nur mit den Schultern zuckte. Damals gab es in Österreich noch kein Kartellrecht. An der aktuellen Version, die 1993 vom Wiener Parlament verabschiedet wurde, arbeiteten die Anwälte der Mediaprint mit. "Also wird es auch diesmal kein Eingreifen der Kartellbehörde geben", sagt ein Mitglied der grünen Parlamentsfraktion.

Dass die Wiener Politiker nicht lauthals gegen den neuen Monopolisten wettern, liegt auf der Hand: Sie fürchten, von der geballten Medienmacht aus dem Hause Fellner/Dichand dann durch den Kakao gezogen zu werden. Also sagt sogar der ansonsten sehr streitbare Klubchef der SPÖ-Fraktion im Parlament Peter Kostelka: "Was sollen wir als Opposition dazu sagen? Das ist Sache der Regierung."

Und die Regierung - alias Kanzler Wolfgang Schüssel - scheint kein Problem mit dem Zusammenschluss zu haben. Ein Grüner: "Für Schüssel ist das sogar von Vorteil, denn es spart Kosten. Bisher musste er immer mit den Chefs von zwei Konzernen zu Abend essen, wenn er die Zustimmung der Medien für seine Politik wollte. Nun reicht einmal Essen auf Spesen."

Wolfgang Schüssel hatte sich in seiner Zeit als Vizekanzler stets darüber beschwert, dass es in Österreich nur einen einzigen Fernsehsender gab - Schüssel bezeichnete das gerne als "albanische Zustände". Ob sich daran etwas ändert, liegt an Schüssel selbst. Im kommenden Jahr wird die Lizenz für eine zweite überregionale Fernsehkette in Österreich vergeben. Beworben dafür hat sich die "Kronen Zeitung." Insidern zufolge soll sie die Lizenz kriegen.

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