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Längst nicht mehr zweite Wahl. Melissa Khalaj hat sich bei ProSiebenSat 1 durchgebissen und moderiert jetzt Primetime-Sendungen. Foto: ProSiebenSat 1

© ProsiebenSat1

Sat-1-Moderatorin Melissa Khalaj: Vom Himmel kommt nichts geflogen

Meinungsfreudig und konterfähig: Melissa Khalaj macht bei ProSiebenSat 1 Furore – und Karriere.

Mit Senf gefüllte Schokoküsse essen, Wasser mit einem Putzlappen aufnehmen oder Eisblöcke durch Rubbeln am Körper zum Schmelzen bringen – hört sich aufregend an? Wenn an diesem Freitag im Vorfinale der Sat-1-Show „99 – Eine:r schlägt sie alle“ die verbliebenen 50 Kandidatinnen und Kandidaten in solch speziellen „Disziplinen“ um 99 000 Euro Siegprämie wetteifern, wird eine Beteiligte am Rande des Spielgeschehens wieder alles geben, um den Puls des TV-Publikums nach oben zu treiben: Melissa Khalaj.

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Die Wahl-Berlinerin, 1989 im bayerischen Dachau in eine iranische Familie hineingeboren, ist die Neue bei „99“. Musste sich Gastgeber Florian Schmidt-Sommerfeld in der ersten Staffel noch an Johanna Klum als Ko-Moderatorin gewöhnen, sitzt mittlerweile Khalaj mit ihm in der Kommentatorenkabine, um die Spielereien Statlerandwaldorf-mäßig zu begleiten. Mit ihrem Talent für schlagfertige Konter ist sie genau richtig dort und nicht ohne Grund in der Sat-1-Primetime die derzeit meistbeschäftigte Moderatorin – wenn auch mit einem klitzekleinen Makel.

Melissa Khalaj scheint immer erst dann zum Zug zu kommen, wenn jemand bei Sat 1 nicht kann oder nicht mehr will. Bei der Spielshowfortsetzung von „99“ soll nicht mehr Johanna Klum moderieren? Aus Klum wird Khalaj. Luke Mockridge kann (oder darf?) bei seiner eigenen Musikshowproduktion „All Together Now“ nicht vor die Kamera? Khalaj kann. Lena Gercke will sich lieber um ihre Modelinie kümmern als um aufgelöste Wannabees bei „The Voice of Germany“? Khalaj übernimmt, am 19. August geht's los mit der zwölften Staffel.

[„99 – Einer schlägt sie alle“, Sat 1, Freitag, 20 Uhr 15]

Man würde der 33-Jährigen nicht gerecht werden, bezeichnete man sie bloß als zweite Wahl. Passender ist: die bessere Wahl. Denn nur wenige Moderatorinnen haben es im Unterhaltungsgewerbe besser drauf, die richtigen Worte auch in den unmöglichsten Situationen mit Schärfe, aber dennoch charmant zu wählen so wie Khalaj.

So bereitet sie bereits seit 2014 mit Jochen Bendel das Container-Geschehen von „Promi Big Brother“ mit einer derart leichtfüßigen Ernsthaftigkeit nach, dass die gemeinsame Late-Night-Show bei Trash-TV-Fans die Kultstufe erreicht hat. Der „Jochen“" und sie, sagt Melissa Khalaj, hätten „einen guten Tonus gefunden“, um mit all den Streitigkeiten und verbalen Aussetzern, die zu einer Reality-Show dazugehören, umzugehen: „Es mag nicht jedem gefallen, wie offen wir unsere Meinung sagen, aber wir stehen dazu.“

Meinungsfreude

Ihre Meinungsfreude und Konterfähigkeit hatte Khalaj bis dato bei dem Nischensender Joiz kultiviert. Das war jenes neuartige, weil interaktive Social-TV aus der Schweiz, das auch in Berlin das Fernsehen revolutionieren wollte und für das die ausgebildete Fremdsprachenkorrespondentin (Englisch und Spanisch) nach etlichen Redaktionspraktika 2013 die Koffer in Bayern packte.

Noch heute schwärmt Khalaj vom „Pioniergeist“ und davon, dass „alle Bock hatten“, die Lücke zu füllen, die VIVA und MTV als Probebühne für Talente zurückgelassen hatten: „Wir waren immer live, alles Mögliche konnte passieren.“ Clips fielen aus, Gäste kamen nicht, den Chat mussten sie im Auge behalten – „noch mehr ins kalte Wasser springen geht eigentlich nicht. Einfach die beste Schule!"

Einer ihrer ersten Gäste bei Joiz war der damals schon ziemlich berühmte Joko Winterscheidt. Der Streich (Stichwort Wodka!), den er ihr live spielte, katapultierte die Nachwuchsmoderatorin unerwartet in die erste Fernsehreihe und wappnete sie fortan für alle (un)möglichen Interviewsituationen. Auftritte bei „Circus Halli Galli“ (ProSieben) folgten, mit „Crash Games“ die erste größere Showmoderation. Khalajs Zukunft vor der Kamera war besiegelt. Dabei hätte sie selbst am wenigsten damit gerechnet.

Persisches Mädchen

„Als kleines Mädchen konnte ich mir eine persische Moderatorin im deutschen Fernsehen nicht vorstellen“, sagt Khalaj, „es gab sie einfach nicht“. In der Berlin- und Medienbubble stieß sie auf jene Toleranz und Akzeptanz, mit der es drumherum ihrer Erfahrung nach noch immer „oft nicht weit her ist“. Deshalb engagiert sie sich abseits der Showbühne, sei es für afghanische Frauen oder gegen Rassismus. „Wenn ich schon im Mainstream-TV stattfinden kann, möchte ich meine Meinung sagen und ein Umdenken anregen.“ Und wer weiß, sagt sie mit Blick auf jene Menschen, die aus Kriegsgebieten flüchten und sich hier ein neues Leben schaffen wollen, „das sind vielleicht irgendwann Moderator*innen, Musiker*innen oder Ärzte und Ärztinnen, die wir brauchen. Die Vielfalt macht doch unser Land aus.“

In der vielfältigen Programmwelt von ProSiebenSat 1 gibt es für sie derweil eine große Menge an Herausforderungen, seitdem sie 2019 mit dem Kids-Ableger von „The Voice“ den Einstieg in die Primetime schaffte. Länger als sie moderierte keine ihrer Vorgängerinnen die Show. Was lag näher, als Khalaj auch für die Erwachsenenvariante zu buchen? Bestimmt aufkommende Vergleiche mit Thore Schölermanns vorheriger Ko-Moderatorin Lena Gercke kontert die Neue mit gesundem Selbstbewusstsein: „Es tangiert mich nicht. Jede Moderatorin steht für sich. Jede Moderatorin hat andere Stärken.“

Mehr als Mockridge-Ersatz

Ihre ist zweifellos: Sie kann eine Show, die eigentlich nicht für sie bestimmt war, zur ihren machen. Bewiesen hat das Melissa Khalaj in der kürzlich beendeten Musikshow „All Together Now“, als sie die Ukulele zupfte oder mit einem Elvis-Double spontan „In the ghetto“ anstimmte. Kaum eine Woche lagen zwischen Angebot und Produktionsstart. Dass sie „nur“ Ersatz für den in MeToo verstrickten Luke Mockridge war, stört sie nicht: „Ich sehe es eher als Breakthrough-Moment. Die alte Schule war: Da setzen wir einen Mann drauf. Vielleicht setzt sich jetzt durch, dass es mit einer Frau genauso gut funktionieren kann.“

Weil ihr aber die Erfahrung zeigt, „vom Himmel kommt halt nichts geflogen“, wird Melissa Khalaj selbst aktiv. Für den Frauensender sixx war sie von Stunde Eins an an der Konzeption der TV-Show „BAFF – clever kontern“ beteiligt. Am Montag war Premiere, und man lernte in diesem „Schlagfertigkeits-Bootcamp“, wie man zum Beispiel der bösen Schwiegermutter Paroli bietet. Auch eine Premiere: Khalaj war diesmal die erste Moderatorenwahl.

Eine komplett neue Sendung auf die Beine zu stellen so wie „BAFF“, das sei schon „eine andere Hausnummer“ als ein bestehendes Format zu übernehmen: „Da ist für mich als Moderatorin und Ideengebein noch mehr Spielfläche, um Druck entstehen zu lassen.“ Aber, und da ist man mit den guten Gefühlen ganz bei Melissa Khalaj, wenn sie sagt: „Ich bin sehr happy, dass man mich mittlerweile aber auch direkt fragt und nicht erst dann, wenn jemand anderes nicht kann oder nicht mehr will.“

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