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Medien: Scheinheilig

Deutschlands Fernsehmacher streiten noch immer über Schleichwerbung

Es wäre zu schön gewesen: Täter treffen Opfer treffen Kommentatoren – und alle sind nett zueinander. Passend zum erklärten Ziel der Veranstaltung luden das Potsdamer Erich Pommer Institut und das Medienboard Berlin-Brandenburg die Protagonisten des diesjährigen Schleichwerbeskandals zur Aussprache ins Diplomatenviertel: „Marienhof und die Folgen“ war der Termin in der estnischen Botschaft überschrieben; aus dem Streit der Sommermonate sollte eine sachliche Debatte über die Zukunft von Werbung und Werbeformen im deutschen Fernsehen werden.

Soviel zur Theorie. „Ich dachte, wir wären nicht mehr im Kriegsgetümmel“, fauchte Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), WDR-Justiziarin Eva-Maria Michel an. Der Münchner Medienanwalt Martin Diesbach warnte gar vor der „Kriminalisierung der Produzenten“. Michel hatte unter anderem die EU-Pläne zur Revision der Fernsehrichtlinie energisch zurückgewiesen. Sämtliche bisherigen Vorschläge zur Legalisierung des „Product Placement“ könnten die „Irreführung des Zuschauers“ nicht verhindern. Zudem gefährdeten sie die Unabhängigkeit der Rundfunkjournalisten. Den Vorschlag, mitten im regulären Programm platzierte Werbung in Vor- und Abspannen zu benennen, nannte sie „Spiegelfechterei“ – „wenn das kommt, haben wir in Deutschland gekauften Journalismus.“

In diesem Augenblick hörte man Georgia Tornow, als film20-Geschäftsführerin aktive Produzenten-Lobbyistin, nicht zum ersten Mal vernehmlich stöhnen. Tornow – gemessen am Applaus, teilten die meisten Teilnehmer ihre Ansicht – sprach sich gegen das „völlig veraltete Trennungsgebot“ aus und warb stattdessen für den „Erkennbarkeitsgrundsatz“. Hier assistierte VPRT-Chef Doetz, indem er verriet, dass sein Verband sogar Vorschläge diskutiere, wie den, während eines Product Placement das Sendersymbol auf dem Bildschirm mit dem Logo des Werbetreibenden auszutauschen. „Sie lachen jetzt“, sagte er – ans lachende Publikum gewandt. Aber das Beispiel zeige doch, dass auch die kommerziellen Anbieter nach Lösungen suchten, um die Transparenz und den Schutz der journalistischen Freiheit zu wahren.

Michels Kritik nannte Doetz „scheinheilig, mit Augenklappe“. Internationale Produktionen wie „James Bond“, die bekanntlich voll von Produktwerbung seien, nehme man beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerne ins Programm, aber auf dem heimischen Markt fordere man strengere Regeln. „Da kriegen sie vielleicht irgendeinen lächerlichen Wächterpreis“, griff er die WDR-Justiziarin zum wiederholten Male an.

So weit, so uneins. Leider können auch die werten Juristen bislang nicht weiterhelfen. Als drei Medienanwälte schließlich gebeten werden, am Bildschirm ein halbes Dutzend Ausschnitte aus Sendungen wie der Soap „Marienhof“ (ARD) oder der Serie „Sabine“ (ZDF) zu bewerten, sind sie sich nicht einig – in keinem einzigen Fall.

Felix Serrao

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