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Medien: Schimanski unter Mordverdacht

Immer melancholischer, immer besser: Wieder einmal wird der Ex-„Tatort“-Ermittler auf den Bildschirm gerufen

Ein Spaßvogel wird aus Schimanski nicht mehr. „Als der liebe Gott die Nasen verteilt …“, beginnt er seinen Witz. Man ahnt schon, dass seine jüdischen Gastgeber nicht werden lachen können. Auch sonst beweist der Ex-„Tatort“-Kommissar, dass er vom jüdischen Leben allenfalls die einschlägigen Stereotypen kennt. „Dieses ganze Getue, diese ganze jüdische Geheimniskrämerei“, beschwert er sich genervt bei Paul Rosenfeldt, der einen Koffer mit gefährlichem Inhalt mit sich herum schleppt und ihn als Leibwächter engagiert hat. „Ojoj, Sie sind ja Antisemit“, entgegnet Rosenfeldt, was Schimanski wie jeder korrekte Deutsche weit von sich weist: „Quatsch, das ist doch kein Argument.“

„Schimanski ist in seiner Ahnungslosigkeit sicher ein typischer Vertreter der Deutschen“, sagt Regisseur Andreas Kleinert. In „Das Geheimnis des Golem“ lässt er den ergrauten Fernsehhelden stellvertretend für sein Publikum eine Reise durch eine fremde Welt antreten: Schimanski erlebt mit, wie das Versöhnungsfest Jom Kippur und ein jüdischer Gottesdienst gefeiert wird. Er verdingt sich sogar als Aushilfe in einem Restaurant für koschere Speisen. Aber Schimanski tut das nicht freiwillig und aus Neugier, sondern weil er mal wieder in Schwierigkeiten steckt. Rosenfeldt wurde in Schimanskis Wohnung getötet, so dass seine Ex-Kollegen von der Polizei nun hinter ihm her sind, während Schimanski den wahren Mörder sucht.

Das Drehbuch schrieb Mario Giordano („Das Experiment“), der freilich nicht mit dem aus einer jüdischen Familie stammenden Journalisten Ralph Giordano verwandt ist. Und auch Regisseur Kleinert macht keinen Hehl daraus, dass er trotz einiger Reisen nach Israel nicht viel von jüdischem Alltagsleben weiß. Deshalb waren mit der Kölnerin Ruthi Aronof-Günther und ihrem Vater Karl Günther, einem Vorbeter der jüdischen Gemeinde in Mannheim, Fachberater hinzugezogen worden. „Endlich hat sich mal jemand die Mühe gemacht und gefragt“, sagt Ruthi Aronof-Günther, die als Assistentin des Kölner Rabbiners arbeitet, Jugendlichen Religionsunterricht erteilt und gelegentlich als Kabarettistin auftritt – Spezialgebiet: jüdischer Humor. In anderen Filmen werde vieles „total falsch“ dargestellt. Auch bei den „Schimanski“-Dreharbeiten legte Aronof-Günther mehrfach ihr Veto ein, etwa wenn die Ausstatter im jüdischen Café einen Croque Monsieur servieren wollten, alle Komparsinnen in der Synagoge mit Kopftuch auftauchten oder der Film-Rabbi, gespielt von der 1939 vor den Nazis geflohenen österreichischen Schauspiel- Legende Otto Tausig, einen langen statt des kurzen Mantels anziehen sollte. „In solchen Dingen haben wir uns sehr stark prägen lassen. Sonst höre ich, ehrlich gesagt, nicht so auf Fachberater“, sagt Kleinert.

Der Berliner Regisseur, der für seine letzte Zusammenarbeit mit Götz George („Mein Vater") mit dem Fernsehpreis „Emmy“ prämiert wurde, hatte vor den Dreharbeiten verschiedene jüdische Gemeinden in Holland, Deutschland und Belgien besucht: „Aber dieses Straßenbild gibt es eben nur in Antwerpen.“ Im jüdischen Viertel der belgischen Hafenstadt leben viele strenggläubige Orthodoxe, die Chassidim. So entsprechen nun die meisten Figuren im Film dem Klischee, dass vermeintlich alle Juden einen Kaftan und Schläfenlocken tragen. Ruthi Aronof-Günther hat dies neben weiteren Details akzeptiert, in denen der Regisseur filmisch-visuellen Argumenten den Vorzug vor Genauigkeit gab: „Ein Fernsehfilm lebt von Klischees, das ist ja keine Doku“, sagt sie. Kleinert verweist auf eine weitere Hauptfigur des Films: Lea (Nina Kunzendorf), die ebenfalls dem Koffer nachjagt und mit Schimanski heftig flirtet, sei eine moderne Jüdin, zu der der Glauben gehört „wie alles andere auch“. Und um nicht ein „romantisch verkitschtes Bild von der jüdischen Welt“ zu zeichnen, hat er nicht nur in der malerischen Antwerpener, sondern auch in der neuen Duisburger Synagoge gedreht.

Ärger habe es nur im jüdischen Viertel von Antwerpen gegeben, erzählt Kleinert. Da Chassidim weder fotografiert noch gefilmt werden wollen, reagierten einige auf die Dreharbeiten aggressiv. Es seien keine Chassidim heimlich gefilmt worden, betont Kleinert: Die Komparsen seien zwar Juden, aber keine Strenggläubigen gewesen. Dass der Film über jüdisches Leben aufklären könne, glaubt Ruthi Aronof- Günther weniger, aber sie ist überzeugt, dass sich viele Zuschauer „in der Befangenheit Schimanskis wiederfinden“ werden. Kleinert wollte „nicht didaktisch und ehrfürchtig-bieder daherkommen“, sagt er, sondern unverkrampft, selbstbewusst, mit Humor und Ironie. Also lernt selbst Schimanski dazu. Am Ende überlegt er sogar, ob er sich beschneiden lassen soll. Sein Motiv ist allerdings eher weltlicher Natur.

„Schimanski – Das Geheimnis des Golem“, ARD, 20 Uhr 15

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