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Flache Charaktere: Burak Yirgit als Romeo.

© ZDF

„Shakespeares letzter Runde“: Schein ohne Sein

In der ZDF-Produktion feiern Macbeth, Hamlet & Co. eine rauschende Party. Allzu hohe Erwartungen werden enttäuscht.

An der langen Tafel haben sich zankend Filmmogul Oberon (Reiner Schöne) und Schauspieldiva Titania (Iris Berben) eingefunden, um mit ihren Schützlingen zu dinieren. Geschäftsmann Othello (Tonio Arango) begnügt sich mit dem Ecktisch, um seine Desdemona (Ruby O. Fee) anzuhimmeln, denn Minister Macbeth (Wilfried Hochholdinger) und seine Lady (Catrin Striebeck) spinnen ihre Intrigen an seinem reservierten Platz.

Romeo (Burak Yigit) und Julia (Carolyn Genzkow) feiern einen schicksalshaften 27. Geburtstag. Und Hamlet (Max Hegewald) sitzt den ganzen Abend allein am Tisch. Die ZDF-Produktion „Shakespeares letzte Runde“ führt zum 400. Todestag des englischen Dichters seine berühmtesten Figuren in ein Berliner Szene-Restaurant aus: Das Etablissement „The Globe“ – benannt nach dem Londoner Theater, in dem Shakespeare seine Stücke aufführte – ist ein Mikrokosmos kurz vor der Implosion. Dass es sich um „das letzte große Fest“ vor der Schließung des Ladens handelt, ahnen die Protagonisten nicht.

Es ist eine illustre, prominent besetzte Gesellschaft, mit der Achim Bornhak, der zuletzt mit „Der Nachtmahr“ eine moderne Interpretation des Erlkönigs auf die Leinwand brachte, hier eine sommernachtstraumartige Party feiert.

Keine ernsthafte Auseinandersetzung mit Shakespeare

Wie es sich gehört wird es tüchtig exzessiv und passiert alles auf einmal: An den Tischen, der Bar und auf dem Klo spielen die Figuren ihre berühmtesten Szenen an und verflechten ganz unverbindlich die Handlungen ihrer Stücke. Der Ladendealer Puck, schon bei Shakespeare mit Liebestropfen unterwegs, verteilt fleißig Drogen, wie sie aktuell auf Berliner Partys kursieren.

Wer von dem Kammerspiel eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Shakespeare'schen Werk erwartet, wird enttäuscht sein: Die Handlung entwickelt keine eigene Dynamik, sondern wird sowohl auf der individuellen als auch auf der kollektiven Ebene nur durch die einsetzenden Drogenräusche vorangetrieben.

Entsprechend flach wirken die Charaktere, die sich nur durch ihre berühmten Namen und eine Anhäufung von Zitaten zu erkennen geben – 80 Minuten hätten zu ihrer Entfaltung sowieso nicht genügt. Die sich zutragenden Dramen scheinen denn vor allem lachhaft, ohne dass sie zu einer richtigen Komödie gereichten: Romeo und Julia etwa, die keine Familienfehde auseinanderhält, erleben ihr Spießerglück in der Uckermark nicht mehr aufgrund von falschem Mischkonsum.

Meta-Theater, missglückt

Man könnte dieses Meta-Theater wohlmeinend als ein Bild des heutigen Zeitgeists lesen: Die Welt als gigantisches Theater, in dem sich jeder in einer dramatischen Rolle inszeniert, um über seine Bedeutungslosigkeit hinwegzutäuschen. So betrachtet würden die missglückten Shakespeare-Rezitationen – nur Reiner Schöne ist seiner Rolle und dem Text gewachsen – narzisstische Selbst-Inszenierungen entlarven.

„Shakespeares letzte Runde“ entpuppt sich nämlich als Spuk, als Schein ohne Sein. Dazu hätte es allerdings keine Lady Macbeth und keinen Othello gebraucht. Ob es Shakespeare Ehre macht, seine Figuren als Pappmaché nachzubilden und mit ihnen eine wilde Party zu feiern, ist eine andere Frage.

„Shakespeares letzte Runde“, Mittwoch, Arte, 22 Uhr

Carolin Haentjes

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