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Medien: „Stauffenbergs Charisma habe ich nicht“

Der Schauspieler Sebastian Koch über seine Rolle als Hitler-Attentäter in Jo Baiers Geschichtsthriller

Was wussten Sie über Stauffenberg und das Attentat vom 20. Juli 1944, bevor Sie sich mit dieser Rolle beschäftigt haben?

Herzlich wenig. Ich wusste, er trug eine Augenklappe und hat versucht, Hitler umzubringen.

Sie sind bekannt dafür, dass Sie sich akribisch auf Ihre Rollen vorbereiten. Wie haben Sie das in diesem Fall getan?

Ich habe viel gelesen, Biografien, Geschichtsbücher, Briefe. Natürlich habe ich mir Filme aus den 50er Jahren über Stauffenberg angeschaut. Sie waren nicht überzeugend, weil sie zu nah dran waren. Dann habe ich versucht, die ganzen Namen zu lernen. Einfach zu wissen, wer ist Beck, wer Generaloberst Fromm. Auch Namen, die nicht in den Geschichtsbüchern stehen. Ich wollte vertraut werden mit dem inneren Kreis des Attentats. Schließlich waren circa achtzig Leute im Generalstab.

Mit der Titelrolle übernehmen Sie eine große Verantwortung. Alles ist fokussiert auf Sie.

Stauffenberg ist die anstrengendste und schwerste Rolle, die ich je zu spielen hatte. Zum einen haben die Behinderungen meine volle Konzentration verlangt. Stauffenberg fehlte ja wegen einer Kriegsverletzung die rechte Hand, zwei Finger an der linken. Hinzu kommt ein enormer innerer Druck. Alles spielt an einem Tag, diese Spannung musste ich wochenlang halten.

Was bedeutet es, einen Helden zu verkörpern?

Eine extreme Herausforderung. Dieser Mann hatte eine unglaubliche Aura. Ich musste den Mythos abtragen, um den Menschen dahinter zu entdecken. Sonst wäre mir die Figur völlig fremd geblieben.

Wie haben Sie das gemacht?

Ich fragte mich immer wieder, wo ist bei jemandem mit so großer Form die Wärme, das Gefühl. Ich musste diese Form verstehen, weil ich sie so selbst nicht habe. Wenn Stauffenberg einen Raum betrat, drehte sich alles um ihn. Dieses Charisma habe ich nicht.

Was meinen Sie mit „Form“?

Ich meine Haltung, sowohl die äußere, also durch das Militär geprägte, als auch seine innere Haltung. Dieser Mann ist ein Adliger durch und durch. Ernsthaft, klug, elitär. Aufgewachsen in einem Schloss. Der Schlüssel zu dieser Figur ist seine Herkunft.

Haben Sie die Familie besucht?

Ja, ich war Gast im Schloss der Witwe in der Nähe von Bamberg. Die Familie wollte mich auch kennen lernen. Das hat mich gefreut.

Wie war diese Begegnung?

Entscheidend. Gräfin Nina von Stauffenberg, seine Frau, ist 90 Jahre alt, ihr Sohn Franz Ludwig war noch dabei. Er war ein kleines Kind, als dies alles passierte. Plötzlich war das Verständnis für die Figur da. Der Vater ist 60 Jahre tot, aber er hat die Familie geprägt. Seine Energie steckt bis heute in ihr. Ich spürte, ich kann diesem ganzen angelesenen Wahnsinn ein bisschen Leben geben.

Inwiefern?

In den Büchern steht nicht, dass er ein liebevoller Vater war. Wenn man die Familie besucht, merkt man, wie sehr er das war. Er und seine Frau liebten sich, sie waren ein Team. Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber es war noch etwas anderes, ich habe die Haltung dieser Menschen beobachtet. Es herrscht einfach eine andere Art von Nähe. Keine Körperlichkeit. Alles ist formaler. Aber diese Etikette hilft, wenig preiszugeben und dennoch verbindlich zu sein. Das hat mir gefallen.

Wie ist Stauffenberg zu dem Mann geworden, den wir aus den Geschichtsbüchern kennen?

Er hat in die Wiege gelegt bekommen, etwas ganz Besonderes, etwas Besseres zu sein. Er fühlte sich schon im Kindesalter als Held. Stauffenberg liebte das Militär, er wollte die Welt verändern. Wenn man das weiß, kann man das auch vermitteln.

Wie haben Sie es geschafft, Stauffenbergs letzten Satz: „Es lebe unser heiliges Deutschland“ so glaubhaft spielen?

Wir haben am Original-Schauplatz hier in Berlin, im Bendlerblock, gedreht. Also genau da, wo dieser Mann vor sechzig Jahren stand. Es muss alles so gewesen sein. Die Gewehre sind auf einen gerichtet, Autoscheinwerfer blenden. Plötzlich kommt dieser Satz. Dieses Pathos gehört dazu. Und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Ich habe Regisseur Jo Baier gebeten nicht zu proben. Entweder es kommt, oder es kommt nicht.

Wie war das, als Sie das Angebot bekamen, Stauffenberg zu spielen? Haben Sie nicht gedacht, schon wieder eine deutsche Figur?

Wieso fragen das immer alle? Ich habe gerade mal den Stauffenberg gespielt und jetzt spiele ich Hitlers Architekten, Albert Speer. Das sind spannende Stoffe, historische Thriller. Und mittlerweile bin ich gut im Thema. Vielleicht ist es Mode, Geschichte zu verfilmen. Aber dann ist es eine gute.

Was unterscheidet eine historische Rolle von anderen?

In einem normalen Fernsehspiel würde ich niemals so eine Maske bekommen. Diese Mühe würde sich keiner machen. In historischen Filmen muss alles sehr genau sein, selbst meine Haare wurden verlängert. Ich bin Schauspieler, ich liebe das.

Was denken Sie, warum sind Sie gefragt worden, Stauffenberg zu spielen?

Das ist schwierig zu sagen, ich glaube, ich kann mich zurücknehmen. Ich ziehe die Rolle nicht zu mir ran, sondern gehe hin zu der Figur. Ich verwandle mich. Das ist mein Beruf.

Warum wird ein Film, der vom Attentat des 20. Juli handelt, an einem 25. Februar gezeigt?

Das war nicht geplant. Die Konkurrenz zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern ist jedoch inzwischen so groß. Wenn Guido Knopp im März vier Filme zu diesem Thema zeigt, sagt die ARD: Dann müssen wir vorziehen, sonst will kein Mensch mehr den Spielfilm sehen.

Sehen Sie das auch so?

Ich weiß es nicht recht. Letztlich ist man im Nachhinein immer klüger. Vielleicht wären die Dokumentationen durchaus eine gute Vorbereitung auf den Spielfilm. Man könnte im Grunde wunderbar miteinander statt gegeneinander arbeiten.

Heinrich Breloer, mit dem Sie gerade „Speer und Er“ drehen, spricht in diesem Zusammenhang von „Nazi-Olympiade“.

Ja, und er hat auch Recht. Dieses Wetteifern dient nur der Quote, es geht überhaupt nicht um die Sache. Das ist mehr als schade. Ich bin so froh, dass die Deutschen sich endlich selbst mit diesem Thema beschäftigen. Schließlich kommen die meisten Filme zur Nazi-Zeit aus dem Ausland.

Das Gespräch führte Carla Woter.

„Stauffenberg“, ARD, 20 Uhr 15.

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